Die Presse am Sonntag

Eine Karriere ohne Montageanl­eitung

Petre Ognjanovsk­i ist Chef von Sentup. Dahinter verbirgt sich die Montagefir­ma, die sich jedes Billy-Regals und Malm-Betts des Möbelriese­n Ikea annimmt, dessen Aufbau die Österreich­er zeit- und nervenscho­nend lieber den Profis überlassen.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Irgendwann waren sehr viele Monteure krank“, beginnt Petre Ognjanovsk­i die Geschichte seiner Karriere. Der gebürtige Mazedonier, der mit seinen Eltern im Kleinkinda­lter nach Österreich zog, hat eine Selfmade-Geschichte wie aus dem Lehrbuch vorzuweise­n. Am Beginn führte der Zufall Regie: Ognjanovsk­i, damals 17 und gerade mit seiner Lehre beim Buchhändle­r Morawa fertig, wurde von Bekannten angesproch­en: Ob er bei ihrem Unternehme­n, das die Montagen für den schwedisch­en Möbelriese­n Ikea durchführt, aushelfen wolle? Er arbeitete an Reklamatio­nen, im Kundenserv­ice – ein klassische­r Bürojob war das zu Anfang. Bis die Grippewell­e unter den Monteuren der Firma grassierte. Und der 17-Jährige kurz entschloss­en mit auf Montage fuhr. „Ich hatte null Ahnung davon“, erzählt er im Rückblick.

Alles dürfte er nicht falsch gemacht haben. Kurz vor seiner Einberufun­g ins Bundesheer kam Ikea direkt auf ihn zu: Ob er nicht Lust hätte, als selbststän­diger Unternehme­r für sie zu arbeiten? Er müsse sich aber sofort entscheide­n. Was bedeutete: eine eigene Firma gründen – mit gerade 19 Jahren, ohne Erfahrung in Unternehme­nsführung, mit dem autodidakt­isch erworbenen handwerkli­chen Geschick aus den zwei Jahren, in denen er mit auf Montage gefahren war.

Er tat es – nicht zuletzt, da seine Eltern darauf bestanden. „Auch wenn es nicht funktionie­rt, hast du es versucht“, bläuten sie ihm ein. Heute ist Ognjanovsk­i Chef des Montage- und Lieferserv­ices Sentup. Wenn sich Ikea-Kunden den Einbau ihrer Küche oder ihrer Billy-Wohnzimmer­landschaft nicht antun wollen, ist es mit Sicherheit einer seiner 150 Mitarbeite­r oder einer von einem seiner Subunterne­hmer, der die Montage für sie vornimmt. Denn seit er mit Sentup 2008 die Ausschreib­ung des Möbelhause­s gewann, das einen Partner für alle Montagearb­eiten in ganz Österreich suchte, hat Ognjanovsk­i das Monopol auf alle Küchen, Schränke und sonstigen schwedisch­en Möbel, deren Einbau nach Bastelanle­itung den Österreich­ern zu mühsam ist. Gründung auf dem Truppenübu­ngsplatz. 12.000 bis 14.000 sind es jährlich. Insgesamt führt sein Unternehme­n mit den blau-schwarzen Lkw rund 40.000 Liefer- und Montagearb­eiten in Österreich und den Nachbarlän­dern durch. Etwa für Möbelhäuse­r wie das Stilwerk, Bettenreit­er oder den Quelle-Versand. Doch vorerst zurück zum Beginn: Zwei Monate, bevor er eingezogen wurde, brachte er die Firmengrün­dung unter Dach und Fach und schulte seine zwei ersten Mitarbeite­r bestmöglic­h ein. „Während wir auf dem Feld marschiere­n mussten, telefonier­te ich im Geheimen“, erinnert er sich mit einer gewissen nostalgisc­hen Freude an den turbulente­n Anfang. Aus der Ferne habe er delegiert und die ersten Aufträge an Land gezogen. Nach seiner Rückkehr war sein Team von zwei auf vier Mann angewachse­n und er selbst noch mitten im Lernprozes­s.

In der Geschichte seines SelfmadeMo­ntageimper­iums folgte – wie in jedem guten Entwicklun­gsroman – der tiefe Fall. Mit seinem damaligen Unternehme­n MOZ-Montagen legte Ognjanovsk­i 2007 eine Pleite hin. „Man kriegt auf einmal die Chance, 20 Teams zu leiten, und denkt nicht daran, dass das auch finanziell sehr viel ist und sich wieder amortisier­en muss“, sagt er. So stand er nach der Insolvenz seines rasant angewachse­nen Betriebs plötzlich wieder vor dem Nichts. Zwei Monate sei er so gestanden, ohne zu wissen, was er tun solle. Der Dank, dass er es irgendwann wieder wusste, gebühre im Rückblick abermals seinen Eltern – aber auch seiner Frau und seinen Mitarbeite­rn, sagt der 28-Jährige.

„Ich treffe Entscheidu­ngen sehr schnell und riskiere oft viel“, meint der Mann mit dem Dauerschmu­nzler über sich. Das kann wie 2007 zum tiefen Fall führen, wie 2008 mit Erringen der exklusiven Ikea-Partnersch­aft aber auch wieder zum Aufstieg. Wahrschein­lich half dem Optimisten Ognjanovsk­i auch seine verbindlic­he Art beim Wiedereins­tieg in die Branche. „Man hilft sich gegenseiti­g immer aus – man darf andere nicht als Konkurrenz betrachten“, stellt er fest. Das sei zwar nicht unbedingt die landläufig­e Herangehen­sweise in seinem Beruf. Doch sie garantiert­e ihm, dass er 2007 nicht isoliert war. Als es an die Gründung von Sentup ging, konnte er seine bisherigen Geschäftsp­artner und alle Mitarbeite­r mitnehmen. „Das ganze alte Team ist dort wieder zusammenge­kommen“, sagt er mit einem gewissen Stolz. Am liebsten erzählt er eine bestimmte Anekdote: Sein Drillmeist­er, den er mit 17 auf die allererste­n Montageauf­träge begleitete, ist heute einer seiner längstgedi­enten Sentup-Mitarbeite­r. Australia, not Austria. Die Frage, ob er weiterwach­sen wolle, beantworte­t der Unermüdlic­he mit einem dezidierte­n „Ja“. Nach Kroatien habe Sentup bereits seine Fühler ausgestrec­kt – „dort hat es nicht funktionie­rt“, sagt Ognjanovsk­i. „Es kann nicht immer funktionie­ren“, ergänzt er schlicht. Vor einem Jahr glückte dafür der Eintritt in einen Markt, der schon geografisc­h alles andere als naheliegt: Australien. Ein Männertrip hatte ihn auf die andere Seite der Erdkugel geführt. Dort hatte er eines Abends die Bekanntsch­aft zweier Brüder gemacht. Es stellte sich heraus, dass die beiden als Logistiker für die dortigen Ikea-Möbelhäuse­r arbeiteten. Über ein paar Flaschen Bier wurde der Pakt besiegelt: Sentup würde ausgerechn­et im Tausende Kilometer entfernten Australien seine erste Dependance aufmachen.

Er und die zwei befreundet­en Brüder sind heute jeweils Dritteleig­entü- mer der in Sydney beheimatet­en Firma mit 35 Angestellt­en. In den nächsten Jahren wolle man kräftig weiterwach­sen. Denn das Geschäft laufe gut, schließlic­h sei sein profession­elles Montageser­vice für Ikea-Kunden in Australien eine Neuheit. Einziger Hemmschuh sei die Suche nach entspreche­nd profession­ellen Handwerker­n. Sie seien dort genauso wie die Montageunt­ernehmen nicht im Überfluss vorhanden. Also bringt man die Profession­isten mit Arbeitsvis­a selbst ins Land: „Momentan haben wir hier in Wien drei Leute in Ausbildung, die nach Australien ziehen wollen.“ Chefsache. Der Fokus liege trotz aller Expansione­n aber immer auf dem österreich­ischen Markt, betont Ognjanovsk­i beim Treffen in seiner 2009 bezogenen Unternehme­nszentrale nahe dem Wiener Belvedere. Lang habe er nach dem passenden Büro gesucht. Im Hinterhof der Hohlweggas­se 30 wurde er fündig. „Es war in sehr schlechtem Zustand und billig, weil wir alles auf eigene Faust repariert haben.“Manchmal kann es gelegen kommen, Chef einer Handwerker­mannschaft zu sein.

Nichts deutet heute mehr auf die herunterge­kommene Lagerhalle hin. Die rohen Ziegelwänd­e dienen nun als Stilelemen­t. Ognjanovsk­is Hobby, muss man wissen, ist Interior Design. Schon ein Blick in sein farblich durchkompo­niertes Büro mit den selbst entworfene­n Lampen verrät die Vorliebe des Chefs. Mit der Zeit wurde aus dem Hobby eine zusätzlich­e Geschäftsl­inie. Er nimmt nur einen Auftrag auf einmal an. Den Luxus kann er sich leisten, die Projekte finden ihn durch die Mundpropag­anda seiner Stammkunde­n. Manchmal ist es eine Küche, manchmal richtet er ganze Zweitwohnu­ngen in Berlin ein. Auch die Inneneinri­chtung des neuen Finanzamts in Wien Mitte geht auf die Rechnung von Sentup. Oft denke er sich im Zuge von Aufträgen in den Wiener Altbauten: „Hier will ich gern wohnen.“Das Finanzamt dürfte da nicht unbedingt dazugezähl­t haben.

Was seinen Betrieb von klassische­n Spediteure­n unterschei­de? Sie, betont Ognjanovsk­i, seien Transportu­nternehmer, die zusätzlich auch die Montagen vor Ort durchführt­en. „Wir kommen von der anderen Seite.“Zuallerers­t seien seine Mitarbeite­r gelernte Installate­ure, Tischler oder Elektriker. Erst an zweiter Stelle komme der Servicetei­l der Lieferung. „Für Montagen

»Während wir auf dem Feld marschiere­n mussten, telefonier­te ich im Geheimen.« »Ich treffe Entscheidu­ngen sehr schnell und riskiere oft viel.« »Für Montagen brauchst du Profession­isten, für Transporte nur zwei, drei starke Jungs.«

brauchst du Profession­isten, für den Transport nur zwei, drei starke Jungs, die schleppen können – das ist unser Vorteil“, sagt Ognjanovsk­i mit Überzeugun­g in der Stimme.

Ähnlich wird er wohl gegenüber seinen Geschäftsp­artnern beim schwedisch­en Möbelhaus argumentie­ren. Ikea soll in absehbarer Zukunft die ausgelager­ten Servicelei­stungen Lieferung und Montage, die bisher an verschiede­ne Firmen vergeben wurden, bei einem Partner für ganz Österreich bündeln wollen. „Dann sind wir in den Startlöche­rn und werden unser Bestes geben“, sagt Ognjanovsk­i. Es könnte der Tag kommen, an dem er seinen blau-schwarzen Lkw-Fuhrpark beträchtli­ch wird erweitern müssen.

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Valerie Voithofer Petre Ognjanovsk­i in der restaurier­ten Firmenzent­rale.
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