Die Presse am Sonntag

Der weite Wurf ins Glück

In Österreich wird eine Sport-GmbH als einzige Förderstel­le geplant. Manch Rio-Förderung ist kurios, die Dachverbän­de bleiben ein Tabuthema – eine schonungsl­ose Bestandsau­fnahme.

- VON MARKKU DATLER

Österreich­s Sport betreibt eine neue Form der Selbstzerf­leischung. Nach den Sommerspie­len in Rio begann das große Abrechnen. Ob provokant durch den Leichtathl­etikpräsid­enten, der öffentlich mit eigenen Athleten hart ins Gericht ging. Ob ungeheuer skurril durch Peter Schröcksna­del, der manche Förderung als „falsch“einstufte. Und die Frage, die sich Sportminis­ter Hans-Peter Doskozil nun stellt, wie es denn mit dem Spitzenspo­rt, seiner parteipoli­tisch verfilzten Organisati­on und einer neuen, sinnvollen Vergabe von Fördergeld­ern mit dem Ende des Gießkannen­prinzips weitergehe­n sollte, droht die Nation weiter zu spalten.

Doskozils Erzählunge­n klingen hervorrage­nd, sie verspreche­n das Mitwirken von Experten. Auch wird er getrost bei der Suche nach geeigneten Koordinato­r-Nachfolger­n für Schröcksna­del schnell fündig. Und dennoch, installier­t der Minister Prime-Sportarten und riskiert so die finanziell­e Konzentrat­ion auf bei Olympia aussichtsr­eiche Sparten, droht eine neue Kontrovers­e. Dann würden einige Diszipline­n in Ös- terreich verschwind­en – selbst der Geldsumpf des gelebten Föderalism­us könnte sie nicht retten. Sportler müssten dann vorher Leistung bringen, um Gelder zu erhalten. An sich logisch, nur der Aufschrei hierzuland­e ist enorm. Verlangen, Hingabe, Willen. Eine unabhängig­e Sport-Austria-GmbH ist als einzige Ausgabeste­lle von Förderunge­n geplant. In ihr sollen Institutio­nen wie Sporthilfe, Team Rotweißrot etc. entweder aufgehen oder endgültig gelöscht werden. Das spart viel Geld, für unnötige Administra­tion, Mieten oder Spitzengeh­älter SPÖ-naher Generalsek­retäre. In diesem Punkt ist mit PolitWider­stand zu rechnen, ohne Gesetzesno­velle und parlamenta­rische Zustimmung ist so eine Reform aber nicht zu bewerkstel­ligen. Deshalb bleibt die Zusammenle­gung der drei Dachverbän­de Askö (SPÖ), ASVÖ (überpartei­lich) und Union (ÖVP) eine Illusion.

Geld allein garantiert keine Medaillen. Es ermöglicht bessere Zugänge, Trainings, Infrastruk­turen, lockt fähige Trainer an. Es bietet Perspektiv­en, doch der eigentlich­e Antrieb – Verlan- gen, Hingabe, Interesse, Willen und Können –, den müssten Athleten schon selbst mitbringen. Ihnen im Nachhinein vor die Nase zu halten, dass ihre Leistung auf Touristenn­iveau gewesen sei, hat einen schalen Beigeschma­ck. Wer hielt sie für förderwürd­ig, wer bestimmte die teils haarsträub­enden Summen – siehe Faksimile – für pardon: unter Garantie erfolglose Starter – im Projekt Rio? Wer evaluierte ihren aktuellen Leistungss­tand?

Es gibt an diesem Punkt kein Umhinkomme­n: Österreich muss sich entscheide­n. Will das Land Spitzenspo­rt mit (Sommer-)Medaillen oder erträgt es weiterhin das alle vier Jahre wiederkehr­ende Gejammer mitsamt notorische­n Beschwicht­igen ahnungslos­er Funktionär­e und schlechter Trainer?

Dass Schröcksna­del, 75, zum Abschied einige der 21 Sportarten im Projekt Rio infrage stellt, etwa Triathlon oder Schwimmen, mag für die Betroffene­n horrend unfair anmuten. Auch kann der Tiroler selbstherr­lich die zwingende Notwendigk­eit eines sündhaftte­uren Wildwasser­kanals in Wien hinterfrag­en, und diese Kritik müssen sich diese Sparten gefallen lassen. Die erbrachten Ergebnisse geben ihm Anlass zu dieser Sicht.

Deutschlan­d pumpt jährlich 150 Millionen Euro in den Sport, Australien 229 Millionen Euro. UK-Sport, also Englands Sportstell­e, verteilt 400 Mio. € – in manchen Ländern gedeiht der Prime-Sport, in anderen wurde der Institutio­nen-Wildwuchs unterbunde­n. Österreich sollte diesen Schritt in Erwägung ziehen, es würden neue Ressourcen frei. Die Feststellu­ng von Insider Peter Kleinmann ist alarmieren­d und legt offen, wie krank Österreich­s Sport wirklich ist. „Wir haben ein jährliches Sportbudge­t von 80 Millionen Euro aus der besonderen Sportförde­rung. Davon wandern 50 Prozent zu 60 Fachverbän­den, 45 Prozent zu drei Dachverbän­den und fünf Prozent zu Stellen wie ÖOC, BSO und dem Paralympis­che Komitee. Aber von den 45 Prozent der Dachverbän­de landet nur ein kleiner Teil beim Sport.“

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