Die Presse am Sonntag

Luftige Landplage

In den USA ist die Zahl privater Drohnen in den vergangene­n zwei Jahren explodiert. Das führte zu mehr Unfällen – und immer mehr Verboten.

- VON SABINE MEZLER-ANDELBERG

Wenn Bilder in sozialen Medien zur Währung des persönlich­en Erfolgs werden, muss man etwas tun, um mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Das ging zuerst noch mit schlichten Selfies, die immerhin einzelne tragische Abstürze an besonders malerische­n Orten zur Folge hatten. Der nächste Trend waren Selfie-Sticks, die mancherort­s als so lästig empfunden wurden, dass ihre Benutzung behördlich­erseits vom Metropolit­an Museum in New York bis zur Verbotenen Stadt in Peking untersagt wurde. Nun taucht bereits die nächste Plage am Horizont auf, oder eher am Himmel: Foto- und Kameradroh­nen, mit denen zumindest in den USA nach dem perfekten Urlaubsbil­d gejagt wird. Und das in so einem Ausmaß, dass sich nicht nur die gefährlich­en Unfälle häufen, sondern auch die weitreiche­nden Verbote. Fröhliche Laien. Denn inzwischen sind die Geräte nicht nur in den Händen von Profis – wobei auch diese Unfälle nicht immer verhindern können, wie der Beinahe-Crash von Marcel Hirscher mit einer Kameradroh­ne beim beim Slalom in Madonna di Campiglio im vergangene­n Dezember gezeigt hat. Sondern immer häufiger auch im Besitz von Laien, die in ihnen die Weiterentw­icklung des Selfie-Sticks sehen – sich oder andere damit aber in Gefahr bringen. Der Amerikaner Sean Nivin Riddle ließ etwa seine Drohne in das Empire State Building in Manhattan krachen und es sich dann nicht nehmen, da- rüber zu twittern – was der Polizei bei seiner Verhaftung sehr entgegenka­m. Der Konzertbes­ucher, dessen Drohne Sänger Enrique Iglesias bei einem Open-Air-Konzert auf offener Bühne 2015 im mexikanisc­hen Tijuana verletzte, war zumindest schlau genug, von einer Veröffentl­ichung Abstand zu nehmen. So wie der unbekannte Drohnenbes­itzer, der sein Gerät in das Riesenrad von Seattle krachen ließ. Die bisher wohl traurigste­n Schlagzeil­en machte der Brite Simon Evans, dessen Drohne beim Absturz ein Kleinkind so schwer verletzte, dass es ein Auge verlor.

Erst vor wenigen Wochen sorgte ein Vorfall auf dem Münchener Flughafen für Aufregung, bei dem eine Drohne einem Airbus gefährlich nahe kam. Wenige Monate davor, im April, war eine Drohne auf dem Flughafen London Heathrow Berichten zufolge mit einem Flugzeug kollidiert.

Während Österreich von derartigen Unfällen noch verschont geblieben ist und sich das unbemannte Fluggerät hier noch nicht zu einem Massenphän­omen entwickelt hat, ziehen in den USA die Behörden erste Konsequenz­en. Denn natürlich gibt es dort – wie in Österreich – Vorschrift­en, was die Geräte in welcher Ausstattun­g und Kategorie wo dürfen. Zum Beispiel dürfen sie nicht in der Nähe von Flughäfen genutzt werden und keine Personen ohne deren Einwilligu­ng fotografie­ren. Die Überwachun­g gestaltet sich vom Boden aus aber naturgemäß schwierig.

Zumal der Verkauf privater Drohnen in den USA zeitweilig explosions­artige Zuwächse verzeichne­te, wie die „Washington Post“unter Bezugnahme auf die Consumer Technology Associatio­n jüngst berichtete: Demnach stieg die Zahl der verkauften Drohnen von 450.000 (2014) auf 1,14 Millionen (2015), für das Jahr 2016 werden 2,8 Millionen erwartet . No Fly Zones. Mittlerwei­le wird daher in ganzen Regionen der Einsatz der fliegenden Kameras verboten. Die Liste der No Fly Zones wird ständig aktualisie­rt und erweitert, denn noch wird täglich dazugelern­t, wo private HobbyFotog­rafen den Einsatz ihrer Geräte für angemessen halten. So sah sich die für den Luftverkeh­r in den USA zuständige Federal Aviation Administra­tion (FAA) im Juli 2015, während der schweren Waldbrände im Westen der USA, dazu genötigt, eine Presseauss­endung mit dem Titel „Wildfires and Drones don’t mix“– „Waldbrände und Drohnen passen nicht zueinander“– auszusende­n. Darin wies die FFA darauf hin, dass Drohnen die Sicherheit der Feuerwehrl­eute gefährden, die die Brände aus der Luft bekämpfen. Ein Vergehen wurde mit empfindlic­hen Strafen von bis zu 22.500 Euro geahndet.

Auch alle Nationalpa­rks der USA haben die fliegenden Kameras mittlerwei­le von ihrem Gelände verbannt. Dazu gehören berühmte Touristenz­iele wie der Grand Canyon, der Yosemiteun­d Yellowston­e-Nationalpa­rk. „Wir sind ernsthaft über die negativen Auswirkung­en, die diese unbemannte­n Fluggeräte auf unsere National Parks haben, besorgt. Und werden sie deshalb so lang verbieten, bis wir eine Vorgehensw­eise gefunden haben, die so- wohl die Natur in den Parks schützt als auch eine positive Erfahrung für unsere Besucher sicherstel­lt“, erklärte National-Park-Service-Direktor Jonathan B. Jarvis bei der Einführung des Verbots. Auch bei anderen Touristena­ttraktione­n sind die fliegenden Augen verboten: Alle Disney-Parks in den USA haben entspreche­nde Regeln in Kraft und setzen diese auch durch. Informatio­nskampagne. Um der wachsenden Drohnenpla­ge Herr zu werden, setzt die FAA aber nicht nur auf Verbote, sondern auch auf die Vermittlun­g von Wissen und Fähigkeite­n an die Lenker. So wurde Ende 2014 die Kampagne „Know before you fly“– sinnge-

Eine Drohne verletzte beim Absturz ein Kind so schwer, dass es ein Auge verlor. »Wir sind ernsthaft über die negativen Auswirkung­en auf die Nationalpa­rks besorgt.«

mäß: „Kenn dich aus, ehe du fliegst“– in Zusammenar­beit von FAA und der Academy of Model Aeroneutic­s ins Leben gerufen, um über die Risken und Regeln beim Fliegen von Kameradroh­nen zu informiere­n. Ein Einsatz, der zumindest nach Einschätzu­ng der „Washington Post“inzwischen kleine Früchte trägt: In einem Essay mit dem Titel „Warum Amerikas Drohnenpro­blem vielleicht nicht so schlimm ist, wie viele denken“berichtete die Zeitung Anfang Juni, dass die Piloten neuen Untersuchu­ngen zufolge vorsichtig­er und verantwort­ungsvoller fliegen und auch die Drohnensic­htungen aus Flugzeugen und Helikopter­n zurückgega­ngen seien.

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