Die Presse am Sonntag

»Gel¤ ãringt keine Bewohner«

Mehr Flüchtling­e Żuf ©Żs LŻn©, for©ert Ökonom Simons.

- VON KARL GAULHOFER

Sie wollen Kommunen mit starker Abwanderun­g nicht mehr speziell fördern. Widerspric­ht das nicht der Idee der Solidaritä­t und des Ausgleichs? Harald Simons: So hätten wir das gern. Aber wenn wir noch mehr in Kommunen mit starker Abwanderun­g umverteile­n, heißt das noch lange nicht, dass die Leute dort bleiben. Geld allein bringt keine Bewohner. In einer schrumpfen­den Region haben Sie in der Regel drei kleinere Städte. Wenn Sie die alle fördern, haben Sie am Ende drei halbtote Städte und keine einzige, die richtig funktionie­rt. Dann hat die ganze Region verloren. Aber eine Stadt rauszupick­en, ist brisant. Das darf man nicht der Lokalpolit­ik überlassen, das ist eine Ebene darüber zu entscheide­n. Was meinen Sie mit Ihrer Forderung nach „Palliativm­edizin“für schrumpfen­de Städte? Es heißt nicht: Morgen schließen wir die Stadt ab und lassen den Wolf wieder kommen. Es heißt: dafür sorgen, dass nötige Dinge irgendwie weiter funktionie­ren, aber ohne falsche Hoffnungen zu wecken. Ein Beispiel: Wenn die Dorfstraße kaputt ist, wird sie nur noch geschotter­t. Warum halten Sie nichts von der Mietpreisb­remse? Wenn ich in München oder Berlin die Mieten künstlich niedrig halte, verstärke ich nur das Schwarmver­halten der Jungen. Für jede geförderte Wohnung in Dresden können Sie die Abrisskost­en einer Wohnung in Zittau gleich mitrechnen. Dennoch ist die Wohnungsno­t in beliebten Städten das große Thema in Politik und Medien . . . Die Schwarmstä­dte sind die glückliche Ausnahme. In ihnen wohnt die gesamte Meinungsfü­hrerschaft: Studenten, Politiker, Wissenscha­ftler. Die glauben alle, so sehe es im ganzen Land aus. Deshalb machen wir nur noch Politik für 30 Städte. Das StandardDe­utschland ist aber ein Schrumpfun­gsland. Oder war es, bis die Flüchtling­e kamen. Aber das ist nur ein vorübergeh­ender Effekt. Stichwort Flüchtling­e: Würden diese in schwachen Regionen nicht noch schwerer einen Job finden? Das ist einfach grundfalsc­h! Die höchste Quote an offenen Stellen haben Sie im ländlichen Raum. Dort werden händeringe­nd Arbeiter gesucht, aber auch Schüler und Kinder für die Kita. Da ist für Familien alles da. Versuchen Sie einmal, in Berlin Ihren zehnjährig­en Sohn in einen Fußballver­ein zu bringen. Da gibt es lange Warteliste­n. Gehen Sie in die Uckermark, fällt man Ihnen um den Hals: Endlich haben wir wieder einen Verteidige­r! In großen Städten finden Flüchtling­e schon Netzwerke vor. Wären sie am Land nicht isoliert? Also: Junge Männer gehören nicht aufs Land. Das macht Ärger, unabhängig von der Nationalit­ät. Es geht um Familien. Aber keinesfall­s gleichmäßi­g verteilt, alle zehn Kilometer eine. Unterstütz­ungsnetzwe­rke sind ja hoch sinnvoll, sie erleichter­n den Zugang zum Arbeitsmar­kt. Nur muss eine stabile Gemeinscha­ft nicht aus 50.000 Syrern in Berlin bestehen. Es reichen 500 bis 1000 in einer kleineren Stadt. Dann gibt es da einen syrischen Laden und einen Kulturvere­in. Da hat man alle Vorteile und verhindert Parallelge­sellschaft­en. Funktionie­rt das auch so mit der Wohnortauf­lage? Sie wird von den Ländern nicht umgesetzt. Keiner packt es richtig an. Das ist sehr ärgerlich. Denn der Zug fährt langsam ab. Harald Simons (47) ist ein ©eutscher Ökonom mit ©en Schwerpunk­ten DemogrŻfie un© WohnungsmŻ­rkt. Er lehrt Żn ©er Hochschule für Technik, WirtschŻft un© Kultur in Leipzig un© ist VorstŻn© ©es EmpiricŻ-Instituts in Berlin.

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H. Simons

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