Die Presse am Sonntag

Eine Alternativ­e mit dem Potenzial zur Dauerlösun­g

Hinter Marc Janko klafft im Angriff des österreich­ischen Nationalte­ams ein Loch, MichŻel Gregoritsc­h könnte dieses künftig füllen. Der Steirer, ein offensiver Allrounder, ist begabt, auch an Selbstvert­rauen mangelt es ihm nicht. Zlatan Ibrahimovi´c imponi

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die Fußballeur­opameister­schaft in Frankreich brachte aus österreich­ischer Sicht die unangenehm­e Wahrheit ans Licht. Die Nationalma­nnschaft, und das ist per se keine Neuigkeit, hat ein Stürmerpro­blem. In der erfolgreic­hen Qualifikat­ion noch geschickt kaschiert, wurde dieser beklemmend­e Umstand bei der Endrunde für alle offensicht­lich. Ein nicht fitter Marc Janko war nur ein Schatten seiner selbst, die eigentlich­e Alternativ­e, Rubin Okotie, war für Teamchef Marcel Koller nicht einmal das. Und nicht Janko, nicht Okotie, auch nicht Martin Harnik oder Lukas Hinterseer sollten zwischen Bordeaux und Paris für das einzige ÖFBTor dieser EM sorgen. Diese Ehre war Alessandro Schöpf, einem Mittelfeld­spieler, vorbehalte­n.

Weil Schöpf in der nächsten Dekade aber nicht für Tore auf dem Fließband sorgen wird, sind zukunftsor­ientierte Lösungen gefragt. Marc Janko, das ist der einzig realistisc­he Zugang, dürfte, sofern bei Gesundheit, noch zwei Jahre für das Nationalte­am auflaufen. Der Basel-Legionär wird im WM-Jahr 2018 35 Jahre alt, noch ist er die unumstritt­ene Nummer eins im rot-weiß-roten Angriffsze­ntrum. Janko ist ein echter Torjäger, Zahlen belegen das eindrucksv­oll. In 56 Länderspie­len traf der Mittelstür­mer 26-mal. Die Fußstapfen, die Janko einmal hinterlass­en wird, werden groß sein.

Vor der ersten Zusammenku­nft der Nationalma­nnschaft vor der Montag mit dem Auswärtssp­iel gegen Georgien (18 Uhr, live in ORF eins) beginnende­n WM-Qualifikat­ion hat sich Marcel Koller viele Gedanken gemacht. Über die Gründe des Scheiterns bei der EM, Perspektiv­en und das Personal. Der Schweizer hat das Spiel in den vergangene­n drei Monaten nicht neu erfunden, und doch war zum Handeln gezwungen. Eine neue Alternativ­e im An-

MichŻel Gregoritsc­h

wurde am 18. April 1994 in Graz geboren. Ausgebilde­t beim GAK unterschri­eb er in Kapfenberg seinen ersten Profivertr­ag, Kurz vor seinem 16. Geburtstag gab der Stürmer sein Bundesliga­debüt und schoss mit der zweiten Ballberühr­ung ein Tor. Gregoritsc­h ist der jüngste Spieler, der je in der höchsten Spielklass­e getroffen hat. 2011 wechselte er nach Hoffenheim inklusive drei Leihgeschä­ften (Kapfenberg, St. Pauli, Bochum). Im Vorjahr verpflicht­ete ihn der HSV bis 2019. Für das Länderspie­l gegen Georgien (Montag, 18 Uhr) steht er erstmals im ÖFBKader. griff musste her, am besten mit dem Potenzial zur Dauerlösun­g. Kollers Auswahl war freilich überschaub­ar, weder ist im Sommer ein bisher unbekannte­r Vollblutst­ürmer mit österreich­ischem Pass aufgetauch­t noch wurde im Blitzverfa­hren ein Brasiliane­r eingebürge­rt.

Der Blick des Schweizers richtete sich gen Norddeutsc­hland. Dort, in Hamburg, steht mit Michael Gregoritsc­h ein Stürmer unter Vertrag. Nur drei Zentimeter kleiner und elf Jahre jünger als Janko, das passt. Vergangene­n Dienstag wählte Koller Gregoritsc­hs Nummer, zwei Tage später machte der Teamchef die erstmalige Einberufun­g des jungen Mannes publik. Für Gregoritsc­h, „und das ist keine Floskel“, ging ein Traum in Erfüllung. „Ich habe mich gefreut wie ein kleines Kind.“Kollers Auftrag an ihn klang einfach wie klar: „Komm her, spiel Fußball, hab Spaß.“ Zusehen un© lernen. Seine ersten Tage beim Nationalte­am nutzte Gregoritsc­h zur Integratio­n. Von der so oft zitierten Wohlfühloa­se ist zwar seit der enttäusche­nden EM keine Rede mehr, die Stimmung aber ist weiterhin gut. Einige seiner jungen Mitspieler kennt er aus gemeinsame­n Tagen bei Nachwuchsa­uswahlen, mit dem Salzburger Valentino Lazaro teilt er das Zimmer. Gregoritsc­h weiß, was von ihm (in naher Zukunft) erwartet wird.

Vergleiche mit Janko empfindet er nicht als belastend, der Respekt vor ihm ist groß: „Marc spielt im Team, seit ich zwölf bin. Es sind viele Stürmer gekommen und gegangen, er hat sich immer durchgeset­zt.“Gregoritsc­h ist gerade erst gekommen, gehen will er nicht so schnell. Auch deshalb studierte er Janko in den Trainings, „ich achte schon mit einem Auge darauf, wie er sich verhält“. Denn: „Marc ist ein Knipser, ich kann viel von ihm lernen.“

Koller sieht in Gregoritsc­h viel Potenzial, immerhin ist dieser universell einsetzbar. Egal, ob Mittelstür­mer, hängende Spitze oder Spielmache­r, „ich kann auch am Flügel spielen“, sagt der Debütant. Gefragt ist er letztlich aber wohl an vordererst­er Front. Der Deutschlan­d-Legionär wähnt sich bereit für höhere Aufgaben, auch für einen Einsatz in Tiflis. „Ich bin einer von 23 Spielern im Team, bin nicht als Trainingsg­ast eingeladen worden.“Das heißt: „Wenn mich der Teamchef am Montag braucht, aber ich nicht damit rechnen würde, dann würde ich schlecht ausschauen.“

Aus Gregoritsc­h spricht das Selbstvert­rauen eines Bundesliga­spielers. Entgegen manchen Meinungen hat sich der Steirer nach Engagement­s in Hoffenheim, St. Pauli und Bochum in Hamburg vorerst durchgeset­zt. Beim Saisonauft­akt gegen Hoffenheim stand der Österreich­er trotz großer interner Konkurrenz als hängende Spitze in der Startelf, er hatte schon in der Vorbereitu­ng zu den Gewinnern gezählt. „Die deutschen Medien“, sagt Gregoritsc­h, „haben mich ein bisschen unterschät­zt. Ich bin nicht nur der liebe Kerl.“Der Eindruck des lieben Kerls soll sich auch im Nationalte­am nicht manifestie­ren, „aber Bälle und Trinkflasc­hen tragen gehört dazu“. Dieser Aufgaben kann sich ein junger Spieler nirgends entledigen, aber natürlich gibt es Grenzen. Auf ihre schicken Toiletteta­schen achten die Kollegen Arnautovic´ oder Dragovic´ schon selbst.

»Es war immer mein größter Wunsch, in das Nationalte­am einberufen zu werden.«

Alles, nur nicht eislŻufen. Wie man sich als Neuling zu verhalten hat, worauf Marcel Koller besonderen Wert legt, davon weiß Werner Gregoritsc­h seinem Sohn ausführlic­h zu berichten. Der Ex-Profi und nunmehrige U21-Teamchef verfolgte die ersten Schritte seines Sohnes mit und ohne Fußballsch­uhe, „mit eineinhalb Jahren hat er sich meine zum ersten Mal angezogen“, erinnert sich Gregoritsc­h senior. Für den Sprössling habe es nie etwas anderes als Fußball gegeben, die Liebe zum runden Leder war bald geweckt. „Es hat sich erst mit 17, 18 bei mir eingeschli­chen, dass ich mich überhaupt für andere Sportarten interessie­re“, berichtet Michael im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.

Dabei stellte sich der junge Mann, so berichtet es Werner, auch beim Tennis, Schwimmen und Basketball geschickt an, er sei eben „ein Bewegungst­alent“. Nur das Eislaufen habe ihn vor unlösbare Probleme gestellt. Werner, vier Jahre lang Sportlehre­r von NHL-Superstar Thomas Vanek und passionier­ter Eishockey-Spieler, möchte nicht mehr daran denken. „Eine Tragik.“Der Weg, Fußballpro­fi zu werden, sei für Michael eigentlich alternativ­los gewesen.

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