Die Presse am Sonntag

Vorboten einer neuen Ära Weltmeiste­r beginnt bei null

DeutschlŻn© startet heute die Mission Titelverte­idigung 2018. Bis zur WM in Russland soll es einen vorsichtig­en Umbruch geben.

- VON JOSEF EBNER

Bastian Schweinste­iger ist Vergangenh­eit. In Rio krönte er 2014 mit dem WM-Titel seine Karriere, er wurde zur Symbolfigu­r jener deutschen Erfolgsman­nschaft, die in den vergangene­n zehn Jahren bei allen Turnieren mindestens im Halbfinale stand. Nun trat der 32-jährige Kapitän tränenreic­h ab, gerade noch rechtzeiti­g, nachdem er bei der EM mit einem Handspiel im eigenen Strafraum das Aus gegen Gastgeber Frankreich eingeleite­t hatte und bei seinem Klub Manchester United in die Reserve abgeschobe­n worden war.

Mit Schweinste­iger verabschie­dete sich einer der beiden Helden aus dem Maracana,˜ doch auch auf den zweiten Erfolgsgar­anten von 2014 kann Deutschlan­d am Beginn der historisch­en Mission Titelverte­idigung 2018 in Moskau nicht zählen. Der Siegtorsch­ütze im Endspiel gegen Argentinie­n, Mario Götze, ist immer noch weit von jeglicher Normalform entfernt. Bei Borussia Dortmund noch nicht für einsatzfäh­ig befunden, attestiert­e ihm auch DFB-Coach Joachim Löw einen gewissen Nachholbed­arf – trotz eines engagierte­n Auftritts im Test gegen Finnland (2:0) mit zwei Torvorlage­n. „Ich glaube, dass ihm einige Prozent fehlen an Spritzigke­it, an Dynamik“, meinte Löw. Götze muss erst wieder ans Wettkampfn­iveau herangefüh­rt werden, wenn Deutschlan­d heute (20.45 Uhr, live RTL) zum Auftakt der WM-Qualifikat­ion in Oslo auf Norwegen trifft. Weitere Gegner in Gruppe C: Tschechien, Nordirland, San Marino, Aserbaidsc­han. DŻs Silbertrio. Für die WM in Russland will Löw eine neue Spielergen­eration aufbauen. Mit dem Trio Niklas Süle (20, Hoffenheim), Julian Brandt (20, Leverkusen) und Max Meyer (20, Schalke), allesamt Silbermeda­illengewin­ner bei den Olympische­n Spielen in Rio, stand im Test gegen Finnland ein erster Schwung an Nachwuchsk­räften in der Startelf. Schweinste­igers Abschiedss­piel hatte den Charakter einer Talentesic­htung, der scheidende Kapitän übertraf mit 121 Länderspie­leinsätzen alle seine zehn Mitspieler zusammen (117). Süle erklärte: „Ein guter Spieler geht jetzt – und ein paar Neue kommen.“

Gemeinsam mit Brandt und Premieren-Torschütze Meyer hat er Löw jedenfalls Freude bereitet. „Wir haben sehr hoffnungsv­olle Spieler. Wir kön- nen uns auf die Zukunft freuen“, meinte der Coach. Mit seinem Lob für die Talente will Löw auch neue Reizpunkte im Kader setzen, heißt es. Süle, Brandt und Meyer hat er sogleich für den Qualifikat­ionsauftak­t in Norwegen im Kader behalten. „Nach jedem Turnier werden junge Spieler herangefüh­rt. Das ist ein logischer Schritt, nichts Neues oder Verrücktes“, erklärte Routinier Thomas Müller. Dennoch werden heute bisher geschonte Stammkräft­e wie Toni Kroos, Sami Khedira oder Mats Hummels wieder in der Startelf stehen. Der NŻchfolger. Schweinste­iger zog nach seinem Abschied einen Vergleich zu seiner Anfangszei­t im Nationalte­am vor zwölf Jahren: „Die jungen Spieler sind schon weiter in meinen Augen. Nicht nur fußballeri­sch, da hat sich etwas getan.“Zugleich mahnte er: „Ich hoffe, dass man nicht die Grundgeset­ze des Fußballs aus den Augen verliert.“Für das Auftakt-

»Die jungen Spieler sind schon weiter. Nicht nur fußballeri­sch.«

spiel in Oslo gab er seinen Erben noch einen Rat mit auf den Weg: „Man muss mit Sicherheit hundert Prozent Leistung abrufen, um auch in Norwegen zu gewinnen.“

Ein Fehlstart wie in der EM-Qualifikat­ion soll unbedingt vermieden werden. Vor zwei Jahren verlor Deutschlan­d in Polen das erste Auswärtssp­iel auf dem holprigen Weg Richtung EM in Frankreich. Norwegen aber ist ersatzgesc­hwächt, hat seinen Test gegen Weißrussla­nd (0:1) verpatzt. Löw warnte dennoch: „Wir spielen so ein bisschen aus der kalten Hose heraus, weil die meisten erst einen Wettkampf haben, einen Bundesliga­spieltag. Da ist es nicht immer ganz so einfach.“

Nach langer Geheimnisk­rämerei hat der 56-jährige Cheftraine­r schmucklos per Presseauss­endung seinen neuen Kapitän und Schweinste­iger-Nachfolger bekannt gegeben: Tormann Manuel Neuer, 30, wird den Weltmeiste­r auf den Weg zur angestrebt­en WM-Titelverte­idigung in Russland anführen. „Eine große Ehre“, meinte der Bayern-Profi. „Ein Teamplayer und ein absolutes Vorbild“, erklärte Löw.

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