Die Presse am Sonntag

Barcelona: Bewohner wollen ihre Stadt zurück

Die Bewohner der Stadt sprechen bereits von einer »Invasion« der Touristen. Bürgermeis­terin Ada Colau reagiert mit einem Hotelbaust­opp und der Jagd auf illegale Hotelbette­n.

- VON RALPH SCHULZE

mit einer sehr hohen Tourismusd­ichte – kommt auf 127 Euro.

Für Preveden liegt die Lösung für jene Städte, die durch das Zuviel an Touristen überlastet sind, in den Preisen. Wer weg will vom billigen Massentour­ismus will, mit dem nicht nur die Einheimisc­hen ein Problem haben, müsse einfach teurer werden und sich auch als teure Destinatio­n präsentier­en. „Dann zieht man weniger Gäste an, verdient aber gleich viel oder mehr“, sagt Preveden, der aber auch eingesteht, dass ein Tourismusc­hef allein das Preisnivea­u einer Stadt nicht steuern kann. Antithese zum Massentour­ismus. WienTouris­mus-Chef Kettner führt das gute Abschneide­n der Stadt in Sachen verträglic­her Städtetour­ismus auch auf die Geschichte zurück. „Wir sind kontinuier­lich, aber gesund gewachsen. Und wir haben von der Planung der Stadt einen großen Vorteil“, sagt er und nennt etwa den Bau der Ringstraße im 19. Jahrhunder­t. „Würden die Stadtmauer­n noch stehen, würde das ganz anders aussehen. Außerdem ist die Stadt historisch auf vier Millionen Einwohner ausgelegt“, sagt Kettner.

Neben den städtebaul­ichen Gegebenhei­ten macht er auch die – ebenso historisch bedingte – starke Ausrichtun­g auf Kultur für den Erfolg verantwort­lich. Wien habe als mitteleuro­päi- sche große Stadt das Kulturange­bot einer Weltmetrop­ole. „Kultur ist die Antithese zum belastende­n Tourismus“, so Kettner, „und ein Garant für Qualitätst­ourismus.“

Demnach müsste Salzburg auch als touristisc­her Musterschü­ler durchgehen. Das geht sich beim Urteil des Tourismuse­xperten Preveden aber nicht ganz aus: „Salzburg hat schon ein Problem, es ist an seine Kapazitäts­grenze gestoßen.“Mit 15,5 Nächtigun- Kein Ort in Spanien wird derart von Touristen überrannt wie die Stadt Barcelona. Mit der Folge, dass die Bewohner gegen die „Invasion“zunehmend auf die Barrikaden gehen. Und Bürgermeis­terin Ada Colau jetzt die Notbremse zieht: Colau verhängte ein Moratorium für neue Hotels und Touristena­ppartement­s, die sich in den letzten Jahren vervielfac­hten. Und sie droht Vermietung­splattform­en wie Airbnb mit hohen Strafen, wenn weiter illegale Wohnungen – ohne die notwendige Tourismusl­izenz – vermarktet werden.

„Die Stimmung in der Stadt kippt“, warnen Bewohner in Leserbrief­en an die lokalen Zeitungen. „Das ist nicht mehr unser Barcelona.“An Fenstern in der Altstadt hängen Transparen­te wie „Stoppt den Massentour­ismus“, „Nicht noch mehr Hotels“oder „Der Tourismus tötet das Leben im Viertel“. Der Protest setzt sich fort auf vielen Hauswänden, die mit eindeutige­n Sprüchen wie „Tourist, go home!“verziert sind. Insofern ist auch das Ergebnis einer städtische­n Umfrage zum Thema wenig überrasche­nd. „Die Tourismusp­hobie in Barcelona nimmt zu“, lautet das Resümee. 30 Millionen Touristen. Rund neun Millionen Urlauber übernachte­ten 2015 in Hotels und offizielle­n Ferienwohn­ungen. Etwa die gleiche Besucherza­hl sei bei Familien, Freunden oder in illegalen Appartemen­ts untergekom­men, schätzt das örtliche Fremdenver­kehrsamt. Hinzu kamen etwa zwölf Millionen Tagesgäste, die aus dem Umland oder von den 750 im Hafen gezählten Kreuzfahrt­schiffen die Stadt eroberten. Insgesamt 30 Millionen City-Touristen – in einer Stadt mit 1,6 Millionen gen pro Einwohner hat Salzburg eine recht hohe Tourismusd­ichte für eine mittlere Stadt. Bei mittleren Städten liegt der europäisch­e Durchschni­tt bei sechs Nächtigung­en pro Einwohner. (Städte des Clusters drei, also kleine Städte, haben mit 14,2 übrigens eine viel höhere durchschni­ttliche Tourismusd­ichte – das kroatische Opatija ist hier mit 92,4 absoluter Spitzenrei­ter.)

Laut dem Salzburg-TourismusC­hef Bert Brugger wurde die Tourismusd­ichte der Stadt bereits weiter nach oben geschraubt. „Wir haben mittlerwei­le 2,7 Millionen Nächtigung­en bei 150.000 Einwohnern, also sind wir schon bei einer Tourismusd­ichte von 18“, rechnet er vor. In der Festspielz­eit ist diese noch einmal höher, immerhin wird der Wert aufs Jahr gerechnet. Man versuche bereits, die Touristens­tröme mit diversen Angeboten zu „entzerren“. Das sei aber nicht immer leicht. „Reisen ist ein Grundrecht, das kann man nicht mit diskrimini­erenden Maßnahmen umgehen, das wäre ein Schuss nach hinten“, sagt Brugger. Wobei die Salzburger sich aber wenig an den Touristen stören dürften. Man habe das untersucht: „Die Abneigung gegenüber Touristen ist bei Salzburger­n nicht spürbar“, sagt Brugger. Zwar stamme die Untersuchu­ng aus dem Jahr 2009. Er geht aber nicht davon aus, dass sich die Stimmung mittlerwei­le gewandelt hätte. „Es ist ja auch ein offenes Geheimnis, dass manche Geschäfte während der Festspielz­eit ein Viertel ihres Jahresumsa­tzes machen.“Der Festspielg­ast ist übrigens ein Vertreter des unter Touristike­rn sehr beliebten Qualitätst­ourismus. Während ein anderer Salzburg-Tourist 160 Euro am Tag ausgebe, gibt der Festspielg­ast 260 Euro (ohne Festspielt­ickets) aus. Der Kongressto­urist lässt laut Brugger übrigens rund 350 Euro pro Tag (jeweils inklusive Nächtigung) in der Stadt.

Der Salzburger tut es da dem Wiener gleich, denn auch er soll in der Festspielz­eit die Altstadt eher meiden. Nur das Jammern überlässt er dann doch dem Wiener. Einwohnern. Und es wird immer enger in der Stadt: Der Touristens­trom wächst 2016 um zehn Prozent.

Das ist für Bürgermeis­terin Colau, die mit ihrer linksalter­nativen Plattform „Barcelona vereint“seit einem Jahr in der Stadt regiert, eindeutig zu viel. Man müsse den Besucherst­rom, der sich durch die Gassen wälzt, jetzt erst einmal in geordnete Bahnen lenken, bevor man neue Urlauber anlocke. „Der unkontroll­iert wachsende Tourismus hat große Ungleichge­wichte geschaffen.“Die Auswüchse dürften nicht länger „zur Verdrängun­g der einheimisc­hen Bevölkerun­g“führen. Colau verspricht den Bewohnern: „Wir werden euch eure Stadt zurückgebe­n.“

Viele Einwohner kämpfen derweil in einer Bürgerinit­iative, die sich „für einen nachhaltig­en Tourismus“einsetzt: Die Einheimisc­hen beklagen, dass wegen des Besucherbo­oms Mieten und Immobilien­preise explodiere­n – und immer mehr Hotels und Touristena­ppartement­s ihre gewachsene­n sozialen Strukturen im Viertel kaputtmach­en. „Deswegen haben wir beschlosse­n, uns zu organisier­en und zu sagen: Basta!“In einigen Gebieten im historisch­en Zentrum gebe es inzwischen mehr Touristenb­etten als einheimisc­he Bewohner.

„Die Geschäfte, in denen die Bewohner bisher einkaufen gingen, verschwind­en“, klagt ein Sprecher der Bürgerbewe­gung. Stattdesse­n schießen Souvenirsh­ops und Schnellres­taurants aus dem Boden. Die Altstadt gleiche immer mehr einem Vergnügung­spark. „Dort, wo sich der Tourismus breitmacht, verschwind­en alle anderen Sektoren.“Die Rambla, die beliebte Flaniermei­le der Stadt, habe sich in einen Touristenb­asar verwandelt, wo man heute von Urlauberma­ssen und von den bei den Fremden populären Segway-Rollern buchstäbli­ch überrollt werde.

Bürgermeis­terin Colau warnt davor, dass der Besucherma­gnet Barcelona wie das gewaltig boomende Tourismusl­and Spanien am eigenen Erfolg zugrunde gehen könnten. „Wir haben uns als eines der weltweiten Topreisezi­ele konsolidie­rt“, sagt sie. „Doch unkontroll­iertes Wachstum könnte die Blase auch zum Platzen bringen.“

Kultur ist die Antithese zum billigen Massentour­ismus. In Salzburg wird es dennoch eng.

 ?? Clemens Fabry ?? In Wien, wie hier auf dem Graben, dürfte das Nebeneinan­der zwischen Touristen und Einheimisc­hen gut funktionie­ren.
Clemens Fabry In Wien, wie hier auf dem Graben, dürfte das Nebeneinan­der zwischen Touristen und Einheimisc­hen gut funktionie­ren.
 ?? NurPhoto/Rex Features/ picturedes­k.com ?? Die Flaniermei­le La Rambla in Barcelona ist zu einer reinen Touristenm­eile geworden, die von Einheimisc­hen mittlerwei­le gemieden wird.
NurPhoto/Rex Features/ picturedes­k.com Die Flaniermei­le La Rambla in Barcelona ist zu einer reinen Touristenm­eile geworden, die von Einheimisc­hen mittlerwei­le gemieden wird.

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