Eine Karriere ohne Montageanleitung
Petre Ognjanovski ist Chef von Sentup. Dahinter verbirgt sich die Montagefirma, die sich jedes Billy-Regals und Malm-Betts des Möbelriesen Ikea annimmt, dessen Aufbau die Österreicher zeit- und nervenschonend lieber den Profis überlassen.
Irgendwann waren sehr viele Monteure krank“, beginnt Petre Ognjanovski die Geschichte seiner Karriere. Der gebürtige Mazedonier, der mit seinen Eltern im Kleinkindalter nach Österreich zog, hat eine Selfmade-Geschichte wie aus dem Lehrbuch vorzuweisen. Am Beginn führte der Zufall Regie: Ognjanovski, damals 17 und gerade mit seiner Lehre beim Buchhändler Morawa fertig, wurde von Bekannten angesprochen: Ob er bei ihrem Unternehmen, das die Montagen für den schwedischen Möbelriesen Ikea durchführt, aushelfen wolle? Er arbeitete an Reklamationen, im Kundenservice – ein klassischer Bürojob war das zu Anfang. Bis die Grippewelle unter den Monteuren der Firma grassierte. Und der 17-Jährige kurz entschlossen mit auf Montage fuhr. „Ich hatte null Ahnung davon“, erzählt er im Rückblick.
Alles dürfte er nicht falsch gemacht haben. Kurz vor seiner Einberufung ins Bundesheer kam Ikea direkt auf ihn zu: Ob er nicht Lust hätte, als selbstständiger Unternehmer für sie zu arbeiten? Er müsse sich aber sofort entscheiden. Was bedeutete: eine eigene Firma gründen – mit gerade 19 Jahren, ohne Erfahrung in Unternehmensführung, mit dem autodidaktisch erworbenen handwerklichen Geschick aus den zwei Jahren, in denen er mit auf Montage gefahren war.
Er tat es – nicht zuletzt, da seine Eltern darauf bestanden. „Auch wenn es nicht funktioniert, hast du es versucht“, bläuten sie ihm ein. Heute ist Ognjanovski Chef des Montage- und Lieferservices Sentup. Wenn sich Ikea-Kunden den Einbau ihrer Küche oder ihrer Billy-Wohnzimmerlandschaft nicht antun wollen, ist es mit Sicherheit einer seiner 150 Mitarbeiter oder einer von einem seiner Subunternehmer, der die Montage für sie vornimmt. Denn seit er mit Sentup 2008 die Ausschreibung des Möbelhauses gewann, das einen Partner für alle Montagearbeiten in ganz Österreich suchte, hat Ognjanovski das Monopol auf alle Küchen, Schränke und sonstigen schwedischen Möbel, deren Einbau nach Bastelanleitung den Österreichern zu mühsam ist. Gründung auf dem Truppenübungsplatz. 12.000 bis 14.000 sind es jährlich. Insgesamt führt sein Unternehmen mit den blau-schwarzen Lkw rund 40.000 Liefer- und Montagearbeiten in Österreich und den Nachbarländern durch. Etwa für Möbelhäuser wie das Stilwerk, Bettenreiter oder den Quelle-Versand. Doch vorerst zurück zum Beginn: Zwei Monate, bevor er eingezogen wurde, brachte er die Firmengründung unter Dach und Fach und schulte seine zwei ersten Mitarbeiter bestmöglich ein. „Während wir auf dem Feld marschieren mussten, telefonierte ich im Geheimen“, erinnert er sich mit einer gewissen nostalgischen Freude an den turbulenten Anfang. Aus der Ferne habe er delegiert und die ersten Aufträge an Land gezogen. Nach seiner Rückkehr war sein Team von zwei auf vier Mann angewachsen und er selbst noch mitten im Lernprozess.
In der Geschichte seines SelfmadeMontageimperiums folgte – wie in jedem guten Entwicklungsroman – der tiefe Fall. Mit seinem damaligen Unternehmen MOZ-Montagen legte Ognjanovski 2007 eine Pleite hin. „Man kriegt auf einmal die Chance, 20 Teams zu leiten, und denkt nicht daran, dass das auch finanziell sehr viel ist und sich wieder amortisieren muss“, sagt er. So stand er nach der Insolvenz seines rasant angewachsenen Betriebs plötzlich wieder vor dem Nichts. Zwei Monate sei er so gestanden, ohne zu wissen, was er tun solle. Der Dank, dass er es irgendwann wieder wusste, gebühre im Rückblick abermals seinen Eltern – aber auch seiner Frau und seinen Mitarbeitern, sagt der 28-Jährige.
„Ich treffe Entscheidungen sehr schnell und riskiere oft viel“, meint der Mann mit dem Dauerschmunzler über sich. Das kann wie 2007 zum tiefen Fall führen, wie 2008 mit Erringen der exklusiven Ikea-Partnerschaft aber auch wieder zum Aufstieg. Wahrscheinlich half dem Optimisten Ognjanovski auch seine verbindliche Art beim Wiedereinstieg in die Branche. „Man hilft sich gegenseitig immer aus – man darf andere nicht als Konkurrenz betrachten“, stellt er fest. Das sei zwar nicht unbedingt die landläufige Herangehensweise in seinem Beruf. Doch sie garantierte ihm, dass er 2007 nicht isoliert war. Als es an die Gründung von Sentup ging, konnte er seine bisherigen Geschäftspartner und alle Mitarbeiter mitnehmen. „Das ganze alte Team ist dort wieder zusammengekommen“, sagt er mit einem gewissen Stolz. Am liebsten erzählt er eine bestimmte Anekdote: Sein Drillmeister, den er mit 17 auf die allerersten Montageaufträge begleitete, ist heute einer seiner längstgedienten Sentup-Mitarbeiter. Australia, not Austria. Die Frage, ob er weiterwachsen wolle, beantwortet der Unermüdliche mit einem dezidierten „Ja“. Nach Kroatien habe Sentup bereits seine Fühler ausgestreckt – „dort hat es nicht funktioniert“, sagt Ognjanovski. „Es kann nicht immer funktionieren“, ergänzt er schlicht. Vor einem Jahr glückte dafür der Eintritt in einen Markt, der schon geografisch alles andere als naheliegt: Australien. Ein Männertrip hatte ihn auf die andere Seite der Erdkugel geführt. Dort hatte er eines Abends die Bekanntschaft zweier Brüder gemacht. Es stellte sich heraus, dass die beiden als Logistiker für die dortigen Ikea-Möbelhäuser arbeiteten. Über ein paar Flaschen Bier wurde der Pakt besiegelt: Sentup würde ausgerechnet im Tausende Kilometer entfernten Australien seine erste Dependance aufmachen.
Er und die zwei befreundeten Brüder sind heute jeweils Dritteleigentü- mer der in Sydney beheimateten Firma mit 35 Angestellten. In den nächsten Jahren wolle man kräftig weiterwachsen. Denn das Geschäft laufe gut, schließlich sei sein professionelles Montageservice für Ikea-Kunden in Australien eine Neuheit. Einziger Hemmschuh sei die Suche nach entsprechend professionellen Handwerkern. Sie seien dort genauso wie die Montageunternehmen nicht im Überfluss vorhanden. Also bringt man die Professionisten mit Arbeitsvisa selbst ins Land: „Momentan haben wir hier in Wien drei Leute in Ausbildung, die nach Australien ziehen wollen.“ Chefsache. Der Fokus liege trotz aller Expansionen aber immer auf dem österreichischen Markt, betont Ognjanovski beim Treffen in seiner 2009 bezogenen Unternehmenszentrale nahe dem Wiener Belvedere. Lang habe er nach dem passenden Büro gesucht. Im Hinterhof der Hohlweggasse 30 wurde er fündig. „Es war in sehr schlechtem Zustand und billig, weil wir alles auf eigene Faust repariert haben.“Manchmal kann es gelegen kommen, Chef einer Handwerkermannschaft zu sein.
Nichts deutet heute mehr auf die heruntergekommene Lagerhalle hin. Die rohen Ziegelwände dienen nun als Stilelement. Ognjanovskis Hobby, muss man wissen, ist Interior Design. Schon ein Blick in sein farblich durchkomponiertes Büro mit den selbst entworfenen Lampen verrät die Vorliebe des Chefs. Mit der Zeit wurde aus dem Hobby eine zusätzliche Geschäftslinie. Er nimmt nur einen Auftrag auf einmal an. Den Luxus kann er sich leisten, die Projekte finden ihn durch die Mundpropaganda seiner Stammkunden. Manchmal ist es eine Küche, manchmal richtet er ganze Zweitwohnungen in Berlin ein. Auch die Inneneinrichtung des neuen Finanzamts in Wien Mitte geht auf die Rechnung von Sentup. Oft denke er sich im Zuge von Aufträgen in den Wiener Altbauten: „Hier will ich gern wohnen.“Das Finanzamt dürfte da nicht unbedingt dazugezählt haben.
Was seinen Betrieb von klassischen Spediteuren unterscheide? Sie, betont Ognjanovski, seien Transportunternehmer, die zusätzlich auch die Montagen vor Ort durchführten. „Wir kommen von der anderen Seite.“Zuallererst seien seine Mitarbeiter gelernte Installateure, Tischler oder Elektriker. Erst an zweiter Stelle komme der Serviceteil der Lieferung. „Für Montagen
»Während wir auf dem Feld marschieren mussten, telefonierte ich im Geheimen.« »Ich treffe Entscheidungen sehr schnell und riskiere oft viel.« »Für Montagen brauchst du Professionisten, für Transporte nur zwei, drei starke Jungs.«
brauchst du Professionisten, für den Transport nur zwei, drei starke Jungs, die schleppen können – das ist unser Vorteil“, sagt Ognjanovski mit Überzeugung in der Stimme.
Ähnlich wird er wohl gegenüber seinen Geschäftspartnern beim schwedischen Möbelhaus argumentieren. Ikea soll in absehbarer Zukunft die ausgelagerten Serviceleistungen Lieferung und Montage, die bisher an verschiedene Firmen vergeben wurden, bei einem Partner für ganz Österreich bündeln wollen. „Dann sind wir in den Startlöchern und werden unser Bestes geben“, sagt Ognjanovski. Es könnte der Tag kommen, an dem er seinen blau-schwarzen Lkw-Fuhrpark beträchtlich wird erweitern müssen.