Die Presse am Sonntag

Der Opa aus Odessa

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Jasmins Engagement als Tourköchin wird zur Reise in die Familienve­rgangenhei­t. Markus Berges’ frischer Roman über Geschichte(n), Geheimniss­e und die Ukraine.

Vermutlich gibt es kein Buch, das im Titel den Namen Bob Dylans trägt und so wenig mit dem Sänger zu tun hat. Markus Berges’ Roman „Die Köchin von Bob Dylan“ist dennoch absolut lesenswert. Und schließlic­h spielt Bobby, wie er in dem Roman genannt wird, ja doch eine gewisse Rolle: Er spielt Schicksal.

Aber von vorn. Berges’ Protagonis­tin ist Jasmin Nickenig, ein unruhiger Thirtysome­thing. Eine Freundin vermittelt ihr den Job als Bob Dylans Tourköchin. Dylan, dessen Oma im Buch aus Odessa stammt, gibt sein erstes Konzert in der Ukraine. Und hier wird Jasmin zugetragen, dass ein Mann namens Wowa aus Odessa ihr Großvater sein soll. Der hieß Florentini­us Malsam und stammte aus einer Familie von Schwarzmee­rdeutschen. Die Leser erfahren seine Lebensgesc­hichte in Kapiteln, die alterniere­nd zu Jasmins Tourstory geschilder­t werden. Florentini­us’ Familie wurde zur Zeit Stalins enteignet und in den Norden Russlands verbannt. Fast wäre er, der in die Südukraine zurückgela­ngte, ein paar Jahre später während des Holodomor, der organisier­ten Hungersnot der 1930er, umgekommen. Laut Familiener­zählung ist der Opa 1944 verscholle­n. Oder doch nicht?

Markus Berges, der, wenn er nicht Romane schreibt (sein Debüt, „Ein langer Brief an September Nowak“, ist 2009 erschienen), Sänger der Band Erdmöbel ist, gelingt es, eine Geschichte zu erzählen, die trotz der Historie kein bisschen angestaubt ist. Man nimmt ihm alles ab, sogar Bob Dylan in Odessa! som Markus Berges: „Die Köchin von Bob Dylan“, Rowohlt Berlin Verlag, 286 Seiten, 20,60 Euro.

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