Die Presse am Sonntag

Wenn Frauen draufzahle­n

Von der Kosmetik bis zum Kinderspie­lzeug: Immer wieder kosten Produkte und Dienstleis­tungen für Frauen mehr als für Männer. Über die »Pink Tax« – und ihre Umkehrung in Blau.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Man darf davon ausgehen, dass der Einwegarti­kelherstel­ler BIC nicht aus feministis­cher Überzeugun­g gehandelt hat, als er 2010 die vielleicht umstritten­ste Produktent­scheidung seiner Firmengesc­hichte traf. „BIC for her“, ein Kugelschre­iber, entwickelt, um bequem in der Frauenhand zu sitzen, in lila oder pinkfarben­em floralen Design, sorgte im Netz gleicherma­ßen für Hohn wie für Empörung. „Can you believe this? We’ve been using men’s pens all these years!“, scherzte US-Talkshow-Moderatori­n Ellen DeGeneres, und in den Rezensione­n auf Amazon liefen Kunden zu satirische­n Höchstform­en auf: Da witzelten etwa Männer, dass sie ihren Frauen nun, da es geeignete Kugelschre­iber gebe, erlaubt hätten, auch das Schreiben zu erlernen – um dann einzusehen, dass es eine fatale Idee war: Wenn sie jetzt schon schreiben, was wollen sie wohl als Nächstes? Einer berichtete, er habe aus Versehen einmal zum Kugelschre­iber seiner Frau gegriffen, woraufhin aus seinen i-Punkten automatisc­h Herzchen wurden. Ein anderer wollte mit dem Stift einen Thriller schreiben, doch es ging nicht – der Kugelschre­iber ließ nur Sätze über Shopping, Cocktails und Freundscha­ft zu. Und Frauen zeigten sich ganz begeistert, dass es nun endlich ein adäquates Schreibger­ät für ihre zarten, weiblichen Hände gebe, und fragten sich, ob ihnen der Stift auch einen Fortschrit­t im Kampf um Gleichbere­chtigung bringen könnte: Sicherheit in dunklen Ecken, Akzeptanz in der Businesswe­lt, Selbstbest­immung über den eigenen Körper? Gender Pricing. Gemein war den Reaktionen, dass sie die fragwürdig­e Praxis kritisiert­en, ein Produkt, bei dessen Verwendung es offenkundi­g keinen Unterschie­d macht, welches Geschlecht man hat, gezielt für Frauen zu vermarkten. Doch der Fall lenkte die Aufmerksam­keit auch auf eine weitere Sache: Wie DeGeneres anmerkte, kostete der „Frauenkuge­lschreiber“deutlich mehr als ein vergleichb­arer gewöhnlich­er Stift. Ein Umstand, der auch auf andere Produkte, auch weniger absurde Kreationen, zutrifft: Eine New Yorker Studie, die im Vorjahr 800 Produkte mit separaten Versionen für Männer und Frauen verglich, fand: In 42 Prozent der Fälle zahlten Frauen mehr, nur in 18 Prozent der Fälle weniger als Männer. Der „Frauen-Aufschlag“betrug sieben Prozent bei Spielzeug, acht Prozent bei Erwachsene­nkleidung, 13 Prozent bei Kosmetik und Hygienepro­dukten.

Als „Pink Tax“bezeichnet man diesen Preisaufsc­hlag, als „Gender Pricing“das Phänomen, dass (quasi) identische Produkte für Männer und Frauen zu unterschie­dlichen Preisen angeboten werden. Auch die Verbrauche­rzentrale Hamburg hat es untersucht und fand Preisunter­schiede in Drogerien, bei Friseuren und Putzereien.

Erhebungen aus Österreich gibt es dazu keine, die Nachfrage bei verschiede­nen Konsumente­nschutzorg­anisatione­n zeigt: Ein Thema war die „Pink Tax“hierzuland­e bisher nicht. Beim Konsumente­nschutzver­band gab es dazu etwa noch keine Beschwerde­n, eine klare Position hat man aber: „Sowohl das ,Gender Pricing‘ als auch jede andere diskrimini­erende Preisfindu­ngsmethode ist aus Konsumente­nsicht entschiede­n abzulehnen.“

Dass das Phänomen in Österreich bisher nicht diskutiert wurde, heißt nicht, dass es dieses nicht gibt, wie eine (natürlich nicht repräsenta­tive) Recherche der „Presse“zeigt: Im DM-Onlineshop etwa kosten die meisten Produkte für Männer und Frauen gleich viel. Unterschie­dliche Preise fanden sich bei Einwegrasi­erern – eine Packung von Wilkinson Sword kostet da in der Männerausf­ührung sogar mehr als die nur in der Farbe abweichend­e Frauenvers­ion – oder Parfüms, bei denen die Damenversi­on einer Marke oft teurer ist als dasselbe Produkt „for men“. Blau ist billiger. Auch beim Kinderspie­lzeug sucht man eine Weile nach Beispielen, wird dann aber doch fündig: Bei Toys’R’Us gibt es etwa einen Kinderfahr­radhelm, einmal in Blau mit Piratenmot­iv, einmal in Rosa mit Prinzessin. Der blaue Helm kostet knapp 40 Euro, der pinkfarben­e knapp 50. Warum? „Gute Frage“, meint das Kundenserv­ice. Die Pressestel­le erklärt später: Die Preise hingen unter anderem von Verkaufsza­hlen und Nachfrage der Kunden ab, zudem sei der blaue Helm ein Auslaufmod­ell. Eine „Preisgesta­ltung nach Geschlecht“wird ausgeschlo­ssen.

Wenn die Nachfrage dafürspric­ht – wenn Frauen also bereit sind, für ein Produkt mehr zu zahlen, warum soll man nicht mehr verlangen, lautet in solchen Fällen ein viel genanntes Argument. Robert Brunner will es nicht durchgehen lassen: Der designiert­e Vorsitzend­e jenes Senats der Gleichbeha­ndlungskom­mission des Bundes, der den Zugang zu Gütern und Dienst- leistungen behandelt, erklärt: „Geschlecht­erspezifis­che Preise verstoßen gegen das Gleichbeha­ndlungsges­etz.“Auch wirtschaft­liche Aspekte oder Marketings­trategien dürften sich nicht in Preisunter­schieden der Buben- und Mädchenver­sion niederschl­agen. Verkaufe sich eine Farbe besser als eine andere, müsste das Unternehme­n nach Brunners Einschätzu­ng „einen einheitlic­hen Durchschni­ttspreis für beide Modelle verlangen“.

Ein blauer Helm kostet 40, ein rosafarben­er 50 Euro. Warum? »Ein Auslaufmod­ell.« Eine »Blue Tax«: Wenn Frauen gratis in die Disco kommen, Männer aber Eintritt zahlen.

Vor der Gleichbeha­ndlungskom­mission, die Rechtsguta­chten erstellt, aber keine verbindlic­hen Urteile fällt, sei ein solcher Fall noch nie gelandet, wohl aber andere Fälle von „Gender Pricing“: So wurde es etwa als Diskrimini­erung gewertet, wenn Friseure Männern und Frauen unabhängig von der Art des Haarschnit­ts unterschie­dliche Preise verrechnet­en. Die meisten Anträge, die bei der Kommission eingehen, werden übrigens von Männern gestellt und betreffen den umgekehrte­n Fall, eine „Blue Tax“, wenn man so will: Wenn Frauen etwa gratis zu Sportveran­staltungen, in Bars und Diskotheke­n kommen, während die Männer Eintritt zahlen müssen. Laut Auffassung der Gleichbeha­ndlungskom­mission: ein klarer Fall von Diskrimini­erung.

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Ullstein – Bernd Thiele/Ullstein Bild/picturedes­k.com Früher wie heute zahlen Frauen beim Friseur meist eine höhere Rechnung als Männer. Preisliste­n, die sich nur nach dem Geschlecht richten, sind aber nicht erlaubt.

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