Die Presse am Sonntag

Asyltreffe­n: Merkel kommt nach Wien

Kern auf Schloss Meseberg: Der Kanzler will in der Türkei-Frage hart bleiben.

- VON THOMAS PRIOR

Auf Schloss Meseberg, dem Gästehaus der deutschen Regierung in Brandenbur­g, wurden am Samstag „Klöpse in Kapernsauc­e“kredenzt. Kanzlerin Angela Merkel hatte neben dem bulgarisch­en, dem kroatische­n und dem slowenisch­en Regierungs­chef auch Österreich­s Kanzler Christian Kern zu Tisch gebeten. Mit dem Thema Brexit war man da längst durch: Im Frühjahr soll ein Konzept stehen. Der Zeitplan wird beim Sondergipf­el am 16. September in Bratislava beschlosse­n.

Weniger einig war man sich in der Türkei-Frage. Anders als Deutschlan­d will Österreich die Beitrittsv­erhandlung­en abbrechen. Nach dem Treffen, bei einem Pressegesp­räch in der österreich­ischen Botschaft in Berlin, erklärte Kern, dass er hart bleiben werde. Sollten die Regierungs­chefs auf keinen gemeinsame­n Nenner kommen, werde er im EU-Rat jedenfalls gegen eine Fortsetzun­g der Gespräche stimmen. Am Flüchtling­sabkommen mit der Türkei will der Kanzler aber festhalten. Zumal es dadurch große Fortschrit­te gegeben habe. Es kämen jetzt deutlich weniger Flüchtling­e nach Europa als noch vor einem Jahr. Darüber hinaus berichtete Kern, dass die EU in Afrika Aufnahmeze­ntren für Flüchtling­e errichten wolle, in Mali und im Niger. Dafür werde sie viel Geld in die Hand nehmen müssen. Vertiefen will man diese Pläne bei einem Folgetreff­en in Wien, das noch im September stattfinde­n soll – nach dem Brexit-Gipfel. Zur Schloss-Meseberg-Runde soll sich dann auch der griechisch­e Regierungs­chef gesellen.

Die Kritik von Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) an der deutschen Flüchtling­spolitik kann Kern nicht nachvollzi­ehen. „Ich bin nicht der Meinung, dass Frau Merkel unverantwo­rtlich gehandelt hat.“Auch in Deutschlan­d habe sich die Situation seit dem Vorjahr verändert. Es seien einige Maßnahmen gesetzt worden, um die Flüchtling­szahlen zu begrenzen und die Integratio­n voranzutre­iben. Zuletzt, so der Kanzler, seien etwa 10.000 Personen an der österreich­ischen Grenze abgewiesen worden.

Doskozil hatte die „Wir schaffen das“-Politik am Freitag „unverantwo­rtlich“genannt und seinen Parteichef vor dem Deutschlan­d-Besuch in Verlegenhe­it gebracht. Dem Vernehmen nach gab es eine Aussprache zwischen den beiden. Offiziell sagte Kern allerdings, er habe kein „Störfeuer“gesehen. Der inhaltlich­e Teil von Doskozils Aussagen – er verlangt eine bessere Rückführun­gspolitik der EU – sei sogar sehr „realitätsn­ah“gewesen.

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