Barcelona: Bewohner wollen ihre Stadt zurück
Die Bewohner der Stadt sprechen bereits von einer »Invasion« der Touristen. Bürgermeisterin Ada Colau reagiert mit einem Hotelbaustopp und der Jagd auf illegale Hotelbetten.
mit einer sehr hohen Tourismusdichte – kommt auf 127 Euro.
Für Preveden liegt die Lösung für jene Städte, die durch das Zuviel an Touristen überlastet sind, in den Preisen. Wer weg will vom billigen Massentourismus will, mit dem nicht nur die Einheimischen ein Problem haben, müsse einfach teurer werden und sich auch als teure Destination präsentieren. „Dann zieht man weniger Gäste an, verdient aber gleich viel oder mehr“, sagt Preveden, der aber auch eingesteht, dass ein Tourismuschef allein das Preisniveau einer Stadt nicht steuern kann. Antithese zum Massentourismus. WienTourismus-Chef Kettner führt das gute Abschneiden der Stadt in Sachen verträglicher Städtetourismus auch auf die Geschichte zurück. „Wir sind kontinuierlich, aber gesund gewachsen. Und wir haben von der Planung der Stadt einen großen Vorteil“, sagt er und nennt etwa den Bau der Ringstraße im 19. Jahrhundert. „Würden die Stadtmauern noch stehen, würde das ganz anders aussehen. Außerdem ist die Stadt historisch auf vier Millionen Einwohner ausgelegt“, sagt Kettner.
Neben den städtebaulichen Gegebenheiten macht er auch die – ebenso historisch bedingte – starke Ausrichtung auf Kultur für den Erfolg verantwortlich. Wien habe als mitteleuropäi- sche große Stadt das Kulturangebot einer Weltmetropole. „Kultur ist die Antithese zum belastenden Tourismus“, so Kettner, „und ein Garant für Qualitätstourismus.“
Demnach müsste Salzburg auch als touristischer Musterschüler durchgehen. Das geht sich beim Urteil des Tourismusexperten Preveden aber nicht ganz aus: „Salzburg hat schon ein Problem, es ist an seine Kapazitätsgrenze gestoßen.“Mit 15,5 Nächtigun- Kein Ort in Spanien wird derart von Touristen überrannt wie die Stadt Barcelona. Mit der Folge, dass die Bewohner gegen die „Invasion“zunehmend auf die Barrikaden gehen. Und Bürgermeisterin Ada Colau jetzt die Notbremse zieht: Colau verhängte ein Moratorium für neue Hotels und Touristenappartements, die sich in den letzten Jahren vervielfachten. Und sie droht Vermietungsplattformen wie Airbnb mit hohen Strafen, wenn weiter illegale Wohnungen – ohne die notwendige Tourismuslizenz – vermarktet werden.
„Die Stimmung in der Stadt kippt“, warnen Bewohner in Leserbriefen an die lokalen Zeitungen. „Das ist nicht mehr unser Barcelona.“An Fenstern in der Altstadt hängen Transparente wie „Stoppt den Massentourismus“, „Nicht noch mehr Hotels“oder „Der Tourismus tötet das Leben im Viertel“. Der Protest setzt sich fort auf vielen Hauswänden, die mit eindeutigen Sprüchen wie „Tourist, go home!“verziert sind. Insofern ist auch das Ergebnis einer städtischen Umfrage zum Thema wenig überraschend. „Die Tourismusphobie in Barcelona nimmt zu“, lautet das Resümee. 30 Millionen Touristen. Rund neun Millionen Urlauber übernachteten 2015 in Hotels und offiziellen Ferienwohnungen. Etwa die gleiche Besucherzahl sei bei Familien, Freunden oder in illegalen Appartements untergekommen, schätzt das örtliche Fremdenverkehrsamt. Hinzu kamen etwa zwölf Millionen Tagesgäste, die aus dem Umland oder von den 750 im Hafen gezählten Kreuzfahrtschiffen die Stadt eroberten. Insgesamt 30 Millionen City-Touristen – in einer Stadt mit 1,6 Millionen gen pro Einwohner hat Salzburg eine recht hohe Tourismusdichte für eine mittlere Stadt. Bei mittleren Städten liegt der europäische Durchschnitt bei sechs Nächtigungen pro Einwohner. (Städte des Clusters drei, also kleine Städte, haben mit 14,2 übrigens eine viel höhere durchschnittliche Tourismusdichte – das kroatische Opatija ist hier mit 92,4 absoluter Spitzenreiter.)
Laut dem Salzburg-TourismusChef Bert Brugger wurde die Tourismusdichte der Stadt bereits weiter nach oben geschraubt. „Wir haben mittlerweile 2,7 Millionen Nächtigungen bei 150.000 Einwohnern, also sind wir schon bei einer Tourismusdichte von 18“, rechnet er vor. In der Festspielzeit ist diese noch einmal höher, immerhin wird der Wert aufs Jahr gerechnet. Man versuche bereits, die Touristenströme mit diversen Angeboten zu „entzerren“. Das sei aber nicht immer leicht. „Reisen ist ein Grundrecht, das kann man nicht mit diskriminierenden Maßnahmen umgehen, das wäre ein Schuss nach hinten“, sagt Brugger. Wobei die Salzburger sich aber wenig an den Touristen stören dürften. Man habe das untersucht: „Die Abneigung gegenüber Touristen ist bei Salzburgern nicht spürbar“, sagt Brugger. Zwar stamme die Untersuchung aus dem Jahr 2009. Er geht aber nicht davon aus, dass sich die Stimmung mittlerweile gewandelt hätte. „Es ist ja auch ein offenes Geheimnis, dass manche Geschäfte während der Festspielzeit ein Viertel ihres Jahresumsatzes machen.“Der Festspielgast ist übrigens ein Vertreter des unter Touristikern sehr beliebten Qualitätstourismus. Während ein anderer Salzburg-Tourist 160 Euro am Tag ausgebe, gibt der Festspielgast 260 Euro (ohne Festspieltickets) aus. Der Kongresstourist lässt laut Brugger übrigens rund 350 Euro pro Tag (jeweils inklusive Nächtigung) in der Stadt.
Der Salzburger tut es da dem Wiener gleich, denn auch er soll in der Festspielzeit die Altstadt eher meiden. Nur das Jammern überlässt er dann doch dem Wiener. Einwohnern. Und es wird immer enger in der Stadt: Der Touristenstrom wächst 2016 um zehn Prozent.
Das ist für Bürgermeisterin Colau, die mit ihrer linksalternativen Plattform „Barcelona vereint“seit einem Jahr in der Stadt regiert, eindeutig zu viel. Man müsse den Besucherstrom, der sich durch die Gassen wälzt, jetzt erst einmal in geordnete Bahnen lenken, bevor man neue Urlauber anlocke. „Der unkontrolliert wachsende Tourismus hat große Ungleichgewichte geschaffen.“Die Auswüchse dürften nicht länger „zur Verdrängung der einheimischen Bevölkerung“führen. Colau verspricht den Bewohnern: „Wir werden euch eure Stadt zurückgeben.“
Viele Einwohner kämpfen derweil in einer Bürgerinitiative, die sich „für einen nachhaltigen Tourismus“einsetzt: Die Einheimischen beklagen, dass wegen des Besucherbooms Mieten und Immobilienpreise explodieren – und immer mehr Hotels und Touristenappartements ihre gewachsenen sozialen Strukturen im Viertel kaputtmachen. „Deswegen haben wir beschlossen, uns zu organisieren und zu sagen: Basta!“In einigen Gebieten im historischen Zentrum gebe es inzwischen mehr Touristenbetten als einheimische Bewohner.
„Die Geschäfte, in denen die Bewohner bisher einkaufen gingen, verschwinden“, klagt ein Sprecher der Bürgerbewegung. Stattdessen schießen Souvenirshops und Schnellrestaurants aus dem Boden. Die Altstadt gleiche immer mehr einem Vergnügungspark. „Dort, wo sich der Tourismus breitmacht, verschwinden alle anderen Sektoren.“Die Rambla, die beliebte Flaniermeile der Stadt, habe sich in einen Touristenbasar verwandelt, wo man heute von Urlaubermassen und von den bei den Fremden populären Segway-Rollern buchstäblich überrollt werde.
Bürgermeisterin Colau warnt davor, dass der Besuchermagnet Barcelona wie das gewaltig boomende Tourismusland Spanien am eigenen Erfolg zugrunde gehen könnten. „Wir haben uns als eines der weltweiten Topreiseziele konsolidiert“, sagt sie. „Doch unkontrolliertes Wachstum könnte die Blase auch zum Platzen bringen.“
Kultur ist die Antithese zum billigen Massentourismus. In Salzburg wird es dennoch eng.