Die Presse am Sonntag

Designerpr­odukte aus dem Ländle

In ihrem Shop Heimweh verkŻuft SonjŻ LŻ©st´tter-Fussenegge­r selãst ©esignte Textilien un© Accessoire­s run© ums Wohnen. Vom FŻ©en ãis zum fertigen GegenstŻn© wir© Żlles in VorŻrlãerg gefertigt. Ein Experiment in ©er GroßstŻ©t.

- VON ELISABETH HOFER

Ich habe eigentlich Fernweh, finde ich hier denn auch etwas?“Man muss gestehen: Die Kundin, die gerade den Heimweh-Shop auf der Wiedner Hauptstraß­e betritt, hat sich ihre Begrüßungs­worte wohl schon länger überlegt. Und natürlich wird sie auch ohne die Sehnsucht nach der Heimat in dem Laden voller Decken, Pölster, Accessoire­s und Dekoproduk­ten fündig werden. Vom Hundenapf bis zum Kochlöffel wird hier alles rund ums Wohnen in edlem Design verkauft – die sogenannte Fussenegge­r-Kollektion. Wie aus dieser Bezeichnun­g hervorgeht, steckt hinter Produktges­taltung und Shopkonzep­tion Sonja Ladstätter-Fussenegge­r.

Die gebürtige Kroatin wanderte als Kind mit ihrer Familie in die Schweiz aus. Dort machte sie eine Ausbildung zur medizinisc­h-technische­n Laborassis­tentin. Später lernte sie in St. Gallen ihren zukünftige­n Mann, einen Nachkommen des Vorarlberg­er Textilfabr­ikanten und Politikers David Fussenegge­r, kennen. Nachdem das Ehepaar aus der Schweiz zurückgeke­hrt war, war Ladstätter-Fussenegge­r jahrelang für die Kreationen des immer noch bestehende­n Textilunte­rnehmens David Fussenegge­r verantwort­lich.

Im Alter von 60 Jahren, wenn andere sich bereits auf den Ruhestand freuen, beschloss sie, sich selbststän­dig zu machen. Sie eröffnete zwei Shops, in denen sie die von ihr selbst designten und in Vorarlberg produziert­en Produkte verkauft. Alles, was zugekauft wird, ist fair gehandelt oder stammt aus sozialen Werkstätte­n. Ladstätter­Fussenegge­rs erstes Geschäft, der DFShop im Lagerhaus, befindet sich in Dornbirn, der Heimweh-Shop in Wien. Der Name Heimweh ist in diesem Fall also mit der Sehnsucht nach Vorarlberg verbunden. „Immerhin gibt es ja viele Vorarlberg­er in Wien, die Heimweh haben“, sagt die Geschäftsf­ührerin. Sie selbst kenne das Gefühl aber nicht. „Ich bin Kosmopolit­in“, sagt sie. „Ich habe mich überall, wo ich gelebt habe, schnell zu Hause gefühlt.“ Die Farbe im Grau der Stadt. Einen Shop in Wien habe sie eröffnen wollen, weil sie „das Großstädti­sche“interessie­rte. Seit dem Jahr 2012 stehen nun schon riesige Blumentöpf­e, in denen alle Arten von Kräutern wachsen, vor dem Geschäft, dessen Schaufenst­er bunt dekoriert sind. Zuvor befanden sich in den Räumlichke­iten ein Kiosk und ein Malergesch­äft. Gleich gegenüber liegt das graue SVA-Gebäude und nebenan ein Kebab-Imbiss. In dieser Umgebung fällt Heimweh beim Vorbeigehe­n auf, und das gefällt Ladstätter-Fussenegge­r. „Man muss uns entdecken, und wer uns einmal entdeckt hat, kommt immer wieder“, sagt sie. Die Kunden wären zu einem großen Teil Stammkunde­n. Immer öfter würde aber auch Laufkundsc­haft von den bunten Schaufenst­ern angezogen.

Weil die Chefin selbst aber nur alle fünf bis sechs Wochen in Wien sein kann, kümmern sich Thekla Naser und Dominika Szczot um den Laden im vierten Bezirk. Die beiden stammen nicht aus Vorarlberg, sondern aus Bayern und aus Wien. „Vorarlberg­er sein war kein Einstellun­gskriteriu­m“, erzählen sie und lachen. Tatsächlic­h ging es Ladstätter-Fussenegge­r viel mehr darum, Angestellt­e zu finden, die ein Gefühl für Einrichtun­g, Design und Dekor mitbringen. Sie ist überzeugt, mit Naser und Szczot zwei geeignete Personen gefunden zu haben. Beide kommen aus der Kreativbra­nche. Szczot ist eigentlich Malerin, bei Heim- weh ist sie für die Schaufenst­ergestaltu­ng und die richtige Anordnung aller Produkte im Verkaufsra­um zuständig. Ihre Kollegin Thekla Naser war Kostümbild­nerin am Theater, bevor sie begann, für Ladstätter-Fussenegge­r zu arbeiten. „Es ist aber gar nicht so anders“, erzählt sie. „In beiden Berufen geht es viel um das Gefühl für Design und Farben, und die Kunden schätzen die Beratung.“

Die Geschäftsf­ührerin ist stolz auf ihr Team. Sie habe sofort gespürt, dass die beiden Frauen auch in ihrer Abwesenhei­t alles im Griff haben würden. Geschmack habe aber nicht jeder. Durch Sehen und Angreifen müsse man ihn erst lernen. Ladstätter-Fussenegge­r selbst kommt aus einer Künstlerfa­milie, ihre Mutter und ihr Bruder sind bildende Künstler, das richtige Gespür für Farben und Formen wurde ihr gewisserma­ßen vererbt. „Es ist erstaunlic­h, was man in einem Raum allein mit Kissen und Decken alles verändern kann“, sagt sie. Auch Dominika Szczot weiß das. Fünfmal im Jahr erscheint eine neue Kollektion, mindestens fünfmal im Jahr dekoriert sie den Heimweh-Shop also komplett um. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und braucht besonderes Feingefühl. „Oft fängt es mit einem Stück an, von dem man ausgeht, und dann platziert man Schritt für Schritt alles andere herum“, erzählt sie.

Der Zauber und die Kunst des Einrichten­s, da ist man sich bei Heimweh einig, liegen in der Anordnung und Kombinatio­n der Gegenständ­e. Ob- wohl die Chefin ihrem Verkaufs- und Designteam meist freie Hand lässt, ist auch oder gerade die Textilbran­che aber immer wieder wechselnde­n Trends unterworfe­n. „Vor Kurzem sind alle auf die Skandinavi­er abgefahren, jetzt haben wir eine Art modernisie­rten Ethno. Die Menschen wollen einfach Abwechslun­g, sie mögen es nicht so uniform“, erklärt Ladstätter-Fussenegge­r. Aus diesem Grund setzt sie bei Heimweh auf eine Mischung unterschie­dlicher Stile. „Man kann nicht immer nur brav das machen, was alle anderen machen“, meint sie. Zeit für ein neues Projekt. Neben der Kollektion mit Produkten für Kinder und Erwachsene gibt es bei Heimweh auch einen Fabriksver­kauf. Einzelstüc­ke, Mangelware oder ungenähte Decken sind zu günstigen Preisen zu haben. Aber auch abseits des Fabrikverk­aufs sind die Preise im Vergleich zu anderen Designerpr­odukten recht human. Eine Decke kostet beispielsw­eise zwischen 30 und 60 Euro.

Ich ãin Kosmopolit­in. Ich hŻãe mich üãerŻll, wo ich geleãt hŻãe, zu HŻuse gefühlt. MŻn kŻnn nicht immer nur ãrŻv ©Żs mŻchen, wŻs ©ie Żn©eren Żuch mŻchen.

Die Verkaufsza­hlen geben dem Konzept der 63-Jährigen recht. Und das, obwohl sie sich mit einem Trend so gar nicht anfreunden kann: dem Online-Verkauf – zu sehr schätzt sie den direkten Kontakt mit den Kunden. Als sie ihre Shops eröffnete, war sie zunächst nicht sicher, ob sie mit ihrem Konzept erfolgreic­h sein würde. „Ich bin gleichzeit­ig Pensionist­in und Junguntern­ehmerin“, sagt sie. Dass sie nicht wirklich in Pension gegangen ist, sondern zwischen Wien und Vorarlberg hin und her pendelt, hat sie nie bereut, immerhin hätten ihr Team und sie nun die Freiheit, so zu arbeiten und zu designen, wie sie selbst wollen.

Neben den beiden Shops hat Ladstätter-Fussenegge­r auch das 4 Stuben Haus ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein voll eingericht­etes Gästehaus im Zentrum von Dornbirn, das Design-Liebhaber auf Zeit mieten können und mit dem die Besitzerin ein Zeichen setzen möchte: für mehr Geschmack und Gemütlichk­eit.

Weil sie aber nicht so recht stillsitze­n kann, ist auch das nächste Projekt der Wahlvorarl­bergerin bereits in Planung: In einem Olivenhain auf einer kroatische­n Insel möchte sie eine Hütte mit ihren Designs einrichten. Die Idee entstand erst vor Kurzem, als sie den Einheimisc­hen bei der Olivenernt­e half. Keine Spur von Langeweile. Zeit, ein gemütliche­s Pensionist­endasein zu führen, bleibt bei alldem kaum. Doch es gibt Ausnahmen. Zwei ihrer drei Kinder haben ebenfalls einen künstleris­chen Lebensweg eingeschla­gen und arbeiten als klassische Musiker. Zu ihren Konzerten reist die Mutter besonders gern an. Aber auch, wenn die eigenen Kinder nicht mitwirken, bei ihren Wien-Aufenthalt­en ist der Besuch eines Konzertes immer ein Fixpunkt.

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StŻnislŻv Jenis Dominika Szczot und Thekla Naser beraten in Wien.
 ?? StŻnislŻv Jenis ?? Selbst gestaltete Kuscheltie­re (l.) sowie Geschirr und Tischdecke­n (r.) aus Vorarlberg.
StŻnislŻv Jenis Selbst gestaltete Kuscheltie­re (l.) sowie Geschirr und Tischdecke­n (r.) aus Vorarlberg.
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