Einflussreich und polarisierend
Viele Autorinnen gelten als Seismologinnen der gesellschaftspolitischen Beben in der Türkei. Scheu vor komplizierten Themen haben sie nicht.
Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Regierung, das Militär, die Verfassung, den Einfluss der Religion oder die Minderheitenpolitik in der Türkei kritisieren – und das ziemlich laut. Sie gelten als Seismologinnen der gesellschaftspolitischen Beben, und sie sorgen regelmäßig für erhitzte Debatten. Dabei werden sie entweder als „Vaterlandsfeinde“dargestellt oder als weitsichtige Intellektuelle gefeiert. Eine Reihe von türkischen Autorinnen nimmt in tagespolitischen Diskussionen eine wichtige Rolle ein, zuletzt stand etwa die Physikerin und Literatin Aslı Erdogan˘ im Fokus, die aufgrund ihrer Schriften in der prokurdischen Zeitung „Özgür Gündem“verhaftet wurde.
Wie Erdogan˘ ist die studierte Psychologin und Journalistin Perihan Magden˘ für ihre scharfzüngigen Kommentare bekannt. Mehrere Gerichtsverhandlungen hatte sie bereits am Hals, zuletzt tauchte ihr Name nach dem gescheiterten Putsch auf „schwarzen Listen“der konservativen Regierung auf. Magdens˘ Bücher sind Fixpunkt in den Bestsellerlisten. Vier ihrer Werke sind auch auf Deutsch erhältlich, zuletzt „Ali und Ramazan“ (Suhrkamp) über eine schwule Liebe, das türkische Buch des Jahres 2010.
Eine messerscharfe Beobachterin der Umbrüche in der Türkei ist auch die Juristin und Journalistin Ece Temelkuran, die keine Scheu vor komplizierten Themen hat. In ihren Artikeln hat sie oft die Kurdenfrage thematisiert, lesenswert ist ihr vielschichtiger Reportageband über das türkisch-armenische Verhältnis: „Deep Mountain: Across the Turkish-Armenian Divide“. Das Werk ist leider nicht auf Deutsch erhältlich, sehr wohl aber ihr Sachbuch über die gesellschaftliche Kluft in der Türkei („Euphorie und Wehmut“, Hoffmann und Campe) sowie ihr letzter Roman über vier Frauen, die mit der Vergangenheit hadern („Was nützt mir die Revolution, wenn ich nicht tanzen kann?“, Atlantik).
Die Liste der einflussreichen türkischen Autorinnen ist durchaus lang, Namen wie Elif Safak,¸ Sema Kaygusuz („Schwarze Galle“, Matthes & Seitz) oder Oya Baydar („Das Judasbaumtor“, Ullstein) sind Beobachtern wohl bekannt. Letztere gilt als Literatin der linken Szene, aufgrund ihrer politischen Tätigkeit lebte sie mehrere Jahre im deutschen Exil.