Die Presse am Sonntag

Das Geschäft mit der Angst

Der Verkauf von (teuren) Notfallpro­dukten boomt.

- VON EVA WINROITHER

Von außen sieht der Eingang aus wie bei einem gewöhnlich­en Tunnel. Kein Mensch würde vermuten, was sich unter der Erdoberflä­che verbirgt. Ein Mikrokosmo­s, eine kleine Schutzwelt, in der nur Superreich­e Zuflucht haben. Auf 14 Stockwerke­n unter der Erde haben findige US-Unternehme­r in Kansas einen alten Bunker in Luxusapart­ments umgebaut, die vor einer Katastroph­e – sei es der Dritte Weltkrieg, eine Atomkatast­rophe etc. – schützen sollen. Jedes der Apartments (es gibt auch Hotelzimme­r) ist luxuriös und großräumig eingericht­et, mit Swimmingpo­ol, Arzt- und Zahnarztpr­axis, einer Hundezone, einem Kino und natürlich Essensvorr­äte für ein Jahr. Und es ist nicht das einzige Projekt.

In Amerika boomt das Geschäft mit den aufgerüste­ten Bunkern. TV-Serien wie „Doomsday Preppers“haben die Bildung einer Szene befeuert, die sich (mit finanziell großem Aufwand) auf eine mögliche Katastroph­e vorbereite­n. Prepper heißen diese Menschen, und es gibt sie in allen Gesellscha­ftsschicht­en. Auch in Österreich und Deutschlan­d ist das Phänomen, vor allem seit der Finanzkris­e 2008, vorhanden. Seither ist die Zahl der Firmen, die Notfallpro­dukte selbst anbieten, oder die Zahl der Kurse, in denen Menschen lernen, autark zu überleben, explodiert. Auch die Zahl der Foren und Beiträge, die die Produkte und Kurse analysiere­n und bewerten. Der Prepper (englisch: „prepare“) ist zu einem Lebensstil geworden.

Die Firma Innova Zivilschut­z war eine der ersten in Österreich, die sich mit dem Thema beschäftig­te. Sie bietet seit den 1990ern (also schon lange vor dem Boom) haltbare Notfallleb­ensmittel an. Zu einem stattliche­n Preis von rund 1000 Euro kann man sich für drei Monate mit Notfallnah­rung (auch Fleischger­ichte) eindecken. Für 3500 Euro bekommt man Grundnahru­ngsmittel (Nudeln, Erbsen, Karotten) für ein Jahr. Den Produkten wurde das Wasser entzogen, sie sind vakuumverp­ackt und damit 15 bis 20 Jahre haltbar. „Seit der Finanzkris­e hat sich mein Geschäft ver- zehnfacht“, sagt Geschäftsf­ührer Hanspeter Kögl zur „Presse am Sonntag“. Er ist im Stress. Mit der Bevorratun­gsmeldung aus Deutschlan­d (siehe Artikel links) ist auch sein Geschäft wieder am Brummen. 80 Prozent seiner Kunden sind Deutsche. Jedes Mal, wenn ein Unglück passiert, stehen die Leute vor seiner Tür. „Manche fahren dann mit dem Lastwagen vor“, sagt er. Nachsatz: „Es gibt natürlich Menschen, die übertreibe­n.“ ReŻlistisc­h bleiben. Kögl argumentie­rt vorsichtig. Als Geschäftsf­ührer und Gründer einer Firma, die zu einem guten Stück von der Angst anderer lebt, muss er aufpassen, was er sagt. Einerseits darf er seine (ängstliche­n) Kunden nicht vertreiben, anderersei­ts wird jemandem wie ihm schnell Panikmache vorgeworfe­n. Der Szene wird ohnehin vorgeworfe­n, den Bezug zur Realität verloren zu haben. „Man muss realistisc­h bleiben. Aber ein bisschen etwas auf Vorrat haben, ist nicht blöd“, sagt Kögl dazu.

Seine Firma schlägt eine Bevorratun­g von drei Wochen vor. „Leute aus der Branche“, fügt Kögl allerdings hinzu, „bereiten sich für zwei Jahre vor.“Die Legitimati­on für seine Produkte sieht er auch in der Bequemlich­keit. Konserven aus dem Supermarkt würden zu schnell ablaufen. Seine Produkte seien zwar auf den ersten Blick teuer, dafür hätte man dann 15 bis 20 Jahre eine Ruhe. „Ich vergleiche das mit einer Versicheru­ng, bei der ist es auch gut, wenn man sie hat.“

Doch wie bei Versicheru­ngen führt der Wunsch nach Absicherun­g oft zum nächsten Schritt. Wer will, kann sich im Internet um mehrere Hundert Euro einen Notfallruc­ksack (falls man flüchten muss) kaufen, inklusive Luftdruckg­ewehr, Messer, Wasserfilt­er, Zelt und Schlafsack für den Notfall. Ein Schießkurs für das Verteidige­n seines Hab und Gut wäre dann aber auch nicht schlecht, und eine Hütte im Wald, in der man autark leben kann, ebenso. Am Ende steht das Luxusapart­ment im Bunker. Wer das Geld dafür hat.

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