Die Presse am Sonntag

Der weite Weg bis zum großen Wurf

Ivona Dadic gewann bei der Leichtathl­etik-EM im Siebenkamp­f Bronze, auch bei Olympia sind 6400 Punkte ihr Ziel. Sie trainiert eisern elfmal die Woche – lebt das »System Dadic«.

- VON HERBERT ASAMER

Die Leichtathl­etik-EM in Amsterdam war auf bestem Wege, sich für Österreich­s Sportler zu einem gewohnten Fiasko zu entwickeln. Zürich 2014, London 2012 – null Medaillen. Ein Semifinale im Hürdenlauf war nach vier Tagen die magere Ausbeute. Doch dann rettete Ivona Dadic die Titelkämpf­e. Die Oberösterr­eicherin, 22, gewann Siebenkamp­f-Bronze – das ist kein alltäglich­es Ereignis für den rotweiß-roten Sport. Am Ende brachte es die Mehrkämpfe­rin auf 6408 Punkte, eine Verbesseru­ng des von ihr selbst gehaltenen ÖLV-Rekordes um über 200 Punkte. Die Leistung bedeutete zugleich das Limit für Olympia in Rio de Janeiro – aber, gewinnt sie nun auch bei den Sommerspie­len Edelmetall? Der Vergleich mit London 2012 zeigt: Dadic wäre damit Zehnte geworden.

Entdeckt wurde sie als Volksschül­erin aus Offenhause­n bei einer Laufolympi­ade in Wels. „Dabei war ich als Spätgebore­ne des Jahrgangs 1993 eine der Jüngsten im Feld“, erinnert sich Dadic im Gespräch mit der „Presse“. Und bald trat sie dem Welser Leichtathl­etikverein um Michael Hager bei. Zweimal pro Woche wurde die Schülerin von ihrer Mutter in das 20 Kilometer entfernte Wels zum Training kutschiert. „Ohne die Unterstütz­ung meiner Eltern wäre da gar nichts gegangen“, erzählt sie. Auftakt in Cesenatico. Nach der Hauptschul­e wechselte sie in die Sporthande­lsschule nach Linz, wo Wolfgang Adler das Training übernahm. Jeden Tag musste sie um 5.15 Uhr raus aus den Federn, dreimal mit Bus und Zug umsteigen, um pünktlich zum Vormittags­training zu erscheinen. Erster Lohn für die Mühen war der Sieg bei der Crosslauf-Meistersch­aft als 14-Jährige.

2008 bestritt der Klub ein Trainingsl­ager in Cesenatico – Dadic entdeckte da den Siebenkamp­f. Sie sprang auf Anhieb 1,50 Meter hoch. Das war das Zeichen für den Trainer, doch auch andere Diszipline­n wie Sprung und Wurf auszuprobi­eren. Noch im gleichen Jahr gewann das Multitalen­t die ersten Nachwuchst­itel im Mehrkampf. „Weitere vier Jahre später habe ich mit Wolfi das Limit für London geschafft“, erzählt Dadic, als wäre es das Selbstvers­tändlichst­e der Welt. Und stellt auch das Team mit dem Trainer in den Mittelpunk­t. „Trotz Amsterdam und Olympia wird Götzis 2012 mir das ganze Leben in Erinnerung bleiben. Da stellt es mir noch heute die Haare auf“, schwärmt sie noch heute vom Debüt im Mehrkampfm­ekka in Vorarlberg.

1993

wird Ivona Dadic am 29. Dezember in Wels geboren.

2007

gewann sie ihren ersten Nachwuchst­itel im Crosslauf.

2008

feierte die Welserin ihre Premiere: erster Mehrkampft­itel in der Jugendklas­se.

2012

qualifizie­rte sich Siebenkämp­ferin Dadic für Olympia in London.

2016

schraubte die Mehrkämpfe­rin den ÖR auf 6408 Punkte, gewann EM-Bronze und schaffte das Limit für Rio. Damals war sie 18 und hatte im Feld mit Weltklasse­athletinne­n mit österreich­ischem Rekord und Olympialim­it den Durchbruch geschafft. Viele Familienfe­iern verpasst. Opfer für Topplatzie­rungen werden genug gebracht. „In Wochen ohne Wettkampf trainiere ich zehnmal die Woche, in der Aufbauzeit sogar elfmal. Als ich noch kein Auto hatte, brachte mich mein heutiger Trainer, Gregor Högler, oft erst um 21 Uhr nach Hause“erzählt Dadic von den Mühen des Trainingsa­lltags. Sie wird durch ihre große Familie geprägt, dabei unterstütz­t. „Meine Eltern kommen aus Kroatien“, sagt die Welserin. „Dort ist es üblich, viele Familienfe­iern zu haben. Leider müssen viele dieser Zusammenkü­nfte ohne mich ablaufen.“Dies falle ihr manchmal schwer und sei ihr größter Verzicht. Natürlich würde sie wie viele andere junge Menschen in ihrem Alter gern weggehen, aber das gehe während der Saison gar nicht.

Für den gegenwärti­gen Erfolg ging Dadic sogar den Umweg über Großbritan­nien. 2012 übersiedel­te sie zur Trainingsg­ruppe um Olympiasie­gerin Jessica Ennis-Hill nach Sheffield. Diese Zeit war nicht einfach. In dem siebenköpf­igen Team konzentrie­rte sich alles um Ennis-Hill, nach deren Trainingsp­lan sich alle richten mussten. Dazu kamen zwei Meniskusop­erationen, mit der Schwangers­chaft der britischen Ausnahmeat­hletin hatte sich die Gruppe mehr oder weniger aufgelöst. Den-

Ivona Dadic: »Ohne die Unterstütz­ung meiner Eltern wäre gar nichts gegangen.« »Ennis-Hill ist Olympiasie­gerin und war sich nicht zu schade, mich von daheim abzuholen.«

noch bleibt die Britin ihr Idol: „Für mich ist sie eine großartige Sportlerin und Persönlich­keit. Sie war sich als Olympiasie­gerin nicht zu schade, mich von zu Hause abzuholen.“

Nach einigen Monaten im Selbstfind­ungsprozes­s, in dem auch ein Ende der Karriere im Raum stand, entschied sich Dadic 2014 mit dem ÖLV und dem Bundesheer für einen Neuanfang. Neben Haupttrain­er Gregor Högler kamen ÖLV-Cheftraine­r Philipp Unfried, Jugendtrai­ner Adler und das ukrainisch­e Ex-Hochsprung-Ass Inga Babakova hinzu, sodass alle Mehrkampfd­isziplinen durch Spezialtra­iner abgedeckt sind. Physiother­apeuten und Masseure runden das Team ab. So entstand in der Südstadt, wo die Rekordleri­n trainiert, ein System Dadic, so wie es das System Ennis in Großbritan­nien gab.

Jeder Spitzenath­let, der Erfolge feiern möchte, brauche Druck. Sonst fehle der Ansporn zu richtig guten Leistungen, glaubt Dadic. Aber kann man als Leichtathl­etin in Österreich vom Sport leben? Es ist doch auch Profitum. Dadic sagt Ja. Mit dem Bundesheer, Kornspitz als Hauptspons­or, Partner Nike sowie der Förderung durch das Projekt „Rio 2016“komme sie über die Runden. Ihr sei aber bewusst, dass dies nur bei wenigen heimischen Athleten der Fall ist. Um finanziell etwas aufzubauen, ist es zu wenig. Dazu brauchte es Medaillen, aber dafür kommt Rio noch zu früh. Was 2020 in Tokio passieren wird, ist Zukunftsmu­sik. Auf die Frage, was denn passiere, wenn einmal etwas richtig aufgehe, will sie nicht eingehen. Sie lächelt, die 22-Jährige scheint für sich schon eine Antwort gefunden zu haben.

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Gilbert Novy/picturedes­k.com Model und Siebenkämp­ferin Ivona Dadic.

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