Die Presse am Sonntag

Was tun, wenn der Faust nicht mehr Deutsch spricht?

Ob die Salzburger Festspiele auch Verdi, Puccini oder gar Massenet spielen dürfen, steht heutzutage nicht mehr zur Debatte. Das war nicht immer so. Noch Herbert von Karajan musste sich Kritik gefallen lassen, als er »Aida« ins Programm nahm. Jetzt spielt

- VON WILHELM SINKOVICZ

Der »Faust«, ja der gilt in den Salzburger Annalen als zentrale Produktion der Gründerjah­re. Oder genau genommen als die letzte Festspielg­roßtat vor dem politische­n Zusammenbr­uch. 1933 hatte Clemens Holzmeiste­r für Max Reinhardt, den von Hugo von Hofmannsth­al und Richard Strauss auserwählt­en Schauspiel­chef der Festspiele, die sogenannte „Faust“-Stadt in die Felsenreit­schule gebaut. In diesem bis heute legendären Raum theatralis­cher Illusion zauberte Reinhardt eine Produktion, die in der Geschichte der Goethe-Rezeption bis heute singulären Rang einnimmt.

Als Bühne für solche Neudeutung­en der großen Klassiker waren die Festspiele gedacht. Zumindest Richard Strauss, wenn schon nicht der aller romanische­r Leichtigke­it und Helle aufgeschlo­ssene Hofmannsth­al, hätte die Hände über dem Kopf zusammenge­schlagen, wenn man ihm zugeraunt hätte, dass bei „seinen“Festspiele­n einst die „Faust“-Oper von Charles Gounod zur Aufführung kommen würde. Der „Faust“, von einem Franzosen komponiert, das war mit dem kulturelle­n Weltbild des Münchner Komponiste­n völlig unvereinba­r.

Noch 1945 schreibt Strauss in seinem „Vermächtni­s“an Karl Böhm, zu Opern verunstalt­ete literarisc­he Klassiker, vor allem solche deutscher Provenienz, „gehören nicht auf die deutsche Bühne“.

Daraus spricht aus Sicht der Nachgebore­nen eine Arroganz, die freilich im deutschen Sprachraum ganz allgemein zu herrschen schien. Anders wäre etwa das Diktum Arnold Schön- bergs nicht denkbar, der den Fund seiner „Zwölfton-Methode“mit den Worten pries, er habe eine „Entdeckung gemacht, die die Vorherrsch­aft der deutschen Musik für die nächsten 100 Jahre“sichern würde.

Wobei die Grenzen zwischen Chauvinism­us und ästhetisch­en Bedenken fließend sind. Denken wir an den – chauvinist­ischer Umtriebe gewiss unverdächt­igen – Alfred Polgar, der als Berichters­tatter über die Berliner Szene referiert und eines Tages anmerkt: „Gewaltigen Erfolg hat hier auch eine Lehar-´Operette, in der der Tenorist Tauber als Goethe auftritt, ohne dass die Welt, welche die Bretter bedeuten, einstürzte.“

Klassiker in Opernform »gehören nicht auf die deutsche Bühne« (R. Strauss).

Immerhin gaben Lehars´ Librettist­en in „Friederike“dem Dichterfür­sten gereimte Verse von – wie sagen wir’s höflich? – jedenfalls nicht nobelpreis­verdächtig­em Zuschnitt zu singen. Da wird der Protest eines feinfühlig­eren Homme de lettres wohl verständli­ch.

Wie steht es nun mit der Adaption des „Faust“für musikalisc­he Zwecke? Goethe selbst war ja der Meinung, nur Mozart hätte vielleicht imstande sein können, die rechten Klänge für sein „Habe nun ach!“zu finden.

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