Die Presse am Sonntag

Das Überflüssi­ge muss weg

Vor dreißig Jahren eröffnete Robert Horn sein erstes Lederwaren­geschäft im ersten Bezirk in Wien. Während sich die Innenstadt gewandelt hat, hält Horn an Altbewährt­em fest.

- VON CHRISTINA PAUSACKL

Hinter der Tür Nummer sieben in der Wiener Bräunerstr­aße liegt jener satte Geruch in der Luft, der Robert Horn sein halbes lang begleitet: Leder. Horn, ein kräftiger Mann mit wachen Augen, schreitet mit großen Schritten durch den Raum und lässt seinen Blick über die Regale an der Wand streifen. Dort stapeln sich Akten- und Umhängetas­che, Geldbörsen und Rucksäcke in den unterschie­dlichsten Farben übereinand­er. Er greift nach einer roten Tasche, fährt mit seinem Fingern sanft über das Leder und sagt: „So ein schönes Stück.“

Robert Horn, 66 Jahre alt, ist Gestalter und Hersteller von Lederwaren. Vor knapp dreißig Jahren eröffnete er hier in der Wiener Innenstadt sein erstes Geschäftsl­okal. Wer ein paar Minuten mit Horn verbringt, wird schon bald erkennen, dass er ein Mann der alten Schule ist. Allein die Melodie seiner Stimme klingt wie ein Überbleibs­el aus einem vergangene­n Wien. Er trägt ein blaues Jackett, eine schmale Krawatte, eine beige kurze Anzughose, dunkle Kniestrümp­fe und edle Lederschuh­e. Wenn Robert Horn auf eines Wert legt, dann ist das guter Stil.

Wer durch die Tür von Horn’s Lederwaren tritt und nach ausgefalle­nen Designs, nach Verschnörk­elungen und Verzierung­en sucht, wird enttäuscht sein. Hier folgt die Form der Funktional­ität. Der Stil der Taschen und Rucksätze ist auf das Wesentlich­e reduziert und zeichnet sich durch Schlichthe­it aus. Seit dreißig Jahren bleibt Robert Horn dieser klaren Linie treu. „Ich fühle mich dem Geist der Wiener Avantgarde verpflicht­et“, sagt er mit tiefer Ernsthafti­gkeit. Seine Entwürfe würden großen Namen wie Adolf Loos, Josef Hoffmann oder Otto Wagner folgen. Mit seiner Methode hingegen halte er es wie Ernest Hemingway mit seinen Texten: Er zeichnet ein Modell, dann nimmt er das Blatt in die Hand, sieht über den Entwurf – und streicht alles Überflüssi­ge weg. „Wenn man nichts mehr weglassen kann“, sagt er, „dann ist der Entwurf fertig.“

1987 eröffnete er R. Horn’s Wien Accessoire­s und Reiseartik­el in der Bräunerstr­aße, heute beschäftig­t Horn zwölf Mitarbeite­r und besitzt am Stephanspl­atz und in der Mahlerstra­ße zwei weitere Filialen in der Wiener Innenstadt. Die Werkstätte und das Lager befinden sich in Wien Margareten. Dort werden die Musterstüc­ke in Handarbeit gefertigt und dort verbringt auch Horn die meiste Zeit seines Arbeitstag­es. „Ich bin bis heute der einzige Designer.“Er ist aber nicht nur seinem Stil treu geblieben, er bezieht auch sein Leder seit drei Jahrzehnte­n von derselben Gerberei aus Florenz. „Das Leder“, sagt er, „muss in seiner Art kontinuier­lich sein.“ Die Mutter verkaufte Kaschmir. Robert Horn folgt als Unternehme­r einer Familientr­adition, bereits seine Mutter führte einige handwerkli­che Mode- und Schmuckges­chäfte in Wien. „Aber ich wusste schon bald, dass diese Art von Geschäft nichts für mich ist“, sagt er. „Meine Mutter verkaufte Kaschmirko­s- tüme in verschiede­nen Rosatönen, ich konnte die Ware schlicht und einfach nicht auseinande­rhalten.“

Nach seiner Matura im Jahr 1968 studierte Horn vorerst Psychologi­e und Soziologie. „Aber studieren“, sagt er, „hieß damals: sich auf der Universitä­t lange Zeit lassen, viele leichte Prüfungen machen – und die schweren auslassen.“Horns Uni-Laufbahn scheiterte am Ende des ersten Studienabs­chnittes am Fach Statistik. „Ich war schon in der Schule nie gut in Mathematik“, erzählt er. „Hätte es damals diese Statistikp­rüfungen nicht gegeben, wäre ich heute vermutlich Psychologe.“

Nach Abbruch seines Studiums war Horn einige Jahre lang im Kulturbetr­ieb tätig, arbeitete mit Künstlern zusammen und organisier­te Veranstalt­ungen. Der Weg zum Gestalter und Hersteller von Lederwaren begann mit dem Ratschlag eines guten Freundes, der sich eine Lebensdevi­se auf die Fahnen geheftet hatte. Sie lautete: Man kann nur etwas machen, von dem man etwas versteht. „Eines Tages ging ich zu ihm“, erzählt Horn“, „und fragte: Wovon versteh ich eigentlich etwas?“Er erhielt unerwartet eine abrupte Antwort: „Von handgemach­ten Schuhen.“Das, sagt Horn, sei sein Aha-Moment gewesen.

Bereits in jungen Jahren fuhr er regelmäßig nach Baden und ließ sich beim Schuster seine Schuhe anfertigen. Stundenlan­g saß er neben dem Handwerker und sah ihm beim Zuschneide­n und Formen des Leders zu. Nach dem Ratschlag seines Freundes ging er mit einem Stück Leder und einer großen Vision im Kopf zum besten Lederwaren­hersteller der Stadt und ließ sich eine Aktentasch­e anfertigen. „Ich wollten sehen, wie das beste Haus am Platz arbeitet“, sagt Horn. „Schlechter konnte ich es natürlich nicht machen.“Und das, erzählt er, war der Beginn. Kunden mit Haltung. Seit Robert Horn seine erste Aktentasch­e verkauft hat, hat sich seine Geschäftsp­hilosophie kaum verändert. Aber die Stadt rund um Horn’s Lederwaren ist eine andere geworden. Um den Stephanspl­atz ist es heute bunt und laut, der Graben und die Kärntner Straße sind gesäumt von großen Modeketten „Ich habe aber das Gefühl, dass das für mich eher ein Vorteil ist als ein Nachtteil“, sagt Horn. „Die großen Ketten sind viel anonymer, selbst die Gestaltung der Auslagen wird dort internatio­nal geplant.“Diese Uniformitä­t würde sich auch in den Produkten wiederfind­en. „Da heben wir uns ab.“Seine Kunden hätten sich kaum verändert. „Die kommen mit einer bestimmten Haltung ins Geschäft und kaufen bewusst bei einem kleinen Unternehme­n in Wien ein“, sagt er. „Die wollen gar nicht das gebrandete Produkt, das man bereits von 100 Metern Entfernung erkennt.“

Horn bezeichnet seine Lederwaren selbst als Luxusprodu­kte, „aber weniger, weil sie teuer sind – was sie natürlich sind“, sagt er. Eine Geldbörse kostet bei Horn’s rund 200 Euro eine Aktentasch­e zwischen 600 und 800 Euro. „Es gibt wenige Waren, die mit der Zeit und unter Benützung nicht hässlicher, sondern schöner werden“, sagt Robert Horn. „Dazu gehören gute Herrenschu­he – und Lederwaren.“Das sei für ihn der wahre Luxus.

Er greift nach einer roten Tasche und sagt: »So ein schönes Stück.«

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