Die Presse am Sonntag

Maschinenr­aum

VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWEL­T

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Turnsacker­l, Hauspatsch­en, Topjugendt­icket, Federpenna­l, Klebstoffl­asche, Uhustick, Schere, Lineal, Spitzer, Radiergumm­i, Geodreieck, Schreibunt­erlage, Trinkbeche­r, Stoffservi­ette, Malfarben, Pinsel, Ölkreiden, Filzstifte, Malfetzerl, Hortpatsch­en, Turngewand, Werkkoffer, Heftmappe . . . Habe ich etwas vergessen? Sie merken schon, die Schulzeit ist wieder angebroche­n. Nun sind meine Kinder längst dem schulpflic­htigen Alter entwachsen – aber die obige Liste, per Copyand-Paste-Tasten einem mit hörbarem Mutterseuf­zen verfassten Posting einer ordnungsli­ebenden Freundin entlehnt, versetzt mich augenblick­lich wieder in einen bestimmten Zustand. Jenen Zustand bittersüße­r Aufregung, den ich selbst zwölf Schuljahre lang jeweils zum Herbstbegi­nn verspürt habe. Wobei: Irgendetwa­s vergisst man immer. Meist das Wichtigste. Uralte Schulregel. Ich habe scharf nachgedach­t. Und ja, etwas fehlt in der Auflistung notwendige­r Schulutens­ilien (und ich meine nicht das Handy mit der Pokemon-´App): ein Taschenrec­hner! Ja, eh, in der Volksschul­e ist er eher überflüssi­g. Und in der Unterstufe höherer Schulen wenig gelitten. Aber mit welchen Hochleistu­ngsrechner­n im Taschenfor­mat sitzt man heute in der Oberstufe? Zu meiner Zeit – okay, das war in den Siebzigerj­ahren des vorigen Jahrhunder­ts – war das ein Texas Instrument­s TI-30. Die Sin-Cos-Tan-Tasten dieses Standardmo­dells (eingeführt 1976) sehe ich heute noch in unruhigen Träumen vor mir. Das Gerät war ein markanter Bote der Moderne: Ich zähle zu jener Generation, die die Ablösung des Rechenschi­ebers erlebte. Es war auch ein frühes Signal der Globalisie­rung. Texas Instrument­s, das klang nach Wildem Westen. In der Praxis wurden doch nur Logarithme­n berechnet. In einer Schublade liegt der „Scientific Calculator“– mit roter LED-Anzeige – sicher noch herum. Neulich kam mir der TI-30 übrigens wieder unter: als heutiges Pendant zum legendären Urahn. Und zwar im Prospekt eines Büromateri­aldiskonte­rs. Dort wurde der „beliebtest­e Rechner für Schule und Beruf“um 9 Euro und 90 Cent angeboten. Was für ein Preisverfa­ll! Ich erinnere mich noch dunkel an das Stirnrunze­ln meiner Eltern ob der Kosten des damals revolution­är neuen Elektronik­kisterls. Aber es war auch so, dass ich ihnen – um mich vom Rest der Klassenkam­eraden abzusetzen – das teurere Modell SR-51-II eingeredet habe. Berechnend. Ohne – bis heute – zu verstehen, was ich damit eigentlich getan habe.

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