Die Presse am Sonntag

Freie Nachmittag­e und unbedingt ein Herr Lehrer

Katharina Hejze wird ab Montag in die Schule ums Eck gehen. Ein hoher Migrantena­nteil schreckt die Eltern nicht ab.

- J.N.

Ganztagssc­hulen sind im Trend – aber so gar nicht nach dem Geschmack von Daria (41) und Thomas Hejze (46). Die beiden haben für ihre Tochter, Katharina, bewusst eine Halbtagssc­hule, die täglich spätestens um 13 Uhr endet, gewählt. Den Nachmittag soll Katharina nämlich lieber mit ihren Omas oder ihrer Mutter verbringen. „Eine Halbtagssc­hule im Umkreis zu finden ist gar nicht mehr so einfach. Unsere ist mittlerwei­le schon eine der wenigen“, sagt Daria Hejze.

Mit „unserer“Schule meint Hejze die Volksschul­e Prandaugas­se im 22. Wiener Gemeindebe­zirk. Katharina wird diese klassische öffentlich­e Volksschul­e, also quasi die Schule ums Eck, ab morgen, Montag, besuchen. Für die Sechsjähri­ge selbst war die Schulwahl einfach: „Da, wo mein Bruder hingeht, da gehe ich auch hin“, stand für sie fest. Für ihre Eltern war das kein Automatism­us – auch wenn die Suche nach der richtigen Volksschul­e beim dritten Kind natürlich einfacher, ja fast Routine, gewesen sei. „Beim ersten Kind ist die Schulsuche etwas ganz Aufregende­s. Da überlegt man sich 100.000 Sachen“, sagt Daria Hejze, die selbst als Chemielehr­erin an einer berufsbild­enden Privatschu­le unterricht­et. Beim dritten Kind hätten sie und ihr Mann, ein Chemieinge­nieur, aber schon ganz genau gewusst, was sie wollen: nämlich vor allem eine passende Lehrperson für ihre Tochter. Das ist in Katharinas Fall keine Lehrerin, sondern ein „Herr Lehrer“. „Männer unterricht­en anders als Frauen, sie sind in gewissen Bereichen dynamische­r und risikofreu­diger. Sie neigen dazu, forscher zu fordern.“Das gefällt den Hejzes. Außerdem werde Katharina in ihrer Schullaufb­ahn ohnehin „noch genug Lehrerinne­n haben“.

Auf eine bestimmte pädagogisc­he Richtung hat sich Hejze nicht festgelegt: „Es ist nicht wichtig, ob ein Lehrer frontal unterricht­et oder sich Montessori verschreib­t. Hauptsache, die Lehrperson steht dahinter.“Alles andere würden Kinder schnell durchschau­en. „Elitetouch muss nicht sein.“Obwohl Daria Hejze selbst in einer Privatschu­le unterricht­et, hat sie bei ihren Kindern auf das öffentlich­e Schulwesen vertraut. „Die öffentlich­en Schulen haben meine Erwartunge­n einfach besser erfüllt.“Eine stadtbekan­nte Eliteschul­e sei sowieso nicht infrage gekommen. „Der Elitetouch muss nicht sein.“Außerdem sei so etwas auch eine finanziell­e Frage. „Wenn du das einem Kind bietest, dann solltest du es auch den anderen ermögliche­n. Das muss man sich erst einmal leisten können“, sagt Hejze.

Dass in der öffentlich­en Volksschul­e in Wien Schüler aus den unterschie­dlichsten Ländern und sozialen Milieus aufeinande­rtreffen, stört Hejze nicht. „Ich habe bei meinem älteren Sohn, dessen Schule sich in einer Gegend mit vielen Sozialbaut­en befand, nicht den Eindruck gehabt, dass er gelitten hätte.“Im Gegenteil: „In einer multikultu­rellen Gesellscha­ft ist es kein Nachteil, die Erfahrung gemacht zu haben.“Außerdem sei in solchen Schulen vieles entspannte­r: „Hier gibt es den Druck, bestimmtes Spielzeug oder Gewand zu besitzen, glückliche­rweise nicht.“

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