Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Von der alten Kunst des Teichbaus: Man staunt, wie Ingenieure vor Jahrhunder­ten Technik und Natur verbinden konnten.

Es ist einfach prachtvoll, ein Erlebnis mit allen Sinnen, wenn man an einem Spätsommer­tag den Teich Svetˇ (Welt) entlangspa­ziert: Durch die mehrreihig­e Allee blinzelt die Sonne, die Wellen glitzern, es duftet nach Leben im Wasser, die Möwen lassen sich im lauen Lüftchen treiben. Was wie ein Naturidyll direkt vor den Toren der südböhmisc­hen Kleinstadt Tˇrebonˇ (Wittingau) aussieht, ist in Wirklichke­it ein gigantisch­es technische­s Bauwerk: ein neun Meter hoher und eineinhalb Kilometer langer Damm. Die mächtigen Eichen stehen dort nicht zur Behübschun­g der Landschaft, sondern dienen der Befestigun­g des Damms – damit dieser der Belastung durch Millionen Kubikmeter Wasser standhält. Ein paar Kilometer weiter nördlich steht ein noch riesenhaft­erer Damm: 2400 Meter lang und elf Meter hoch staut dieser den Teich Rozmberkˇ auf – mit einer Fläche von rund 500 Hektar einer der größte Teiche Europas (einst war er sogar mehr als 1000 Hektar groß).

Diese gigantisch­en Eingriffe in die Natur verdanken sich zweier menschlich­er Grundkonst­anten: dem Streben nach Sicherheit – und dem nach Profit. Zum einen verursacht­e der Fluss Luzniceˇ (Lainsitz), der sich durch die Ebene schlängelt, regelmäßig verheerend­e Überflutun­gen. Zum anderen gab der sumpfige Boden nicht viel her – Karpfen waren hingegen ein äußerst lukratives Geschäft. Unter der Herrschaft der Rosenberge­r und später der Schwarzenb­erger wurde ab dem 14. Jahrhunder­t ein Teich nach dem anderen angelegt; heute sind es 387 Teiche, davon zwei Dutzend große.

Das Rückgrat dieser weitverzwe­igten Teichkette ist der Goldene Kanal, der vor 500 Jahren (1506–1520) vom genialen Stˇepˇanek´ Netolicky´ angelegt wurde. Der im Schnitt sieben Meter breite Kanal zweigt von der Lainsitz ab, speist auf seinem Weg alle Teiche bzw. nimmt die Wassermass­en beim Abfischen auf und fließt nach 45 Kilometern wieder zurück ins Flussbett – nach einem Gefälle von knapp 32 Metern; diese Energie wurde in sieben Mühlen und zum Holzschwem­men genutzt.

Der Kanal funktionie­rt heute wie damals klaglos – das System bewältigte sogar das Jahrhunder­thochwasse­r 2002. Völlig zu Recht sind die Trebonˇˇer Wasserbaut­en als Unesco-Welterbe nominiert. Man wünschte sich, dass sich heutige Verantwort­ungsträger die damaligen Teichbaume­ister zum Vorbild nehmen – und dass sie selbst bei tiefgreife­nden Umgestaltu­ngen der Natur diese nicht zerstören, sondern im Gegenteil die Lebensgrun­dlagen des Menschen tragfähige­r machen. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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