Unterm Strich nicht schlecht: Warum wir den E
Wir wollen keine auf neoliberal getrimmten Karrieristen. Ehrgeiz und Leistungswille gelten fast schon als Charakterfehler. Dennoch hätten wir bei den Spielen in Rio gern mehr Medaillen erobert. Über die steigende Diskrepanz zwischen Anspruch und Eifer.
Die Eltern versuchen, Stockerlplätze zu ergattern, und so geht es einfach nicht.“Anfang April schaffte es Ewald Tröbinger sogar in die „Zeit im Bild“. Der Organisator des Linz-Marathons wurde aber nicht zu sportlichen Bestleistungen interviewt. Es ging vielmehr um eine Handvoll Eltern, die ihre Drei- bis Vierjährigen beim 42 Meter langen Kinderlauf an den Händen ins Ziel gezerrt hatten. Nur die Bilder des Sportfotografen Manfred Binder kamen noch schneller und vor allem besser an. Schnell hatten Medien und soziale Netzwerke ein neues Wort erfunden: Marathon-Eltern.
Die berechtigte Kritik an der befremdlichen Vorstellung dieser Eltern war groß. Zuweilen lief aber auch die Empörung aus dem Ruder, etwa wenn sich Poster in diversen Internetforen in kreativen Bestrafungsmethoden für die „krankhaft ehrgeizigen“Eltern überboten. Das Thema wurde medial ausgeschlachtet. Kinderpsychiater sprachen in Talkshows über Burn-out-Kids. Ein paar durchgeknallte Eltern aus Linz standen – pardon: rannten – plötzlich stellvertretend für einen gigantischen Systemfehler, der lautet: Der Leistungsdruck in dieser immer kälter werdenden Gesellschaft geht auf keine Kuhhaut mehr.
Vier Monate später quält dieses Land ein ganz anderes Problem. Wie schon vor vier Jahren in London scheinen Österreichs Olympioniken lange Zeit nicht in der Medaillenstatistik in Rio auf. Erst am Dienstag beendeten Tanja Frank und Thomas Zajac diese Schmach und ersegelten Bronze. Österreich belegt in der Medaillenwertung somit Rang 72 – gemeinsam mit Kirgistan, Marokko und Moldau. Im- merhin sind wir diesmal vor den Isländern.
Aber glücklicherweise sind auch viele österreichische Athleten, die es nicht aufs Treppchen geschafft haben, offenbar rundum zufrieden. Die Wildwasserkanutin Corinna Kuhnle ging als Topfavoritin an den Start und sagte anschließend in einem Interview: „Ich glaube, mit einem fünften Platz kann man schon auch zufrieden sein. Unter dem Strich ist es nicht schlecht, aber auch nicht die erhoffte Medaille.“
Solche Sätze von österreichischen Athleten in Rio sorgen naturgemäß für keinerlei Reaktionen. Das kratzt keinen Sportreporter und schon gar keine Funktionäre. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die 29-jährige Wienerin Kuhnle, immerhin zweifache Weltmeisterin, mehrfache Weltcupsiegerin und Weltranglistenerste, genau das formuliert hat, wofür Österreich seit einiger Zeit steht. Hinter so oft strapazierten Schlagwörtern wie Stillstand oder Reformunwilligkeit versteckt sich der Satz: „Unter dem Strich nicht schlecht.“Mehr ist nicht nötig. Ja, mehr ist auch gar nicht erwünscht. Nur kein übertriebener Ehrgeiz. Zu viel Ehrgeiz ist nämlich verdächtig. Verdächtig asozial, verdächtig neoliberal, vermutlich auch mit krimineller Energie verbunden. Linke Ökonomen wie der Deutsche Oliver Nachtwey warnen wie jüngst im „Spiegel“vor „lauter kleinen Narzissten, die auf Wettbewerb getrimmt“sind.
Bevor wir also kleine Ungeheuer großziehen, die später einmal für ihre Karriere über Leichen gehen, suchen wir in den einschlägigen Eltern-Internetforen lieber Spiele ohne Verlierer. Und wir finden sie schnell und vor allem zahlreich. Wer auf Google „Gesellschaftsspiel“eingibt, erhält sofort unaufgefordert als Zusatz „Ohne Gewinner und Verlierer“(siehe Artikel rechts). Kooperative Spiele wie „Die Legende von Andor“räumen Preise ab, gelten als pädagogisch wertvoll und
Eine Gastprofessur mit 78? Das ist in Österreich ja fast schon skandalös.