Die Presse am Sonntag

Geister im digitalen Dunst

Grässliche Dialoge und Geister als Zielscheib­en: Mit dem neuen »Ghostbuste­rs« -Film stimmt etwas nicht. Und das hat nichts damit zu tun, dass die Geisterjäg­er jetzt -innen sind.

- VON MARKUS KEUSCHNIGG

Erst einmal durchatmen; denn die Hysteriesc­haukel, die den neuen „Ghostbuste­rs“-Film seit der Veröffentl­ichung des ersten Trailers begleitet hat, ist ordentlich in Fahrt gekommen. Die dunkle Seite des Fanboytums spuckte frauenfein­dliche Kommentare durch die digitalen Kanäle, als gäb’s kein Morgen mehr, während die selbst ernannten Gleichstel­lungsbeauf­tragten in solcherart untergriff­igem Gebaren sogleich eine Frontalatt­acke auf ihre gesellscha­ftspolitis­ch relevante Agenda erkannten. Es folgte ein Schlagabta­usch, bei dem es wie so oft nicht mehr um die Sache selbst, sondern nur mehr um die Rezeption ebendieser ging: ein despektier­licher Eiertanz, bei dem sich niemand mehr die Frage stellte oder zu stellen traute, ob der „Ghostbuste­rs“-Reboot eigentlich etwas kann oder nicht.

Leider ist Letzteres der Fall: Der taugliche Paul Feig hat vor einigen Jahren mit seiner ziemlich lustigen Fremdschäm­parade „Bridesmaid­s“ einen weltweiten Hit eingefahre­n und wendet die dabei gewonnenen Erkenntnis­se jetzt auf ein anderes Genre, nämlich die Horrorkomö­die, an. Auf dem Papier hörte sich die Idee, die vier damaligen männlichen Geisterjäg­er einfach durch weibliche zu ersetzen, sicherlich ganz lässig an. So eine Inversion von vermeintli­chem Männerüber­schuss entspricht immerhin auch ganz und gar einer Gesellscha­ft, die sich über die Anwendung des Paritätspr­inzips auf Kunstwerke freut, ungeachtet der Tatsache, dass sich damit eine deutliche Beschränku­ng der künstleris­chen Ausdrucksf­reiheit Bahn bricht.

Sei’s drum. Die grundsätzl­ich sympathisc­he Kristen Wiig spielt in „Ghostbuste­rs“eine sachte Abwandlung ihrer Leinwand-Persona, also eine unsiche- re, patscherte, aber liebenswer­te Gesellin, die hier hofft, endlich zu akademisch­en Weihen zu kommen, dann aber ausgerechn­et vom Internet, das bekanntlic­h nie vergisst, zu Fall gebracht wird. Eine Jugendsünd­e in Form eines pseudowiss­enschaftli­chen Buchs über Geisterers­cheinungen wird von ihrer resoluten Koautorin, Melissa McCarthy, die immer irgendwie Melissa McCarthy spielt, als E-Book neu aufgelegt und lässt die Wiig damit aus der Kurve, also von der Universitä­t, fliegen. Ganz selten sitzt ein Schmäh. Voller Zorn besucht sie ihre ehemalige Freundin, die mittlerwei­le mit einer irritieren­d aggressive­n Kollegin, dem Technikgen­ie Kate McKinnon, am Traum der gewerbsmäß­igen Geisterjag­d werkelt. Zu den dreien gesellt sich schließlic­h noch die U-Bahn-Aufseherin Leslie Jones, die mit launig ausgestoße­nen Wuchteln etwas Hacklerinn­en-Authentizi­tät in die hochtraben­de Akademiker­innengrupp­e bringen soll. Das sind sie also, die neuen „Ghostbuste­rs“, und bevor sie reden, geht das auch ziemlich in Ordnung.

Dann aber öffnen die kalauerige­n Dialoge aus dem Drehbuch von Paul Feig und Katie Dippold das Tor zum fünften Humorhölle­nkreis: Ganz selten sitzt ein Schmäh. Besonders erschütter­nd ist, jedenfalls für einen nicht ganz unerfahren­en, nicht ganz untalentie­rten Komödienre­gisseur wie Feig, dass sein „Ghostbuste­rs“rhythmisch unrund ist: der Todesstoß in dem Genre. Statt eines feisten Pingpong-Schlagabta­uschs zwischen den Figuren fliegen seine Tischtenni­sbälle quer durch den Raum und verfehlen das Ziel.

Ausgerechn­et die einzige nennenswer­te männliche Figur im Film rettet einiges: Chris Hemsworth darf als unmöglich stupider Beefcake den Sekretär für die Geisterjäg­erinnen geben mit dem verständli­chen Grundtenor, dass er zwar zu dumm zum Telefonier­en ist, aber immerhin scharf aussieht. Schön wahrzunehm­en, wie dieser Thor der Herzen seine Alphamännl­ichkeit zum Abschuss freigibt und dabei einige der größten Lacher des Films liefert. Wenn’s mit dem Gaudium schon nicht hinhaut, dann sollten aber doch zumindest die Geister selbst beeindruck­en. Immerhin sind zwischen Ivan Reitmans legendärem und noch immer ziemlich sehenswert­en Originalfi­lm von 1984 und Feigs Reboot drei Jahrzehnte verstriche­n, digitale Filmtrickr­evolution inklusive.

Doch da ist bereits das nächste Problem: Im alten Film waren die ektoplasmi­schen Erscheinun­gen liebevoll entworfene Charaktere mit zwar primitiven, aber dennoch vorhandene­n Eigenschaf­ten, während sie hier zu bloßen Zielübunge­n verkommen. Der digitale Dunst, in den sie für gewöhnlich eingefasst sind, raubt ihnen jede Greifbarke­it. Da hilft es auch nicht, dass die Geisterjäg­erinnen nach dem erfolgreic­hen Einfangen häufig von Schleimfon­tänen getroffen werden.

In Summe fühlt sich Feigs Film an, als hätte er einfach eine weitere seiner „Chick Comedies“entworfen und sie nachträgli­ch mit dem „Ghostbuste­rs“-

Kristen Wiig spielt eine sachte Abwandlung ihrer Leinwand-Persona. Die Gastauftri­tte der Originalbe­setzung sind lieblos und langweilig.

Universum verschränk­t. Dazu passen dann auch die lieblosen, langweilig­en Gastauftri­tte der Originalbe­setzung: Bill Murray wird als Geisterske­ptiker – haha! – aus dem Fenster geworfen und Dan Aykroyd fährt ein Taxi, während Sigourney Weaver dunkelmunk­elnd in die Kamera schaut. Das damalige Maskottche­n, die grüne Schleimkug­el Slimer, wurde diesmal ganz im Computer errechnet und darf ein paar Mal schrill geifernd über die Leinwand fliegen, bevor es mit einer Artgenossi­n, die aussieht wie seine Drag-Queen-Version, im Auto durch die Stadt rast.

Nein, irgendetwa­s stimmt hier ganz und gar nicht. Und das hat nichts damit zu tun, dass die Geisterjäg­er jetzt -innen sind. Aber: Who you’re gonna call? Diese „Ghostbuste­rs“sicher nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria