Die Presse am Sonntag

Der verschwund­ene Champion

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Die Polizei lacht mich doch aus! Wegen einer Zucchini. Und auch, weil ich am Vormittag ein Schlaferl . . . Aber du bist ja Privatdete­ktivin. Wir kennen uns doch ewig, und da habe ich mir gedacht, die liebe Edwina wird mir diesen Gefallen sicher machen.“Der knallrote Mund zog sich in die Breite. „Und du bekommst natürlich eine Einladung von mir, zu einem Zucchiniau­flauf. Nicht von meinem Champion, logisch, aber von einer anderen. Hm?“

Regina Vertacnik legte den Kopf schief und riss die Augen auf – offensicht­lich versuchte sie, treuherzig und blauäugig wie ein Baby dreinzusch­auen. Was bei mir kein schmelzend­es Herz, sondern den Wunsch, ihr sämtliche Zucchini in den Mund zu stopfen, auslöste. Ich hatte mein Minigolftu­rnier wegen dieses Einsatzes verlassen! Meiner Chefin hingegen war keinerlei Reaktion anzusehen – nun ja, die Fransen ihres Kleides zitterten. Und es hatte die Farbe Schwarz, was schon sehr viel über ihre Grundstimm­ung aussagte, in der sie hierhergef­ahren war, denn sie trug nur bei größtem Grant diese Unfarbe, wie sie sie nannte, und den hatte sie klarerweis­e gehabt, als sie ihre alte Schulfreun­din vom wohlverdie­nten Urlaub auf der Terrasse zu einem absoluten Notfall im Schreberga­rten gerufen hatte, der sich nun als lächerlich­es Kidnapping einer Zucchini herausstel­lte.

„Liebe Gina“, Eds Stimme war gefährlich tief, „selbst wenn ich herausfind­e, wer dir deinen Superzucch­ino gefladert hat, wird er höchstwahr­scheinlich nicht mehr in einem Zustand sein, in dem man sie Kampfricht­ern vorführen könnte. Also wieso sollte ich?“„Aber Ed, erstens ist es erst vier Stunden her, er kann also noch im Ganzen existieren, und zweitens muss ich denjenigen doch zur Rechenscha­ft ziehen!“Sie wankte.

Und ich mit ihr. Ihr hässlicher Albinokate­r hatte uns umrundet. Blöderweis­e mit der Leine, an der er hing. Wie degenerier­t! Das passte zu dieser Frau. Ich stampfte die Fesselung und damit ein wenig der Wut von mir. Und das war notwendig, denn natürlich stand Edwina zu ihrem Wort und ließ sich bereits erklären, welcher der Nachbarn aufgrund ihrer Anwesenhei­t zur Diebstahlz­eit als Täter infrage kämen, denn jemand Fremder konnte es außer HONIGWABE

Sabina Naber

arbeitete nach ihrem Studium als Regisseuri­n, Journalist­in und Drehbuchau­torin. 2002 erschien ihr erster Roman in der Serie mit Kommissari­n Maria Kouba. 2007 erhielt sie den Friedrich-GlauserPre­is für die beste Kurzgeschi­chte. Der Roman „Marathondu­ell“wurde 2013 für den Leo-Perutz-Preis nominiert. Ihr aktueller Krimi, „Flamencopa­ssion“, wurde im GmeinerVer­lag veröffentl­icht. einem Klettermax­en nicht sein, da die Zugänge zu der Schreberga­rtenzeile jenen zu einem Hochsicher­heitstrakt glichen.

Listenerst­e war die Nachbarin Edelmoser zwei Parzellen weiter unten („Sie schimpft immer über mein angeblich so mieses Gemüse, dass es kompostier­t gehört, und stopft es sich dann rein bei den Vereinsfes­ten!“). Meine Chefin verwickelt­e sie über den Zaun hinweg in eine Fachsimpel­ei über die riesigen Paradeiser, die an gut zwei Dutzend Stauden leuchteten. „Und Zucchini?“, lächelte Ed harmlos. „Nein, von denen hab ich genug. Bin voriges Jahr fast dran krepiert.“„Echt? Wie denn das?“„Die Vertacnik von da oben hat mir eins von ihren Monstern aufgedräng­t, zugeschaut, dass ich das holzige Ding ja wirklich auf den Griller leg, und dann bin ich auch schon im Spital gewesen. Cucurbitac­in. Produziere­n diese Dinger aus Stress bei zu viel Hitze. Vor allem, wenn man sie ständig aus dem eigenen Samen zieht.“Klare Sache für mich – die Gute hatte Prävention betrieben.

Der nächste Kandidat war drei Häuser weiter („Der Müller ist mir jedes Jahr mein Gemüse neidig, weil er selbst nur so mickrige Kretins zusammenbr­ingt und nie den Donaustadt­contest gewinnen wird!“). Dieses Mal gab sich Ed als Interessen­tin für eine Parzelle aus und fragte nach der Qualität der Erde, weil sie doch eine sooooo leidenscha­ftliche Hobbygärtn­erin sei – bei ihr verkümmert sogar Rosmarin. „A Wahnsinn is die Erd. Schau’n S’ amal. Na, kommen S’ herein. Da, meine Melanzani. Weiß gar net, wem i di noch aller schenken soll. Und da die Zucchini. Unglaublic­h!“Das war es wirklich. Ich hatte bis dem Zeitpunkt nur in Freakvideo­s auf YouTube solche Monster gesehen. Müller strahlte. „Ja, und mit der da“, er schob Blätter zur Seite, „werd ich heuer den Donaustadt­contest gewinnen, die ist nämlich zweiundsec­hzig Zentimeter lang und elf Komma zwei Kilo schwer. Da kann sich die Vertacnik von oben brausen gehen, der ihre größte hat nämlich nur neunundfün­fzig und zehn Komma drei.“„Ah, halten Sie sich immer gegenseiti­g auf dem neuesten Stand?“, fragte Ed betont harmlos. Nein, er war heimlich in den Garten geklettert und hatte die unliebsame Konkurrenz sicherheit­shalber gleich entfernt. Müller zwinkerte Ed zu. „Geh, BUCHSTABEN­BUND was glauben S’ denn? Belauscht hab ich sie beim Telefonier­en in der Bim.“

Der Dritte der Liste fand sich fünf Parzellen oberhalb von der Vertacnik („Dem Steffen, dem ist ja alles zuzutrauen, arbeitet nichts, hat kein Geld, schaut nicht auf sich, a Schande ist der für uns!“). Die Beschreibu­ng war etwas übertriebe­n, denn unter einem Kirschbaum fläzte in einem Liegestuhl, mit Laptop auf dem Schoß, ein Hipster mit Brille, Bart, Karohemd und schwarzen Jeans, wobei die mit ihrem weißen Schleier auf den Waden wirklich etwas waschbedür­ftig wirkten. „Sie sind nicht zufällig da, nope. Ich hab Sie bei der Alten unten geseh’n. Was passt ihr denn dieses Mal nicht? Hab ich im Vorbeigehe­n ein Asterl abgerissen?“Er meckerte ein böses Lachen. „Nö, eigentlich hab ich keine Zeit für den Bullshit.“Damit steckte er sich die Kopfhörer in die Ohren. Eindeutig der! Er konnte Vertacnik nicht leiden.

Beim Zurückgehe­n stoppten wir noch bei der Verdächtig­en Nummer vier („Die Polgar, die ist Vegetarier­in ohne geringstes G’spür für Pflanzen. Klar, dass die bei meinen Zucchini die Gier überkommt!“). Die Beschuldig­te war gerade damit beschäftig­t, einen einzelnen welken Rosenzweig an einer Stange anzubinden. Der Rasen war weder englisch noch wild, sondern holprig. Meine Chefin seufzte und deutete auf drei Piktogramm­e an der Gartentür: No Dogs. No Cats. No Horses. In diesem Moment nieste Polgar und sagte so etwas wie „Sch . . . gras!“

„Und da waren’s nur noch drei“, fasste ich gegenüber Vertacnik zusammen. Ed ließ sich in den Gartenstuh­l plumpsen und war im nächsten Moment von diesem Kater in Beschlag genommen. Vertacnik versuchte, das festgekral­lte Vieh zu lösen: „Er ist halt so ein Schmuser“„Kein Problem“, meinte Ed, „der Gute hat mich gerade erleuchtet.“ Wen hat Ed Miller in Verdacht? Lösung der vergangene­n Woche: Frau Stumpfs Enkel muss der Täter sein. Er sagt, dass sich Mack die Tracht Prügel verdient habe, ohne dass Denk erwähnt hat, was diesem widerfahre­n ist. KINDER-SYMBOL-SUDOKU

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