»Ich bin die Swinglegende«
Viele kennen nur seine spaßigen Schlager. Doch Bill Ramsey ist auch ein subtiler Jazzsänger. Mit der »Presse am Sonntag« sprach er über Helene Fischer, Klamauk und Donald Trump.
Bill Ramsey aus Cincinnati kam mit 20 Jahren als Soldat nach Frankfurt. Eher zufällig begann er, lustige Schlager zu interpretieren: Mit Liedern wie „Pigalle“und „Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer“ließ er die Deutschen von Internationalität träumen. Der Gaudibursche mit dem amerikanischen Akzent, der in zahllosen Komödien, etwa von Franz Antel, spielte, hatte aber auch eine attraktive Schattenseite, die sich in seinem an Joe Williams und Mel Torme´ geschulten Jazzgesang zeigte. Heute 85-jährig, gastiert er immer noch oft im Jazzland am Franz-Josefs-Kai. Das Liebhaberlabel Bear Family hat nun mit „My Words“eine Anthologie von Jazzballaden herausgebracht, die zeigen, dass sich hinter Ramseys heiterer Expressivität ganz schön viel Nachdenklichkeit verbirgt. Die „Presse am Sonntag“traf ihn in einem stillen Lokal in Wien. Generationenübergreifende Duette sind in. Tony Bennett war mit Amy Winehouse und Lady Gaga im Studio. Gäbe es im heutigen deutschen Schlager jemanden, mit dem Sie aufnehmen würden? Bill Ramsey: Helene Fischer. Die fand ich immer schon sehr gut, einfach, weil sie so vielseitig ist. Schön wäre es, wenn mich ihr Management fragen würde. Das würde passen. Ich bin die Swinglegende Deuschlands, und Helene ist locker so gut wie Lady Gaga! Sie singen Jazz, aber auch Schlager. Was macht einen guten Sänger aus? Dass er das glaubt, was er singt. Meine Vorbilder, Mel Torme,´ Frank Sinatra, Tony Bennett, die taten beziehungsweise tun das alle. Die Qualität des Textes entscheidet, ob ein Lied für das Repertoire in Frage kommt oder nicht. Da kann die Melodie noch so schön sein, wenn der Text nichts heißt, dann geht’s nicht. Schließlich schleppt man manche Lieder live jahrzehntelang mit. Was führte Sie in den Fünfzigerjahren überhaupt nach Deutschland? Der Koreakrieg. An sich war ich damals Student der Soziologie und Wirtschaft an der Yale University in New Haven. Dann musste ich einrücken. Ich war in Frankfurt stationiert. Mein Stammlokal war bald ein Lokal mit dem simplen Namen Jazzkeller. Dort wurde heißester Bebop gespielt. Gab es damals schon deutsche Jazzmusiker, die so gut wie die amerikanischen waren? Auf jeden Fall. Einer der ersten, den ich kennenlernte, war Albert Mangelsdorff. Ein lieber Kerl, ein unwahrscheinlich guter Musiker. Ein anderer Freund wurde James Last, damals berühmt als Jazzbassist. Auch Ernst Mosch, später Gründer der Original Egerländer Musikanten, spielte ursprünglich Jazz. Es machte Freude und brachte Taschengeld. Das brauchte damals jeder, denn in den Fünfzigerjahren war die Nachfrage nach Zigaretten und Alkohol sehr, sehr groß. Rauschhafte Zustände versprach auch der Jazz. War das der Grund, dass es so kurz nach dem Krieg gleich so eine lebhafte deutsche Jazzszene gab? Sicherlich. Einfach, weil Jazz viel mehr war als nur Musik. Er war ein Symbol für Freiheit und Individualität, also genau das, was Hitler gehasst hat. Alle großen amerikanischen Jazzmusiker tourten durch Deutschland: Count Basie, Duke Ellington, Woody Herman, Stan Kenton. Das inspirierte. Haben die Deutschen den Jazz anders gespielt als die Amerikaner? Ja. Sie nahmen die Musik viel ernster. Sie waren viel motivierter, swingten deshalb etwas schwerfälliger. Die Amerikaner stachen durch ihre Lässigkeit hervor, die für die Deutschen einfach nicht erreichbar war. Guter Jazz ist immer auch eine Mentalitätssache. Warum wechselten Sie als Jazzer dennoch ins Schlagerfach? Heinz Gietz, den ich aus dem Jazzkeller kannte, fragte mich eines Tages, ob ich eine Platte aufnehmen wolle. Schwach bei Kasse wie ich war, bejahte ich. Er fragte nur: „Willst du Rock ’n’ Roll machen oder etwas Lustiges?“Ich ent-
1931
in Cincinatti, Ohio, als Sohn einer Lehrerin und eines Werbemanagers geboren.
1949–1951
Studium der Wirtschaft und Soziologie an der Yale University.
1952
Einberufung zum Militär. Einsatzort: Frankfurt am Main.
1953
erste Auftritte im Frankfurter Jazzkeller.
1955
erste Rolle in einem deutschen Klamaukfilm: „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“.
1958
beginnt er in Frankfurt, deutsche Schlagerplatten mit schwerem Akzent aufzunehmen.
1959
erster Nummereins-Hit: „Souvenirs“.
1962
„Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“.
1965
Jazzalbum mit Paul Kuhn: „Ballads and Blues“.
2016
Neues Album: „My Words“. schied mich für Schlager. Tückisch war halt, dass ich Deutsch singen musste. Es folgten Hits wie „Souvenirs“, „Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe“und „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“, die sich als sehr zeitlos erwiesen. Segen oder Fluch? Ich stehe total dazu. Das hat sehr vielen Leuten eine Freude gemacht. Gutes Geld hab ich auch damit verdient. Aber Ende der Sechzigerjahre wollte ich mich wieder dem Jazz zuwenden. Da ersuchte ich ARD und ZDF, die Schlager nicht mehr im Abendprogramm zu bringen, weil ich Angst hatte, abgestempelt zu werden. Waren nicht die Schwänke, die Sie für das Kino drehten, dem Image des seriösen Jazzmusikers noch abträglicher? Vielleicht. Aber die Lust am Klamauk war eben auch ein Teil meiner Persönlichkeit. Die Zweifel und Sorgen hab ich mir für meine Liedtexte aufgehoben. In „Something Lingers“etwa versuchte ich, die Trennung von meiner ersten Frau zu verarbeiten. Ihre Texte verharrten nicht im Privaten. Was inspirierte Sie zu „The Man of The People“? Meine allgemeine Verachtung für Politiker. Was natürlich nicht ganz fair ist, viele von ihnen sind prima. Auch Donald Trump? Was ich von ihm halte, kann ich nicht sagen, sonst hetzt er seine Anwälte auf mich. Er ist in jeder Beziehung inkompetent. Jemanden mit so mangelhafter Bildung dürfte man nicht in der politischen Arena akzeptieren. Seine Verachtung für Frauen, Hispanos und Afroamerikaner wird ihn letztlich zerstören. Sie haben die amerikanische Staatsangehörigkeit aufgegeben, um Deutscher zu werden. Warum? Obwohl es ein furchtbares Wort ist, muss ich sagen: Deutschland ist meine Heimat. Ich kann gar nicht richtig sagen, was mir an diesem Land so behagt. Mein Gefühl für dieses Land ist tief. Ich wollte es mit diesem Akt juristisch absichern.