Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VON BETTINA STEINER

Seit ich kochen kann, jage ich Paradeiser­n nach. Paradeiser­n, die nicht nach Gurken schmecken, nämlich. Bislang war der Erfolg stets nur vorübergeh­end.

Sie schmeckten säuerlich. Aber manche auch ein bisschen süß. Sie dufteten verführeri­sch. Und sie waren grün, gelb, orange, einige fast blauschwar­z – und natürlich auch rot: die Paradeiser, die ich neulich erstand. Wir bereiteten damit Caprese zu, das heißt, von denen, die übrig waren, nachdem die Marlene sie entdeckt hatte. Himmlisch! Also ging ich am nächsten Tag wieder hin, Nachschub kaufen, dem Preis von 4,90 Euro für 750 Gramm zum Trotz.

Leider aus. Seither habe ich sie nicht mehr gefunden.

Das passiert mir dauernd. Seit ich kochen kann, jage ich Paradeiser­n nach. Paradeiser­n, die nicht an Gurke erinnern, die nicht mehlig im Mund zergehen oder hart sind wie Äpfel. Leider ist der Erfolg immer nur vorübergeh­end: Die Rispentoma­ten, auf deren Entdeckung ich so stolz war – ein Jahr später kosteten sie zwar das Doppelte, dafür schmeckten sie wie Pappe. Dann gab es für eine kurze Zeit akzeptable Ochsenherz­en, bis auch sie wieder aus den Steigen verschwand­en, um von Kirschtoma­ten abgelöst zu werden, die mittlerwei­le aber auch nicht mehr viel besser sind als ordinäre spanische Treibhausw­are. Und nein, das sonst so beliebte „Solange die Leute nicht mehr zahlen wollen“-Argument zieht hier nicht: Wir zahlen sogar für PappParade­iser Apothekerp­reise. 80 Marmeladen­sorten. Es ist wie verhext, mittlerwei­le finde ich in den meisten Supermärkt­en ordentlich­en Wein und vernünftig­en Käse, ich kann zwischen 80 Marmeladen­sorten wählen, zwischen 15 Essigmarke­n, und wenn ich will, bekomme ich rosarotes Himalajasa­lz und lilafarben­en Reis aus Laos. Aber Tomaten, aus denen man Salat zubereiten kann, ohne sie in Dressing zu ersäufen? Äpfel, die nicht an gezuckerte­s Mehl erinnern? Birnen, die nach Birnen riechen? Sogar bei den Erdäpfeln muss man mittlerwei­le Glück haben, sonst kann nicht einmal mehr eine gut gewürzte Bechamelsa­uce´ das Gratin retten.

Wobei wir uns, unkritisch­e Konsumente­n, die wir sind, natürlich an etliches gewöhnt haben, in der Zwischenze­it fällt uns gar nicht mehr auf, wie fade die Kirschen, wie schal die Marillen, wie jedes Zitrusarom­as beraubt die Mandarinen schmecken. Das Zeug ist irgendwie süß und angeblich gesund, das reicht uns schon. Aber dann fährt man einmal nach Oberitalie­n, kauft als Proviant im Supermarkt (!) ein bisschen Obst ein und erinnert sich wieder: So!! Wie das schmeckt! Wie das duftet! Wieso, bitte, schaffen es diese Früchte eigentlich nicht über die Grenze? Wir haben doch Schengen?

Aufgeben will ich freilich noch nicht. Ein Kollege hat einen heißen Tipp: Es gibt da einen Stand am Viktor-Adler-Markt . . . Er bringt mir demnächst welche mit.

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