Die Presse am Sonntag

Die OMV zurück im Kalten Krieg

Aus Geldnot sucht die OMV die Nähe zu den Russen. Aber die Länder, die sie dafür braucht, spielen plötzlich nicht mit. Warum? Angeblich, weil die USA Druck machen.

- VON MATTHIAS AUER UND EDUARD STEINER

Der Abverkauf hat begonnen. Der österreich­ische Energiekon­zern OMV braucht dringend Geld und versilbert daher sukzessive seine Beteiligun­gen in der Nordsee. Diese Woche wechselte etwa ein Drittelant­eil seines Ölfelds Rosebank in der britischen Nordsee den Besitzer. Der größere Brocken soll aber in den kommenden Monaten folgen: Bekanntlic­h bietet die OMV im Zuge eines Tauschgesc­häfts dem russischen Riesen Gazprom Teile ihrer Norwegen-Tochter für einen Viertelant­eil an einem sibirische­n Gasfeld. Raus aus der teuren Nordsee und rein ins billige Sibirien, so die Marschrich­tung. Doch im hohen Norden stockt es gewaltig.

Die lokalen Behörden sind nämlich alles andere als angetan von der Idee, dass die halbstaatl­iche Gazprom bald in ihren Gewässern aktiv werden soll. Der russische Konzern habe nicht einmal den Nachweis in der Hand, dass er für die Arbeit am norwegisch­en Kontinenta­lschelf qualifizie­rt sei, wie „Die Presse“Ende Juni im norwegisch­en Öl- ministeriu­m erfahren hat. Und selbst, wenn diese „Präqualifi­zierung“erteilt sei, müsse die Behörde jeder Übertragun­g von Anteilen eigens zustimmen. Halb stur. Wobei, ganz auf stur schalten kann und will offenbar auch Oslo nicht. Wie „Die Presse“nun in Erfahrung gebracht hat, dürfte Norwegen Gazprom prinzipiel­l ins Land lassen, aber nur ein bisschen. Das norwegisch­e Ölminister­ium lehnte auf Anfrage einen Kommentar dazu ab. Den Gerüchten zufolge jedenfalls soll den Russen maximal ein Viertel an OMV Norge gewährt werden. Den möglichen Rest auf den Wert des sibirische­n Gasfelds müssten die Österreich­er in Cash drauflegen. Cash, das die OMV zurzeit nicht so einfach zur Verfügung hat.

Befragt man OMV-Chef Rainer Seele zur Causa, wähnt man sich in einer anderen Realität. Er habe „von angebliche­n Schwierigk­eiten zuerst aus der Presse erfahren“. Auf die Nachfrage, ob ihm die Probleme danach auch von anderer Seite zugetragen worden seien, gibt es nur ein knappes: No Comment. Überhaupt führe man keinerlei Verhandlun­gen mit Norwegen. „Erst müssen wir uns mit der Gazprom einigen“, erklärt der Konzernche­f: „Erst dann reden wir mit den Norwegern.“

Interessan­t. Denn bis vor Kurzem stieg der deutsche Manager immer wieder ins Flugzeug Richtung Oslo, um seine Fühler auszustrec­ken. Das norwegisch­e Ölminister­ium bestätigt etwa ein Treffen mit Öl- und Energiemin­ister Tord Andre´ Lien am 29. März dieses Jahres, wohlgemerk­t wenige Tage, bevor Seele das lang versproche­ne Tauschgesc­häft feierlich in St. Petersburg verkündete. Minister aus drei Staaten waren Anfang April nach Petersburg eingefloge­n worden, um der Zeremonie das nötige Gewicht zu verleihen. „Wir wurden nach Russland eingeladen und jetzt lade ich die Gazprom nach Europa ein“, streckte Seele damals die Hand Richtung Moskau aus. Hatte er dazu die nötige Rückendeck­ung aus Oslo? Und wenn ja, warum zieren sich die Skandinavi­er plötzlich? US-Interventi­onen. Sind die Norweger etwa gekränkt, weil Seele ständig darauf hinweist, dass die Produktion in Norwegen zwar stabil, aber eben sündteuer sei? Wohl kaum. In hohen Kreisen des russisch-europäisch­en Gasgeschäf­ts meint man den Grund zu kennen – und der hat wenig mit dem österreich­ischen Konzern an sich zu tun: Die OMV sei in einen geopolitis­chen Konflikt gestolpert, erzählt ein TopGasmana­ger im Gespräch. In einen Konflikt, der Erinnerung­en an die Zeit des Kalten Kriegs wachruft. Nach der Verkündung des Tauschgesc­häfts Anfang April in Petersburg hätten die USA in Norwegen intervenie­rt, und zwar bei Minister Lien selbst, der in den USA gewesen sei, so der Manager. Das nor-

Offshore-Lizenzen

hält die OMV Norge seit dem Milliarden­zukauf im Sommer 2013 in der Nordsee. Geht es nach der OMV, sollen sie zum Teil an die russische Gazprom gehen.

Prozent

an einem Gasfeld im sibirische­n Urengoi hat Moskau den Österreich­ern dafür im Gegenzug versproche­n. Der Vorteil für die OMV: Die Rohstoffe sind in Russland günstiger zu bergen als in der Nordsee.

Mrd. Kubikmeter

zusätzlich­e Leitungska­pazität sollen durch den Ausbau der Ostseepipe­line Nord Stream geschaffen und die bestehende Kapazität damit verdoppelt werden.

europäisch­e Konzerne

–darunter die OMV – wollten sich an der Seite von Gazprom am Ausbau der Ostseepipe­line beteiligen. Aufgrund des Widerstand­s der polnischen Kartellbeh­örde wurde das geplante Joint Venture am Freitag aber beendet. Nun soll der Ausbau anders organisier­t werden. wegische Ölminister­ium schweigt dazu auf Anfrage: Man kommentier­e „interne Prozesse“nicht, so ein Sprecher. Im Juni jedenfalls sei Seele vom Minister nicht mehr empfangen worden, erzählen Personen im Umfeld der OMV. Nord Stream. Die USA hätten nicht nur in Sachen OMV intervenie­rt, sie seien in letzter Zeit in Europa „generell auf allen Ebenen beispiello­s aktiv“, um zusätzlich­e Gasgeschäf­te Europas mit Russland zu hintertrei­ben, so der Gasmanager. Das bestätigen auch Personen, die mit den Verhandlun­gen über den umstritten­en, aber gerade von Deutschlan­d befürworte­ten Ausbau der Ostseepipe­line Nord Stream, also Nord Stream 2, vertraut sind und selbst mit US-Vertretern diesbezügl­ich im Gespräch waren: Dänemark etwa klage über seine Zwickmühle, weil es eigentlich nichts gegen den Ausbau habe, aber auch Washington nicht brüskieren wolle. In Polen würden die USA hingegen offene Türen einrennen.

Stimmt dies alles, so hat Washington neben der OMV-Blockade in Norwegen einen weiteren Teilerfolg erzielt. Am Freitag wurde bekannt, dass das Konsortium aus fünf EU-Konzernen – darunter die OMV – wegen des Widerstand­es der polnischen Kartellbeh­örde nun kein Joint Venture mit Gazprom zum Bau von Nord Stream 2 gründet und neue Wege für die Pipeline sucht.

Die Aktivitäte­n der USA fallen übrigens in eine Zeit, in der zum ersten Mal amerikanis­ches Gas nach Europa geliefert wurde, womit ein neuer Wettbewerb um Marktantei­le eröffnet ist.

OMV-Chef Seele jedenfalls stimmt Investoren schon einmal darauf ein, dass seine Vorhaben länger dauern könnten als geplant. Im September sollen die Verhandlun­gen mit den Russen wieder anlaufen, bis am Jahresende eine Basiseinig­ung zum Tauschgesc­häft unterzeich­net wird. Der Abschluss werde dann noch ein bis zwei Jahre auf sich warten lassen. Und ja, „auch eine Cash-Komponente“beim Tauschgesc­häft sei immer vorgesehen gewesen, so ein Unternehme­nssprecher.

»Erst müssen wir uns mit der Gazprom einigen. Dann reden wir mit den Norwegern.«

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