Wiener Lager und Tschopperl-Wossa
Nachdem sich Brauer mit obergärigen Bieren wie IPA beschäftigt haben, werden wieder untergärige Biere, wie das Wiener Lager, entdeckt. Das Wienerische ist nicht nur beim Bier beliebt.
Warum soll es Bieren anders gehen als dem sprichwörtlichen Propheten, der im eigenen Land nichts wert ist. Die Rede ist von Wiener Lager, einem Bierstil, der 1841 von einem gewissen Anton Dreher in Schwechat erfunden wurde. Damals hat Dreher mit einem helleren, leicht bernsteinfarbenen, untergärigen Lagerbier einen neuen Bierstil (dank neuer Produktionsmethoden) erfunden. Denn damals war das Bier meist dunkel und obergärig.
Irgendwie ist das ursprüngliche Wiener Lager dann in Vergessenheit geraten und wurde durch die Industrialisierung im wahrsten Sinn des Wortes verwässert. Das klassische, helle Industriebier ist zwar auf das Wiener Lager zurückzuführen, hat aber mit dem ursprünglichen bernsteinfarbenen Bier mit Wiener Malz sehr wenig zu tun. Bis dann die Craft-Beer-Bewegung kam, die auf der Suche nach Biervielfalt zuerst obergärige Biere wiederentdeckte. Auch hierzulande waren (und sind) kreative Brauer vorwiegend mit Bierstilen wie India Pale Ale (IPA), Porter oder Sauerbieren beschäftigt. Schön langsam entdeckt man aber, dass auch untergärige Biere anders schmecken kön- nen, als es uns so manches Industriebier vormachen will. Paradoxerweise ist das ursprüngliche Wiener Lager über das Ausland – allen voran die USA – auch bei uns wiederentdeckt worden. Und zwar nicht nur von kleinen Brauereien, sondern auch von Großen wie Ottakringer und Schwechater.
Dass dieser Bierstil auch den Namen der Bundeshauptstadt trägt, kann in Zeiten, in denen man sich kulinarisch auf die eigene Region besinnt, nicht schaden. Manchmal geht es noch einen Schritt weiter, indem der Bezirk oder gleich das Grätzel namensgebend sind. Hütteldorfer Bräu. So hat nicht nur der Brauer Kurt Tojner (s. oben stehenden Artikel) seinen Rodauner Strizzi. Auch die kleine Gablitzer Privatbrauerei hat mit dem Hütteldorfer Bräu eine eigene Marke kreiert. Wobei das wirklich sehr regional ist, immerhin wird das Hütteldorfer Bräu – ein Wiener Lager für die kalte und ein böhmisches Zwickl-Pils für die warme Jahreszeit – in den beiden Penzinger Traditionsbetrieben Prilisauer und Peschta verkauft.
Die kleine Gablitzer Brauerei ist übrigens ebenso wie die Rodauner Ma- nufaktur aus einer Heimbrauerei entstanden. Braumeister Markus Führer hat dafür seinen Werbejob an den Nagel gehängt – und auch unter dem Namen Gablitzer so einige Klassiker wie das böhmische Pils oder BernsteinMärzen im Sortiment. Vor sechs Jahren habe er erstmals ein ursprüngliches Wiener Lager gebraut. „Damals hat das kein Mensch gekannt“, sagt Führer. Heute hingegen werden auch „g’standene, gute Biere“wiederentdeckt.
Auch abseits der Biere besinnt man sich gern auf das Wienerische. So hat erst unlängst der Wiener Essigmacher – und mittlerweile auch Bierbrauer – Erwin Gegenbauer gemeinsam mit dem Wiener Brötchenmacher Trzesniewski ein neues Getränk auf den Markt gebracht. Unter den Namen TschopperlWossa verkauft er ein natürliches Kracherl, genau genommen eine Mischung aus Fruchtessig (Johannisbeere oder Himbeere) und Wiener Hochquellwasser. Eine Parallele zum Bier gibt es aber auch hier: In der Trzesniewski-Filiale in der Dorotheergasse wird das Tschopperl-Wossa, das sonst nur in Flaschen verkauft wird, frisch gezapft.