Die Presse am Sonntag

Ein Donaukanal für Wiens Süden

Einst fuhren LŻstschiff­e Żuf ©em KŻnŻl zwischen Wien un© Wr. NeustŻ©t. Heute l´ngst vergessen, soll er ãŻl© Touristen un© Einheimisc­he Żnlocken: Eine Zeitreise mit Zukunftspe­rspektive.

- VON ANDREAS WETZ

Der Mann war das Phantom der Thermenreg­ion. Wenige haben ihn selbst gesehen, viele hörten von ihm. Mit dem Surfbrett soll der Unerschroc­kene bei Baden das flache Land zwischen Wien und Wiener Neustadt durchkreuz­t haben. Auf den letzten erhaltenen Abschnitte­n einer längst vergessene­n Wasserstra­ße, auf der einst Lastschiff­e von der Hauptstadt bis tief hinein nach Niederöste­rreich fuhren.

So plötzlich wie der Surfer vor zwei Jahren aufgetauch­t ist, ist er wieder verschwund­en. Die Reste des Wiener Neustädter Kanals aber gibt es immer noch. Anrainer, Vereine, Unternehme­r und Politiker der Region wollen in den nächsten zwei Jahren etwas daraus machen. Wasser und Freizeit, das kennt man aus Wien, kommen nämlich überall gut an. Der Plan ist, aus dem alten Industried­enkmal eine Art Donaukanal mit niederöste­rreichisch­em Einschlag zu machen.

Konzentrie­rt haben sich die Aktivitäte­n von Beamten, Unternehme­rn, Vereinen und Lokalpolit­ikern in der Person von Christoph Kainz. Der 49-Jährige vereint gleich mehrere Funktion auf einmal, was für das Gelingen des Vorhabens in einem Land wie Niederöste­rreich kein Nachteil ist. Der Mann ist Aufsichtsr­at des Wienerwald Tourismus, Landtagsab­geordneter der ÖVP und, in Bezug auf echte Entscheidu­ngsbefugni­sse vielleicht die wichtigste Qualifikat­ion, Bürgermeis­ter der Markt- und Weingemein­de Pfaffstätt­en.

Kainz und seine Mitstreite­r sehen in dem vor sich hin dämmernden Kanal einen Rohdiamant­en, der mit dem richtigen Schliff zum glänzenden Juwel für Tagesgäste, Touristen und auch Anrainer werden könnte. Anders als in den großen Städten spricht hier niemand von einer „Waterfront“, sondern von einer Mischung aus Freizeit, Erholung, Wertschöpf­ung und ein bisschen Zeitgeschi­chte.

„Wir haben hier eine echte Chance“, sagt Kainz auf dem Gelände eines längst geschlosse­nen Industrieb­etriebs zwischen Pfaffstätt­en und Tribuswink­el. Damals, vor 200 Jahren, nutzten neben den Schiffern zahlreiche Unternehme­r die kostenlose Wasserkraf­t des Kanals. In Zukunft sollen die Besucher hier auch Geld ausgeben. Die Zielgruppe ist groß. Allein in den Anrainerbe­zirken des Kanals leben 380.000 Menschen, im nahen Wien noch einmal ein Vielfaches davon. Bei inzwischen mehreren Treffen von 25 beteiligte­n Gemeinden entstanden Ideen von Wasserspie­lplätzen, Bootsverle­ihen, der Wiederinbe­triebnahme alter Schleusen und der gezielten Vermarktun­g des Radtourism­us entlang des Kanals. Und natürlich von Angeboten der Gastronomi­e. Die Thermenreg­ion ist bekannt für die nur hier wachsenden Weine Zierfandle­r und Rotgipfler. HŻfen Wien-Mitte. Die Radfahrer sind es auch, denen der in den Jahren 1797 bis 1803 erbaute Wiener Neustädter Kanal heute noch am ehesten präsent ist. Ein beliebter Radweg verläuft entlang seines Ufers. Fast alle anderen haben von ihm – ganz ähnlich wie beim Surfer – nur gehört. Dass hier Schiffe fuhren oder, präziser, gezogen wurden, überrascht dann bei einer Jause am Ufer selbst eine radfahrend­e Familie aus der näheren Umgebung.

Tatsächlic­h waren die Schiffe Lastkähne. Zwei Meter breit und 23 Meter lang konnten sie – von nur einem Pferd gezogen – bis zu 30 Tonnen Güter be- fördern. Und Güter brauchte das kaiserlich­e Wien, das damals unter Franz II. die Erlaubnis zum Bau der privaten Wasserstra­ße genehmigte, in rauen Mengen. Über den Kanal brachten die Schiffer zu Beginn vor allem Kohle und Holz, die damals die wichtigste­n Energieträ­ger der Metropole waren. Später transporti­erten die Ziegelbaro­ne ihren Baustoff auf dem Wasserweg nach Wien. Ein Drittel des Baumateria­ls für die Ringstraße­nbauten soll diesen Weg genommen haben.

Wohl kaum einer jener Hauptstädt­er, die heute durch das Einkaufsze­netrum The Mall beim Bahnhof WienMitte schlendern, weiß, dass der Kanal genau unter ihnen geendet hat. Hier, im Wiener Hafen, wurde umgeladen, lief das Wasser des Kanals in den Wien- fluss. Dort, wo jetzt Schnellbah­nen auf der Trasse der sogenannte­n Stammstrec­ke entlang der Linken und Rechten Bahngasse rollen, glitten einst die Lastkähne durch das Wasser.

Damit der Plan aufgeht, braucht es neben der Einigkeit der Anrainerge­meinden auch Öffentlich­keit. Weckruf und finanziell­er Anschub für die wilde Mischung aus regionaler Zeitgeschi­chte, Naherholun­g, Tourismus und Gas-

Zum Einzugsgeã­iet gehören ©ie 380.000 Einwohner ©er Region un© gŻnz Wien. Der KŻnŻlw´rter hŻt ©en Surfer selãst nicht gesehen. »Aãer ich hŻãe Fotos.«

tronomie soll 2019 die niederöste­rreichisch­e Landesauss­tellung in Wiener Neustadt sein, die als Schwerpunk­t die Entwicklun­g von Mobilität und Verkehrswe­gen darstellen wird. Biber zerstören D´mme. Bis dahin wird Thomas Wöhrer darauf achten, dass der Kanal in Schuss bleibt. Er ist einer von zwei Kanalwärte­rn, die im Auftrag des Landes Niederöste­rreich das 36 Kilometer lange Gewässer pflegen. Den derzeit größten Ärger machen ihnen Biber, die jüngst einen Damm derart untergrabe­n haben, dass der Asphalt des Radwegs darüber eingebroch­en ist.

Den Surfer des Jahres 2014 hat übrigens auch Wöhrer nicht selbst gesehen. „Aber ich habe Fotos von ihm“, erzählt er. Ein Anrainer hat sie ihm damals geschickt. Wer der Mann war, der sich nicht nur vom Wind, sondern zusätzlich von einem Moped ziehen ließ, ist bis heute ungeklärt. Wie es sich für ein Phantom gehört.

 ?? StŻnislŻv Jenis ?? Christoph Kainz paddelte als Jugendlich­er im Sautrog durch den Kanal. Als Bürgermeis­ter will er ihn nun touristisc­h aufwerten.
StŻnislŻv Jenis Christoph Kainz paddelte als Jugendlich­er im Sautrog durch den Kanal. Als Bürgermeis­ter will er ihn nun touristisc­h aufwerten.

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