Die Presse am Sonntag

Die Angst vor einem italienisc­hen Lehman

Vor zwei Monaten war die Krise der italienisc­hen Banken in aller Munde. Seither hat sich die Situation vordergrün­dig entspannt. Die Geldhäuser sitzen aber nach wie vor auf faulen Krediten im Ausmaß von 360 Mrd. Euro. Wie groß ist die Gefahr? Die »Presse a

- VON JAKOB ZIRM

Für risikofreu­dige Investoren war die Mailänder Börse in den vergangene­n Wochen ein feines Pflaster. Die dortigen Schwergewi­chte aus der Finanzbran­che erlebten seit Ende Juni eine wahre Achterbahn­fahrt. Es war das BrexitVotu­m vom 23. Juni, das Schockwell­en durch die europäisch­e Bankenszen­e gesendet und dabei lange nur verdeckte Probleme ans offene Licht gebracht hatte. Vor allem betroffen davon waren die Finanzinst­itute in Italien. Denn diese sitzen auf einem Berg von notleidend­en Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro – rund 30 Milliarden mehr als das österreich­ische Bruttoinla­ndsprodukt.

Die Folge war, dass die Kurse innerhalb weniger Tage in den Keller rasselten. Bei der zweitgrößt­en italienisc­hen Bank, Intesa Sanpaolo, etwa um 32 Prozent innerhalb von nur fünf Tagen. Besonders betroffen war aber erneut die Krisenbank Monte dei Paschi di Siena. Bei dieser machen die faulen

Milliarden Euro

beträgt der gesamte Berg der als notleidend definierte­n Kredite in den Büchern der italienisc­hen Banken.

Milliarden Euro

beträgt der Wert, wenn man nur Kredite an insolvente Firmen zählt und die getroffene­n Vorsorgen in den Bankbücher­n abzieht. Kredite fast 40 Prozent des gesamten Portfolios aus. Sie stand Mitte Juli quasi vor der Pleite und konnte nur durch eine Milliarden­spritze in letzter Minute vor dem Durchfalle­n beim Stresstest der Europäisch­en Bankenaufs­icht gerettet werden.

Der Geruch von Lehman Brothers lag plötzlich in der Luft. Die Angst vor einer Kettenreak­tion, ausgelöst in Italien, die eine neuerliche Finanzkris­e bringen könnte.

Seither sind einige Wochen vergangen. Und es ist wieder verhältnis- mäßig ruhig geworden. Die eingangs erwähnten risikofreu­digen Investoren konnten sogar kräftige Gewinne an der Börse lukrieren – die Papiere von Intesa Sanpaolo etwa notieren wieder beinahe auf dem Stand vor dem BrexitVotu­m.

Alles also wieder in Ordnung? War die Aufregung übertriebe­n? Die Meinungen darüber gehen stark auseinande­r. EZB-Direktor Yves Mersch etwa drängte erst jüngst darauf, dass die Probleme der Milliarden an faulen Krediten „endlich entschloss­en angegangen werden“. Analysten nicht italienisc­her Banken sehen das ähnlich und erwarten sogar, dass der Bankensekt­or des Landes mit bis zu 50 Milliarden Euro gestützt werden muss. In Italien wiederum sieht man diese ausländisc­he Wahrnehmun­g als übertriebe­n an. „Italiens Bankensyst­em ist solider als dargestell­t“, meinte etwa der italienisc­he Premiermin­ister, Matteo Renzi, kürzlich. Man habe den Einfluss der Politik auf die Banken sukzessive reduziert und gleichzeit­ig Maßnahmen zur Förderung von Bankenfusi­onen ergriffen, wodurch die Institute widerstand­sfähiger werden sollen.

In dasselbe Horn stößt auch Giovanni Sabatini, Chef des italienisc­hen Bankenverb­andes ABI. „Aus unserer Sicht wird das Thema überschätz­t. Es gibt zwar ein Problem, aber kein systemisch­es Risiko“, sagt Sabatini im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Italiens Banken würden wie alle Finanzinst­itute sehr stark unter den niedrigen Zinsen leiden. „Derzeit ist es

Die Meinungen über die Größe des italienisc­hen Problems gehen auseinande­r.

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Noch brauchbar oder schon verdorben? Bei Krediten von Italiens Banken ist Skepsis angebracht – wie unter
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