Stumm nach dem Krieg
»Schnell, dein Leben« ist ein virtuoser Roman über eine Ehe in der gesellschaftlichen Enge der frühen 1960er, der das deutsch-französische Verhältnis reflektiert. Fünf Romane hat die aus Frankreich stammende und in deutscher Sprache schreibende Autorin Sylvie Schenk im Wiener Picus-Verlag veröffentlicht, ihr neues Buch, „Schnell, dein Leben“, wurde nun bei Hanser publiziert. Schenk versteht es meisterhaft, die Dilemmata des ganz normalen Lebens zu schildern, und sie hat dafür einen bemerkenswerten Ton gefunden.
Ihr neuer Roman, der auf knappen 159 Seiten ein Frauenleben ausleuchtet, hat autobiografische Anklänge. Es ist in seiner Knappheit ein sehr dichtes und berührendes Buch, dessen Lektüre ausdrücklich empfohlen sei.
Louise wächst in den französischen Alpen auf und kann erst in Lyon, wo sie Literatur studiert, der familiären Enge und der Autorität des Vaters entfliehen. In einem Jazzcafe´ lernt sie eine Gruppe junger Leute kennen, darunter Johann, einen deutschen Austauschstudenten, den sie später heiraten und zu ihm nach Westdeutschland ziehen wird. Die fremde Umgebung wird zu Louises täglicher Prüfung.
Sylvie Schenk gelingt es, viel Zeitkolorit in der vertraulichen, teilweise atemlosen Schilderung zu transportieren: die Wiederannäherung zwischen Frankreich und Deutschland durch Adenauer und de Gaulle, die verkappte Moral der Gesellschaft und das unhinterfragte Ideal der lebenslangen Ehe. Und nicht zuletzt die Sprachlosigkeit in den Familien und das Vergessenwollen des Krieges und der Nazi-Verbrechen. Ein früherer Liebhaber Louises deckt schließlich ein Geheimnis von Johanns Familie auf – und erschüttert die gepflegte Normalität des Paares. som Sylvie Schenk: „Schnell, dein Leben“, Hanser, 159 S., 16,50 Euro.