Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Von der alten Kunst des Teichbaus: Man staunt, wie Ingenieure vor Jahrhunderten Technik und Natur verbinden konnten.
Es ist einfach prachtvoll, ein Erlebnis mit allen Sinnen, wenn man an einem Spätsommertag den Teich Svetˇ (Welt) entlangspaziert: Durch die mehrreihige Allee blinzelt die Sonne, die Wellen glitzern, es duftet nach Leben im Wasser, die Möwen lassen sich im lauen Lüftchen treiben. Was wie ein Naturidyll direkt vor den Toren der südböhmischen Kleinstadt Tˇrebonˇ (Wittingau) aussieht, ist in Wirklichkeit ein gigantisches technisches Bauwerk: ein neun Meter hoher und eineinhalb Kilometer langer Damm. Die mächtigen Eichen stehen dort nicht zur Behübschung der Landschaft, sondern dienen der Befestigung des Damms – damit dieser der Belastung durch Millionen Kubikmeter Wasser standhält. Ein paar Kilometer weiter nördlich steht ein noch riesenhafterer Damm: 2400 Meter lang und elf Meter hoch staut dieser den Teich Rozmberkˇ auf – mit einer Fläche von rund 500 Hektar einer der größte Teiche Europas (einst war er sogar mehr als 1000 Hektar groß).
Diese gigantischen Eingriffe in die Natur verdanken sich zweier menschlicher Grundkonstanten: dem Streben nach Sicherheit – und dem nach Profit. Zum einen verursachte der Fluss Luzniceˇ (Lainsitz), der sich durch die Ebene schlängelt, regelmäßig verheerende Überflutungen. Zum anderen gab der sumpfige Boden nicht viel her – Karpfen waren hingegen ein äußerst lukratives Geschäft. Unter der Herrschaft der Rosenberger und später der Schwarzenberger wurde ab dem 14. Jahrhundert ein Teich nach dem anderen angelegt; heute sind es 387 Teiche, davon zwei Dutzend große.
Das Rückgrat dieser weitverzweigten Teichkette ist der Goldene Kanal, der vor 500 Jahren (1506–1520) vom genialen Stˇepˇanek´ Netolicky´ angelegt wurde. Der im Schnitt sieben Meter breite Kanal zweigt von der Lainsitz ab, speist auf seinem Weg alle Teiche bzw. nimmt die Wassermassen beim Abfischen auf und fließt nach 45 Kilometern wieder zurück ins Flussbett – nach einem Gefälle von knapp 32 Metern; diese Energie wurde in sieben Mühlen und zum Holzschwemmen genutzt.
Der Kanal funktioniert heute wie damals klaglos – das System bewältigte sogar das Jahrhunderthochwasser 2002. Völlig zu Recht sind die Trebonˇˇer Wasserbauten als Unesco-Welterbe nominiert. Man wünschte sich, dass sich heutige Verantwortungsträger die damaligen Teichbaumeister zum Vorbild nehmen – und dass sie selbst bei tiefgreifenden Umgestaltungen der Natur diese nicht zerstören, sondern im Gegenteil die Lebensgrundlagen des Menschen tragfähiger machen. Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.