Die CD ist tot. Es lebe die Vinylschallplatte!
Die Preise für LPs steigen. Was ist dran am Comeback der Analogtechnik? Ist sie der digitalen Konkurrenz tatsächlich überlegen?
Die Preise klettern in astronomische Höhen. Auktionen alter Vinylschallplatten erzielen erstaunliche Ergebnisse. Das hat nicht nur mit ganz außermusikalischen Sammlersehnsüchten zu tun. Gewiss, die Debütsingle der Beatles von 1962, „Love Me Do/PS I Love You“wurde nur in einer Miniaturauflage gepresst und enthält überdies einen kuriosen Druckfehler auf dem Cover: Einer der Herren hieß dort tatsächlich McArtney . . .
Für eine solche Kuriosität blättern Sammler heute mehrere tausend Euro hin, doppelt so viel angeblich wie für die Ikone der Achtundsechziger, die Platte mit dem Nackt-Cover von John Lennon und Yoko Ono, „Unfinished Music I: Two Virgins“. Ein Vergleichstest. Doch dass sich bei Pop-, Jazz- und Klassikschallplatten, in gutem Zustand erhalten, die Preise zumindest im deutlich dreistelligen Bereich bewegen, hat mit klanglichen Qualitäten zu tun. Was haben Vinylscheiben, was die CD nicht hat?
Ein Vergleichstest mit einer Aufnahmelegende der Wiener Philharmoniker, die unter Lorin Maazel in den Sechzigerjahren eingespielte Erste Symphonie von Jean Sibelius, führt das vor, so anschaulich (man würde gern die Vokabel anhörlich dafür erfinden), dass selbst Zeitgenossen, die sich als unmusikalisch bezeichnen, staunen. Die Lausch-Profis sowieso: Spielt man die derzeit erhältliche CD-Version (und ist’s angesichts der offenkundigen Spielfreude des Orchesters vielleicht zufrieden), scheint sich beim Wechsel auf die gleichzeitig abgespielte LP-Version der Raum zu öffnen: Der Klang gewinnt ungeahnte Dimension, die Soli werden plastischer, die Crescendi verlieren alle scharfkantige Gradlinigkeit und breiten sich buchstäblich nach allen Richtungen aus.
Vor allem aber: Die hohen Frequenzen entwickeln eine Klangsinnlichkeit und Leuchtkraft, die der digitalisierten Version völlig abgeht. Wer den Fehler begeht, zur CD zurückzuschalten, wird das Gefühl nicht los, die Mu- sik sei da in einen imaginären Kasten gesperrt. Über die Ursachen dieses Phänomens ist viel gerätselt worden.
Tatsächlich schaffen es nicht einmal die hochauflösenden Musikfiles der jüngsten Digitaloffensive – sie hat die 44.1-Kilohertz/16-Bit-Technologie längst hinter sich gelassen –, die Natürlichkeit der Wiedergabe einer Analogaufnahme, von Schallplatte abgespielt, auch nur zu simulieren.
Nun haben, nach einigen Jahren der Verschlafenheit, auch die großen Labels reagiert und bringen wieder LPPressungen auf den Markt, auf 180-Gramm-Vinyl, dessen Substanz wohl sogar deutlich qualitätvoller ist als jene, die für die seinerzeitigen Plattenseditionen zur Verfügung stand. Doch ist Vorsicht geboten. Manche Wiederauflagen haben einen Haken.
Die Industrie sagt es zwar nicht dazu, aber beim Abhören und Vergleichen zwischen Erstpressungen und neuen Umschnitten aus dem 21. Jahrhundert kommt der Verdacht auf, die Vinyl-Renaissance der führenden Labels beginne mit Pressungen, die von denselben digitalen Quellen stammen wie die CD-Ausgaben. Der oben geschilderte räumliche und farbliche Reichtum stellt sich beim Abhören der Neo-LPs jedenfalls meist nicht ein. Damit nicht genug, liegt den neuen Platten oft ein Gutschein bei, der zum kostenlosen Download eines Musik-Files derselben Aufnahme berechtigt.
Wer da nun meint, die Gesellschaften würden ihre Kunden auf diese Weise von den Segnungen der Digitaltechnik überzeugen wollen, indem sie ihnen eine via Computer abspielbare Variante der Aufnahme in möglichst hochauflösender Qualität – also auf dem neuesten Stand der Technik – bieten, irrt gewaltig.
Was man bekommt, ist ein Mp3File, das nicht einmal den CD-Stan- dard erfüllt. So freilich klingt die LP, auch wenn sie lieblos produziert wurde, immer noch besser.
Audiophile lassen sich davon freilich nicht irritieren. Sie setzen entweder auf gut erhalten Originalpressungen oder auf Neueditionen von Firmen wie Speakers Corner oder Analogue Productions, die von originalen Bändern behutsam neue Abmischungen erstellen.
War in den Anfängen des CD-Booms, Mitte der Achtzigerjahre, die Losung ausgegeben worden, nur pure Digitalprodukte seien ihr Geld wert – also DDD, für digitale Aufnahme, Schnitt und Fertigung – gilt längst wieder die All-Analogue-Doktrin. Die Ergebnisse sind phänomenal: Wer etwa für Jewgeni Mrawinskys originale Fünfte Tschaikowsky in früher Pressung (also mit dem großen Tulpen-Label) keinen dreistelligen Eurobetrag zu zahlen gewillt ist, kann die Neuauflage um ein Zehntel des Preises haben, und ist sicher, dass die Platte keine Kratzer oder sonstige Altersspuren aufweist. Die Kunst der Tontechnik. Detto die Neuauflagen von klassischen Columbia-Produktionen wie Bruno Walters klassische Beethoven-„Pastorale“oder die legendären Fritz-Reiner-Aufnahmen der Living-Stereo-Reihe. Sie sind alle in pur analog gefertigten Neupressungen auf 180-Gramm-Vinyl erhältlich und deklassieren – ganz abgesehen von ihren interpretatorischen Meriten – so gut wie jede jüngere angeblich aufnahmetechnische Meisterleistung zur Schülerarbeit.
Leider bedroht der Konkurrenzkampf in dem Moment, in dem die Sache die sprichwörtliche Nische ver-
»Paul McArtney« kostet 3000, Wiener Walzer mit Hans Knappertsbusch 300 Euro.