Die Presse am Sonntag

Die Macht der Backerbsen

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Aleˇs ˇSteger hat mit »Das Archiv der toten Seelen« einen so rasanten wie hinterhält­igen Roman geschriebe­n, mit reichlich Blut und dennoch viel Humor. Wie viele Opfer dürfen den Weg pflastern, wenn man zu wissen glaubt, dass man zu den Guten gehört? Dass man eine Aufgabe hat, die viel zu wichtig ist, um menschlich­e Kollateral­schäden in Betracht zu ziehen? Alesˇ Stegerˇ lässt sich in seinem Roman „Das Archiv der toten Seelen“freilich auf keine Antwort ein, es reicht völlig, dass er die Frage aufwirft. Das tut er so hinterhält­ig, dass man als Leser geneigt ist, Adam und Rosa, diesem über Blut und Leichen gehenden Protagonis­tenpaar, viel länger die Stange zu halten, als es moralisch vertretbar ist. Und im Grunde ist es schon ab dem ersten Kapitel nicht mehr vertretbar.

Man hüte sich vor Menschen, die sich auf einer Mission wähnen, diese zwar nicht neue Einsicht vermittelt Stegerˇ auf so unterhalts­ame wie tiefgründi­ge Weise. Sein Roman, er spielt 2012 im slowenisch­en Maribor, damals Europäisch­e Kulturhaup­tstadt, ist gespickt mit grotesken Szenen (in denen Backerbsen eine nicht unwesentli­che Rolle spielen) und schrägem Humor, man sollte als Leser allerdings nicht zu zart besaitet sein. Damit es etwas komplexer wird, hat Ste-ˇ ger noch ein zweites großes Thema hineinverw­oben: das Nicht-Loswerden-Können der Vergangenh­eit, im faktisch historisch­en, aber auch in einem mystischen Sinne. Bei aller Schwere der Thematik ist das so flott geschriebe­n, dass man dem Autor sogar den Knalleffek­t verzeiht, mit dem er sich am Ende aus dem Roman retten muss. hd Aleˇs ˇSteger: „Das Archiv der toten Seelen“, übersetzt aus dem Slowenisch­en von Matthias Göritz; Schöffling Verlag, 336 Seiten, 23,60 Euro.

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