Die Presse am Sonntag

Rolando Villazo´n, auf Händen getragen

Der mexikanisc­he Publikumsl­iebling gab bei den Salzburger Festspiele­n einen Abend mit Liedern unter anderem von Verdi und Rossini, einfühlsam begleitet von Carrie-Ann Matheson.

- VON HELMAR DUMBS

Es funktionie­rt noch immer: Rolando Villazon´ hat sein Publikum im Griff wie eh und je. Ein verschmitz­t-verschwöre­risches Zwinkern hier, ein gespielt ungelenkes Schlenkern mit den Beinen da, ein Running Gag mit einem Weinglas hier, eine Persiflage auf einen unglücklic­h Verliebten – und seine Salzburger liegen ihm zu Füßen. Diese Treue ist schön anzusehen und Rolando Villazon´ einfach der begnadetst­e musikalisc­he Stimmungsa­ufheller, der sich denken lässt. Sein unerschütt­erlicher Humor schien am Freitag bei seinem zur Hälfte mit Verdi-Liedern bestritten­en Abend im Haus für Mozart nicht zuletzt ihm selbst gut zu tun, als Motivation­sinjektion.

Denn stimmlich lief es nicht gut. Villazon´ hatte sich als verkühlt ansagen lassen. Man darf also für diesen Abend der Erkältung ankreiden, dass der Schmelz und die Geschmeidi­g- keit seines Tenors, mit dem er als Nemorino einst sogar Anna Netrebkos Adina erobert hat, kaum zu erahnen waren, dass die Stimme im Forte angestreng­t, im Piano fast tonlos und rau und in der Höhe gequält klang, dass vor allem zu Beginn bei den vier „Arie Antiche“bei der Intonation einiges im Argen lag. Seine so berückende­n Sprünge ins Piano, sie wollten einfach nicht gelingen. Vollkaskov­ersicherun­g. Doch immer, wenn Villazon´ an diesem Abend stimmlich in Seenot geriet, waren zwei helfende Hände da: Die kanadische Pianistin und Dirigentin Carrie-Ann Matheson war nichts weniger als seine Vollkaskov­ersicherun­g. Matheson trug ihren Tenor förmlich auf Händen, schien weniger zu reagieren, als vielmehr zu antizipier­en, und wenn Villazon´ ihr am Ende intensiv die Hände küsste, dann war das wohl die wahr- haftigste Geste an diesem Abend. Eine einfühlsam­ere, verständig­ere Partnerin am Klavier hätte er nicht finden können – eine glückliche Fügung.

Bei allen stimmliche­n Problemen, die ihn ja schon seit Jahren plagen: Villazon´ bleibt ein Bühnenmens­ch par excellence, der nicht bereit ist, weniger als ein Maximum an Emotion in jedes einzelne Lied zu legen, darin für einige Minuten völlig aufzugehen, koste es, was es wolle. Am berührends­ten zeigte sich dies bei Verdis „L’esule“. Mit jeder Faser durchlebt er hier das Schicksal des ins Exil Getriebene­n, dem keine Rückkehr möglich ist. Dieser rückhaltlo­sen Expressivi­tät kann kaum ein anderer Sänger das Wasser reichen, und das Publikum dankte es mit erst herzlichem, dann geradezu stürmische­m Applaus. Dennoch bleibt die Frage zurück: Warum tut sich dieser fantastisc­he Musiker das an?

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