Sambaschritte zum Triple
In Rio de Janeiro strebt Sprintstar Usain Bolt nach der Titelverteidigung über 100 und 200 Meter sowie mit der 4x100-Meter-Staffel. Auch abseits der Laufbahn begeistert der Jamaikaner.
Sonne, Strand, Samba – Rio de Janeiro ist ganz nach dem Geschmack von Usain Bolt. Der Sprintstar aus Jamaika fühlt sich im brasilianischen Lebensgefühl zwischen Copacabana und Zuckerhut richtig wohl und lässt daran auch die Weltöffentlichkeit teilhaben. Über 530 Medienvertreter fanden sich zur ersten Pressekonferenz des schnellsten Mannes der Welt bei Olympia ein, und sie bekamen statt der üblichen beinahe standardisiert wirkenden Ansprachen vieler Sportler wieder einmal eine echte Show geboten. Bolt ist ein geborener Entertainer, auf markige Sprüche und unterhaltsame Einlagen ist bei dem 29-Jährigen stets Verlass.
In Rio gesellte sich Bolt prompt zu den Sambatänzerinnen auf die Bühne („Klatscht lauter, das war schwach“) und zeigte sich begeistert von der Liebeserklärung eines norwegischen Journalisten in Rap-Form („Ich habe nicht wirklich eine Frage. Ich wollte nur sagen: Ich liebe dich, wirklich.“), die er sich wiederholen ließ, um sie für seinen Snapchat-Account zu filmen. Zwischendurch sprach er über sein eigentliches Metier, das Laufen, und das große Ziel: Das olympische Triple-Triple. Jagd auf Nurmi und Lewis. Bolt eröffnet seine dritte olympische Goldmission mit dem Finale über 100 Meter heute Nacht (3.25 Uhr, live, ORF eins), es folgen die Titelverteidigungen über 200 Meter (Finale am Donnerstag) und mit der jamaikanischen 4x100-MeterStaffel (Finale am Freitag). Dass „der Blitz“seine berühmte Siegerpose erneut zum Besten geben darf, wird kaum bezweifelt. Er würde sich damit ein vorzeitiges Geschenk zum 30. Geburtstag (21. August) bereiten und mit neun Goldmedaillen zum Finnen Paavo Nurmi und dem US-Amerikaner Carl Lewis, den erfolgreichsten Leichtathleten der Olympiageschichte, aufschließen. „Ich werde dreimal Gold gewinnen. Bei Titelkämpfen gibt es für mich kein anderes Ziel“, tönte Bolt gewohnt selbstbewusst. Andere Szenarien hätten in seinem Kopf keinen Platz. „In dem Moment, in dem du nicht mehr an den Sieg glaubst, gehst du in die falsche Richtung. Deshalb denke ich immer positiv.“
Wie im Vorjahr hat sich Bolt mit Glanzleistungen bis zum Saisonhighlight zurückgehalten. Auf dem Weg nach Rio wurde der Weltrekordler auch von Verletzungen gebremst, zuletzt machte ihm der Oberschenkel zu schaffen. Bei den nationalen Ausscheidungen im Juli musste er vorzeitig aussteigen – als US-Amerikaner wäre der Olympia-Traum damit bereits geplatzt gewesen. Doch Jamaikas Leichtathletikverband erwies sich gnädiger und erteilte eine Ausnahmegenehmigung. Bolt reiste nach München, wo er sich einer Behandlung bei DFB- und Bayern-München-Vertrauensarzt HansWilhelm Müller-Wohlfahrt unterzog. „Er hat seine Magie wirken lassen“, sagte der Jamaikaner und erbrachte vor zweieinhalb Monaten beim DiamondLeague-Meeting in London die sportliche Bestätigung. Statt des ursprünglich geplanten lockeren Aufwärmens für Olympia lieferte er mit starken 19,89 Sekunden über 200 Meter den erforderlichen Leistungsnachweis.
Im Jahresvergleich läuft Bolt Rivalen Justin Gatlin über 100 Meter (9,80, Bolt: 9,88) und 200 Meter (19,75) noch hinterher, doch das beunruhigt ihn nicht. „Ich mache mir niemals Sorgen“, beteuerte er. „Das war keine perfekte Saison. Jetzt bin ich aber in guter Form. Ich habe gut trainiert, mein Trainer ist happy.“Schließlich standen die Vorzeichen vor der WM 2015 in Peking ähnlich, am Ende wies Bolt seinen USKonkurrenten mit Dopingvergangenheit im längst zum Kampf „Gut gegen Böse“stilisierten Duell mit zwei überlegenen Siegen in die Schranken.
Sekunden
ist der von Usain Bolt bei der WM 2009 in Berlin aufgestellte Weltrekord über 100 Meter.
Schritte
benötigt Bolt über 100 Meter und ist dank seiner Körpergröße von 1,95 Meter (1,10 Meter von der Sohle bis zur Hüfte) im Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
Olympia-Goldmedaillen
nennt Bolt sein Eigen. In London 2012 verteidigte er als erster Sprinter das Double über 100 und 200 Meter.
WM-Titel
hat Bolt in seiner Karriere gewonnen. Seit 2009 ist der Jamaikaner über 100, 200 und mit der 4x100-Meter-Staffel beinahe unschlagbar, ein Fehlstart bei den Titelkämpfen 2011 in Daegu verhindert die perfekte Bilanz.
In Rio hat Bolt aber nicht nur den Dreifachtriumph, sondern auch einen Weltrekord im Visier. Seine bei der WM 2009 in Berlin aufgestellte Bestmarke über 100 Meter von 9,58 Sekunden ist wohl unantastbar, vielmehr hat er jene auf seiner Lieblingsstrecke über 200 Meter im Visier. „Ich bin überzeugt, dass ich den Rekord brechen kann, und ich will ihn wirklich, wirklich gern unterbieten“, sagte Bolt. „Ich möchte unter 19 Sekunden bleiben. Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber wer
»Ich werde dreimal Gold gewinnen. Bei Titelkämpfen gibt es für mich kein anderes Ziel.« Bis zur WM 2017 will Bolt noch laufen, dann wartet Hollywood oder eine Fußballkarriere.
nichts versucht, kann nichts gewinnen. Also werde ich rausgehen und mein Bestes geben.“ Die Leute unterhalten. Im Lichte der letzten Dopingenthüllungen unterstützt Bolt den Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten. „Sie wollten zeigen, dass das passiert, wenn du betrügst. Ich denke, wir gehen in die richtige Richtung. Die Leute sollten Vertrauen haben“, sagte der Jamaikaner, gestand gleichzeitig aber, dass ihn das brisante Thema persönlich nicht sonderlich interessiere. „Das ist für die Wada, die IAAF und das IOC. Ich gehe raus, beeindrucke die Menge und unterhalte die Leute.“
Bis zur WM 2017 in London will Bolt seine Schnelligkeit noch auf den Tartanbahnen dieser Welt beweisen. Danach sieht er sich als Schauspieler in Hollywood. „Ich denke ernsthaft darüber nach“, erklärte der Jamaikaner in Rio. Plan B liegt ebenfalls bereit: Als Fußballprofi will er den gegnerischen Verteidigungen enteilen. Noch hat er kein Angebot vorliegen, „ich bin mir aber sicher, dass ich eines bekommen könnte“. Vorerst aber misst sich Bolt weiter mit der Sprintkonkurrenz, auf das erste Gold fehlen inklusive Semifinale exakt 82 Schritte.