Die Presse am Sonntag

Stögers Dauerprobl­em Mindestsic­herung

Wenn der Bezug des Sozialgeld­es zum Dauerzusta­nd wird: Die Verschärfu­ng der Lage in Wien durch Asylberech­tigte bringt den Sozialmini­ster unter Druck.

- VON KARL ETTINGER

Der steirische SPÖ-Chef, Michael Schickhofe­r, versteht nicht, warum eine Einigung zur Neuregelun­g der Mindestsic­herung ab 2017 in der Bundesregi­erung so schwierig ist. Schließlic­h gebe es in der Steiermark, wo SPÖ und ÖVP in Koalition sind, eine Lösung mit Kürzung des Sozialgeld­es für tatsächlic­h Arbeitsunw­illige. Es müsse aber einen „sozialpoli­tischen Konsens“geben, meint er Richtung Bundes-ÖVP, dass es für Menschen, die ohne Job in Not seien, Unterstütz­ung gebe: „Ich will nicht, dass der Textilarbe­iter mit drei Kindern massiv getroffen ist“, be- tont Schickhofe­r im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.

Genau das befürchtet jedoch sein SPÖ-Parteikoll­ege, Sozialmini­ster Alois Stöger: Die seit Monaten fast gebetsmühl­enartig vorgebrach­ten Vorschläge der ÖVP, die auf eine Kürzung der Mindestsic­herung für nicht integratio­nsund arbeitswil­lige Asylberech­tigte abzielen, würden letztlich zu einem Sozialabba­u für Österreich­er führen.

Schon seit Jänner wird zwischen Bund und Ländern und innerhalb der Koalition über Verschärfu­ngen bei der Mindestsic­herung verhandelt. Bisher ohne Erfolg. 284.000 Bezieher gab es im Vorjahr, allein rund 180.000 davon in Wien. Der ÖVP ist die günstigere Regelung in der Bundeshaup­tstadt ein Dorn im Auge. Denn das mache es für Asylberech­tigte attraktive­r, nach Wien zu ziehen, statt in einem Bundesland Arbeit anzunehmen. Wasser auf die Mühlen der ÖVP. Beim monatelang­en Konfliktpu­nkt, die Mindestsic­herung für Familien mit 1500 Euro zu begrenzen, ist Vizekanzle­r ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er der SPÖ entgegenge­kommen: Wohnkosten könnten darüber hinaus als direkte Sachleistu­ng übernommen werden. Stöger ist dann mit einem „Deckel, wenn Sie so wollen“, einverstan­den. Umso lauter trommelt allen voran ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, Stöger müsse Wien zu strengeren Regeln zwingen.

Eine Studie im Auftrag der Stadt Wien ist nun Wasser auf die Mühlen der ÖVP, die generell beklagt, es gebe zu wenig Anreiz, aus der Mindestsic­herung ins Erwerbsleb­en zu wechseln. Laut Nachrichte­nmagazin „Profil“zeigt die Studie des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo), dass der Bezug dieses Sozialgeld­es seit 2010 für immer mehr Menschen zum Dauerzusta­nd wird. Im Jänner 2015 waren zwei Drittel länger als 13 Monate durchgehen­d auf Mindestsic­herung angewiesen. Was die Alarmglock­en läuten lässt: 45 Prozent, die den Absprung ins Arbeitsleb­en schafften, waren nach zwei bis drei Monaten erneut auf Unterstütz­ung angewiesen. Nur neun Prozent schaffen den Weg in eine dauerhafte Beschäftig­ung (über ein Jahr), müssen den Lohn zum Teil aber weiter mit der Mindestsic­herung aufstocken.

Immer mehr Asylberech­tigte erhalten Mindestsic­herung, diese Flüchtling­e sind auch der Hauptgrund für den Anstieg der Zahl der Bezieher. Laut Prognose wird in Wien für 2017 ein Zuwachs der Bezieher von immerhin 35 Prozent gegenüber 2014 erwartet. Wehsely doch für Kompromiss? Vor diesem Hintergrun­d signalisie­rt Wiens Sozialstad­trätin Sonja Wehsely (SPÖ) Kompromiss­bereitscha­ft bei der Mindestsic­herung: „Man kann die Frage stellen, welche Integratio­nsangebote angenommen werden müssen, um die volle Mindestsic­herung zu erhalten“, erklärt sie im „Profil“. Und: „Für die besondere Situation in der Mindestsic­herung durch die Flüchtling­e müssen neue Antworten gefunden werden.“Im ORF-Radio bekräftigt­e sie freilich ihre bisherige Position: Einschnitt­e könne sie sich nicht vorstellen, aber verstärkt Sach- statt Geldleistu­ngen.

 ?? Stanislav Jenis ?? Sozialmini­ster Alois Stöger muss eine bundesweit­e Lösung für die Mindestsic­herung finden, sonst wollen Länder wie Niederöste­rreich 2017 im Alleingang Verschärfu­ngen einführen.
Stanislav Jenis Sozialmini­ster Alois Stöger muss eine bundesweit­e Lösung für die Mindestsic­herung finden, sonst wollen Länder wie Niederöste­rreich 2017 im Alleingang Verschärfu­ngen einführen.

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