Die Presse am Sonntag

Der »Begrüßungs­schmerz« als Symptom

Mehr Żls ©ie H´lfte ©er Österreich­er lei©en Żã 70 JŻhren Żn einer Fingerarth­rose. Doch wie erkennt mŻn ©ie KrŻnkheit, ©ie schon lŻng ©Ż ist, ãevor sich Schmerzen ãemerkãŻr mŻchen? Un© wŻs hilft ©Żnn?

- VON CLAUDIA RICHTER

An vergangene Zeiten erinnert sich Margareta Ebster nicht gern zurück: „Wenn mir jemand die Hand fester gedrückt hat, habe ich geglaubt, ich sterbe vor Schmerzen“, erzählt die heute 55-jährige Briefträge­rin. Jahrelang nahm sie Schmerzmit­tel, ließ sich akupunktie­ren. Sie litt Höllenqual­en, wie sie sagt. Dennoch suchte die Frau lang keinen Arzt auf. „Heute tut es mir leid, dass ich so spät gegangen bin, denn manches kann man nicht mehr gut machen, wenn man zu lang zuwartet.“So sei zumindest einer ihrer Finger ganz verbogen, mehrere immer wieder geschwolle­n.

Margareta Ebster hat Fingerarth­rose. Die Krankheit zählt zum Formenkrei­s des degenerati­ven Rheumatism­us. Die ersten Verschleiß­erscheinun- gen beginnen oft schon in der Jugend. „Je länger man eine Arthrose unbehandel­t lässt, desto mehr Gelenke und vor allem Knorpel werden zerstört. Dauerschme­rzen, knotige Veränderun­g an den Fingergele­nken und Versteifun­g sind die Spätfolgen“, erklärt Rheumatolo­ge Thomas Schwingens­chlögl. Er rät zur Achtsamkei­t: „Man sollte eigentlich bei den ersten Anzeichen zum Arzt gehen, Schmerzen treten meist erst in einem fortgeschr­ittenen Stadium auf.“ Der Händedruck, der wehtut. Frühzeiche­n einer Fingerarth­rose sind Steifigkei­t in den Gelenken (vor allem am Morgen), Kraftverlu­st in den Händen, auch Knacksen oder Reibgeräus­che können erste Hinweise sein. Bald setzt dann auch der „Begrüßungs­schmerz“ein: Ein kräftiger Händedruck tut dann weh. „Eine frühe und rechtzeiti­ge The- rapie kann ein Fortschrei­ten der Krankheit verhindern und sehr oft das Leiden auch zum Stillstand bringen“, sagt Schwingens­chlögl.

Frau Ebster hat dieses Zeitfenste­r übersehen. Sie muss heute noch – sechs Jahre nach der Diagnose – fast alle zwei Wochen zur Behandlung. „Ich bekomme dann Infusionen und Spritzen in die Finger, das ist zwar nicht angenehm, aber dann bin ich wieder zwei, drei Wo- chen schmerzfre­i“, erzählt die Frau mit den dunkelblon­den Haaren.

Behandelt wird die Krankheit unter anderem mit Cortison, mit Präparaten, die das Knorpelwac­hstum anregen und den Knorpelabb­au verzögern, mit antirheuma­tischen Gels und Hyaluronsä­ure. „Ich infundiere auch Vitamin B und C, sie wirken zusätzlich entzündung­shemmend“, sagt Schwingens­chlögl. Wärme hilft. Entzündung­shemmend und schmerzsti­llend sind auch (nicht steroidale) Antirheuma­tika, die ob ihrer vielen Nebenwirku­ngen jedoch nicht ideal für den Dauereinsa­tz sind. Gegen Schmerzen und Steifigkei­t helfen auch lokale Kälte- und Wärmebehan­dlungen oder eine Magnetfeld­therapie.

Steife Finger, vor allem in der Früh, kennt Patientin Ebster nur zu gut. „Früher konnte ich oft nicht einmal mehr die Türschnall­e hinunterdr­ücken“, erzählt sie. Vor allem in der kalten Jahreszeit sei das häufig vorgekomme­n. „Wetterände­rungen, vor allem in Richtung kalt, tun angegriffe­nen Gelenken nie gut“, sagt der Arzt. Manchmal löse schon der Kontakt mit kaltem Wasser akute Schmerzen aus. Bei Trockenhei­t und Wärme gehe es den Patienten prinzipiel­l besser. „Der vorige Sommer, Operation. WŻs viele nicht wissen: Bei einer fortgeschr­ittenen Rhiz-Arthrose kŻnn eine OperŻtion helfen. „DŻãei wir© ein Teil ©es ©eformierte­n Gelenks ersetzt. Der Eingriff ãringt üãlicherwe­ise ein sehr gutes LŻngzeiter­geãnis, feinmotori­sche HŻn©griffe sin© ©Żnn wie©er ohne Schmerz möglich, Żuch ©ie nötige KrŻft kehrt wie©er zurück“, sŻgt ThomŻs Müllner, Aãteilungs­vorstŻn© ©er Orthop´©ischen Aãteilunge­n Żm EvŻngelisc­hen KrŻnkenhŻu­s in Wien. Neue Methode. Eine neue, interessŻn­te Metho©e hŻt ©ie Klinische Aãteilung für plŻstische, ´sthetische un© rekonstruk­tive Chirurgie Żm LKH-Universit´tsKlinikum GrŻz jüngst entwickelt. Deren Leiter, LŻrsPeter KŻmolz, sŻgt: „Dem PŻtienten wer©en üãerschüss­ige FettstŻmmz­ellen entnommen un© nŻch einer Aufãereitu­ng in ©Żs krŻnke Gelenk injiziert. Schon nŻch wenigen TŻgen zeigt sich ©er Erfolg.“Mit ©ieser Metho©e könne mŻn ©ie Aãnutzung ©es Knorpels run© um ©en DŻumensŻtt­el künftig sogŻr heilen. heiß und trocken, war ein Traum für mich. Da hatte ich fast gar keine Schmerzen“, erzählt die Niederöste­rreicherin prompt. Auch ihrer Schwester sei es besser gegangen – sie leidet ebenfalls an einer Fingerarth­rose. So wie ihre verstorben­e Mutter.

„Die Erkrankung, bei der Gene sicher eine große Rolle spielen, tritt bevorzugt bei Frauen auf“, sagt Schwingens­chlögl. Im Fall einer erblichen Belastung beginnt die Fingerarth­rose meist schon mit 30 Jahren. Im höheren Alter – etwa ab 70 – leiden dann insgesamt mehr als 50 Prozent der Österreich­er an dieser Abnützungs­erscheinun­g. Die durch harte Arbeit und ein- seitige manuelle Bewegung gefördert wird. Auch gewisse Sportarten – beispielsw­eise Klettern – oder eine Verletzung begünstige­n das vorzeitige Entstehen einer Arthrose in den Händen.

Eine falsche Ernährung kann eine Arthrose zwar nicht auslösen, aber sehr wohl die Symptome verstärken: Fleisch oder Wurstwaren, fette Milchprodu­kte oder zu viele Süßigkeite­n führen zu einer vermehrten Produktion von entzündung­sfördernde­n Fettsäuren im Körper. Fischöle oder Leinöl haben hingegen einen positiven Einfluss. „Aber mit der Nahrung allein kann man nichts ausrichten, eine Therapie ist das Um und Auf“, sagt Schwingens­chlögl. Das weiß auch Margareta Ebster. Stricken und Sticken, wie sie es früher gern gemacht hat, kann sie zwar nicht mehr, aber mit den Enkeln spielen, das geht seit der Behandlung zum Glück wieder: „Ich bin so froh, dass ich nun wieder eine aktive Oma sein kann.“

Frühzeiche­n sin© steife Gelenke, KrŻftverlu­st un© Żuch KnŻcksen in ©en Fingern. Eine fŻlsche Ern´hrung kŻnn ©ie Symptome einer Arthrose verst´rken.

 ?? Clemens FŻãry ?? Alle zwei Wochen wird Margareta Ebster von Thomas Schwingens­chlögl behandelt.
Clemens FŻãry Alle zwei Wochen wird Margareta Ebster von Thomas Schwingens­chlögl behandelt.

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