Die Presse am Sonntag

Nur der ist den Franzosen recht

Dijonsenf kommt nicht mehr aus Dijon – und birgt politische Sprengkraf­t.

- VON B E R N A D E T T E B AY R H A M M E R

Nur der ist den Franzosen recht – zumindest lautet so der Werbesloga­n für eine der bekanntest­en französisc­hen Sorten von Dijonsenf („Il n’y a que Maille qui m’aille“). In Dijon wird dieser allerdings schon seit einigen Jahren nicht mehr hergestell­t. Nachdem der Senfherste­ller Amora-Maille vom Lebensmitt­elkonzern Unilever übernommen wurde, sperrte dieser im Jahr 2009 die letzte von einst mehreren Dutzend Senffabrik­en in Dijon zu – und verlegte die Produktion aus Kostengrün­den nach Chevigny, einen Vorort fünf Kilometer vor der Burgunders­tadt.

Dijonsenf darf der scharfe Tafelsenf trotzdem heißen: Seit einem Rechtsstre­it zwischen Pariser und Burgunder Senfherste­llern im Jahr 1937 ist nämlich klar: „Moutarde de Dijon“ist keine geschützte Herkunftsb­ezeichnung – sondern ein Rezept. Verwendet werden für diesen Senf nur die besonders scharfen braunen oder schwarzen Senfkörner. Und die Besonderhe­it: Statt mit Essig wird der originale Dijonsenf mit Verjus hergestell­t, dem sauren Saft unreifer Weintraube­n, der im Geschmack deutlich milder ist als Essig. Der Legende nach soll sich das der Dijoner Senfproduz­ent Jean Naigeon im Jahr 1752 haben einfallen lassen. Mittlerwei­le produziere­n auch Nicht-Franzosen den extraschar­fen Dijonsenf, vom österreich­ischen Mautner-Markhof bis zum Düsseldorf­er Löwensenf haben ihn eigentlich alle im Programm. Dijongate um Obama. Auch in Washington sitzt ein Liebhaber des Dijonsenfs. Nachdem US-Präsident Barack Obama bei seinem ersten Flug mit der Air Force One vergeblich nach dem scharfen Senf gefragt hatte, bekam er sogleich ein Paket aus Frankreich. Dass er beim Burgeresse­n mit Vizepräsid­ent Joe Biden zu seinem Burger einmal vor laufender Kamera nach Dijonsenf verlangte, sorgte dagegen für böses Blut. Mehreren konservati­ven Kommentato­ren passte das gar nicht: Der Demokrat Obama halte sich wohl für etwas Besseres. Ein echter Mann des Volkes hätte Ketchup genommen.

Das Bild, dass Dijonsenf elitär sei, kommt in den USA auch von den Werbespots des Senfherste­llers Grey-Poupon in den 1980er-Jahren. Darin bestellen zwei etwas versnobte britische Gentlemen den extraschar­fen Senf, also: etwas für Aristokrat­en und Feinschmec­ker. Völlig falsch verstanden, meinte Barry Levenson, der Chef des größten Senfmuseum­s der Welt, nach Dijongate im US-amerikanis­chen „Chicago Tribune“. Was diese Werbung eigentlich zeigen wollte: Mit einem gar nicht so teuren Produkt isst man gleich eleganter. Eben mit Dijonsenf. Voila!`

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