Die Presse am Sonntag

Wie man einen Literaturs­tar bändigt

Cheryl Della Pietra war Assistenti­n von Hunter S. Thompson. In »Gonzo Girl« schildert sie, wie sie für ihn kokste, trank und schießen lernte – und ihm des Nachts Seiten abrang.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Er wohnt in der Nähe von Aspen, Colorado, und verbringt seine Tage am Schießstan­d, im Whirlpool oder über einem Tablett voller Kokain. Sein Name ist Walker Reade, aber es braucht wenig Fantasie, um den Namen durch einen anderen zu ersetzen: Der Lebensstil des alternden Schriftste­llers Reade dürfte ziemlich genau jenem von Hunter S. Thompson entspreche­n.

Jedenfalls war Cheryl Della Pietra irgendwann in den Neunzigern fünf Monate lang dessen Assistenti­n. Fünf Monate an der Seite der Kultfigur („Fear And Loathing in Las Vegas“), das klingt nach wenig. Rechnet man den, nun ja, Arbeitsall­tag a` la Thompson/Reade mit ein, ist es wohl eher ziemlich viel. In „Gonzo Girl“wird schon das erste Probewoche­nende zur ganz normalen Tour de Force: Drogenpart­y mit Filmstar, Shoppingto­ur zwecks Beschaffun­g der Arbeitskle­idung (Cocktailkl­eid, Cowgirl-Rock, rosa Trainingsa­nzug, Tennisdres­s), Nachbarnsc­hrecken (mit je einer Flasche Tanqueray und Gentleman Jack unter dem Autositz), Großeinkau­f im Gartencent­er, 1500-Dollar-Dinner im lokalen Restaurant und Überreichu­ng der persönlich­en „Dienstwaff­e“.

Alley Russo, Della Pietras Alter Ego, landet bei Walker Reade als junge UniAbsolve­ntin. Voller eigener literarisc­her Ambitionen, glaubt sie, sie könne von seinem Ruhm und Können profitiere­n. Claudia, Reades Allroundse­kretärin, stellt die Regeln auf: Sie kümmere sich von acht bis acht um Walkers Angelegenh­eiten, danach ziehe sie sich zurück. Alley habe die Nachtschic­ht und ab drei Uhr nachmittag­s in Rufbereits­chaft zu warten. Recht unmissvers­tändlich wird ihr klargemach­t, was hier ihre Aufgabe ist: Das hedonistis­che Enfant terrible des Literaturb­etriebs zum Schreiben zu bringen – und täglich spätestens um zwei Uhr morgens an den Tasten zu haben. Drohende Pleite. Denn die große Zeit des großen Autors ist vorbei, aber legale wie illegale Grundnahru­ngsmittel wollen weiter bezahlt werden. Tatsächlic­h war es Della Pietras Aufgabe, dem Erfinder des ich-zentrierte­n „GonzoJourn­alismus“bei der Entstehung von „Polo Is My Life“zu helfen – der Roman ist bis heute nicht erschienen. Da- Cheryl Della Pietra „Gonzo Girl“Übersetzt von Marie Rahn Heyne-Verlag 288 Seiten 11,99 Euro

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Helen Barnard Cheryl Della Pietra verarbeite­t ihre Zeit an der Seite des Kultautors.
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