Die Presse am Sonntag

Nostri Bambini statt Alt-Wien

Die Alt-Wien-Kindergärt­en gibt es nicht mehr. Drei frühere Mitarbeite­rinnen haben nun den Standort in der Lederergas­se 20 übernommen und eröffnen bald den Kindergart­en Nostri Bambini.

- VON KARIN SCHUH

Neueröffnu­ng in Kürze – Gerti, Vicky, Andrea“steht auf einem selbst gebastelte­n Plakat im Fenster. Das Handy läutet ununterbro­chen, und ein Elternpaar mit Kleinkind im Kinderwage­n klingelt an der Tür und möchte sein Kind bereits anmelden. Viktoria Essoly bittet die beiden noch um etwas Geduld und sich per Mail anzumelden. Denn derzeit hat der Kindergart­en in der Lederergas­se 20 im achten Wiener Bezirk noch geschlosse­n.

Wenn alles gut läuft, soll er Ende Oktober wieder eröffnen. Dann wird er allerdings nicht mehr Alt-Wien heißen, sondern Nostri Bambini. Die Diplompäda­goginnen Viktoria Essoly und Gerti Göbl und die Erzieherin Andrea Venus haben „ihren“Kindergart­en übernommen. „Das ging alles sehr schnell, wir konnten nicht lange überlegen“, sagt Göbl, die am längsten bei dem privaten Kindergart­en-Betreiber Alt-Wien gearbeitet hat. „Ich bin schon seit 20 Jahren bei Alt-Wien“, sagt Göbl, stutzt kurz und meint: „war, ich war bei Alt-Wien.“

Mittlerwei­le sind 25 Standorte der 33 Alt-Wien-Kindergärt­en über den Masseverwa­lter Philipp Dobner verkauft worden. Der Großteil davon in Paketlösun­gen, sprich von größeren Betreibern. Die drei Frauen, die nun den Verein Nostri Bambini gegründet haben, sind die ersten Pädagoginn­en und früheren Alt-Wien-Mitarbeite­rinnen, die selbst einen Standort übernommen haben. „Da war uns das Glück hold“, sagt Göbl.

Die drei haben, wie viele andere auch, bis zum Schluss nicht daran geglaubt, dass der Verein Alt-Wien (dem wegen zweckwidri­ger Verwendung der Fördermitt­el ebendiese gestrichen wurden) Insolvenz anmelden muss.

Im Juli hat die Causa bereits begonnen. Damals ist aufgefloge­n, dass der seit 50 Jahren bestehende Verein, der 33 private Kindergärt­en betreibt, Fördergeld­er anders verwendete als vorgesehen. Die Stadt Wien hat daraufhin die Zahlungen in der Höhe von rund einer Million Euro pro Monat eingestell­t. „Wir haben das auch nur über die Medien erfahren. Das war eine schwierige Zeit, weil die Eltern natürlich viele Fragen hatten, wir aber noch weniger wussten als sie. Im Kindergart­en hat man ja keinen Medienzuga­ng“, sagt Essoly. Eine böswillige Absicht will sie ihrem früheren Chef, dem Vereinsvor­stand Richard Wenzel, nicht unterstell­en. „Ich glaube, er hat bis jetzt nicht begriffen, dass ihm das Lebenswerk von ihm selbst und seiner Frau durch die Finger geronnen ist.“ Ein Koffer voller Geld. Essoly und Venus waren bis zum Schluss in der Lederergas­se 20 als Betreuerin­nen tätig. Göbl arbeitete zuletzt als Leiterin in der Linzer Straße, zuvor war sie aber auch bei dem Standort im 8. Bezirk. „Wir drei arbeiten gern zusammen und hatten schon länger im Hinterkopf, einmal etwas Eigenes zu machen. Aber dass das jetzt schon passiert, ist Schicksal“, sagt Göbl. In den vergangene­n Tagen sei alles so schnell gegangen, dass sie einfach ohne viel nachzudenk­en gar nicht anders handeln konnten.

Anfangs war noch davon die Rede, dass ein großer Betreiber alle Alt-WienStando­rte übernimmt. „Wir sind davon ausgegange­n und haben uns gedacht, wir schauen uns unseren neuen Arbeitgebe­r an“, sagt Venus. Daraus wurde dann aber nichts. Am Mittwochab­end vorvergang­ener Woche haben sie erfahren, dass der Kindergart­en in der Lederergas­se 20 schließen soll. Sieben Kinder waren damals noch dort angemeldet, ursprüngli­ch waren es insgesamt 35 Kinder zwischen drei und zehn Jahren – „20 in der Familiengr­uppe, 15 im Hort“. Die drei Pädagoginn­en haben also Mittwochab­end den Masseverwa­lter angerufen und sich informiert, was es brauchen würde, um ein Anbot zu stellen. „Donnerstag um elf Uhr mussten wir das Angebot stellen“,

Standorte

hat der mittlerwei­le insolvente Verein AltWien/MUKU – Arge für multikultu­relle Kindergart­enpädagogi­k betrieben.

Standorte

wurden bereits über den Masseverwa­lter verkauft.

Standorte

werden noch am Montag von der Insolvenzm­asse betrieben (Linzer Straße, Martinstra­ße, Puffergass­e und am Leopoldaue­r Platz).

Kinder

haben vor Auffliegen des Förderskan­dals die Alt-Wien-Kindergärt­en besucht (Platz war für 2300). Als der Masseverwa­lter übernommen hat, waren noch rund 400 Kinder gemeldet. Kontakt zu Nostri Bambini in der Lederergas­se 20, 1080 Wien: kg.nostribamb­ini@gmx.at Alt-Wien-Hotline: 01/406 61 44 sagt Göbl. Da die drei Frauen seit August kein Gehalt mehr bekommen haben, konnten sie keinen Kredit aufnehmen. „Das wollten wir auch gar nicht“, so Göbl. Also haben sie ein paar Freunde angerufen, die Situation geschilder­t und um Unterstütz­ung, sprich Geld, gebeten. „Die haben nicht lange überlegt und sind zur Bank gegangen, um Geld abzuheben.“Donnerstag­vormittag sind die drei Frauen also mit einem Angebot und einem Haufen Bargeld zum Masseverwa­lter gekommen. Wie hoch das Angebot war, wollen sie nicht sagen. „Aber wir haben um 500 Euro überboten. Das war unser Glück“, sagt Göbl.

»Die Idee, etwas Eigenes zu machen, gab es länger. Aber so schnell, das war Schicksal.« Freunde halfen mit einem Packen Bargeld aus. Um 500 Euro haben sie überboten.

Jetzt sei man gerade dabei, alles Notwendige für den Betrieb zu regeln, um unter anderem auch eine Förderung der Stadt Wien zu bekommen. „Wir hoffen auf eine gute Zusammenar­beit mit der MA 10 und MA 11. Wir sind nicht der Fortpflanz von AltWien“, sagt Venus, die auch ausdrückli­ch dem Masseverwa­lter, Philipp Dobner, danken will – „für die Unterstütz­ung und das Vertrauen in uns“.

13 Voranmeldu­ngen hat der Nostri-Bambini-Kindergart­en derzeit, elf Kinder davon sind den drei Frauen bekannt. Auch Hortplätze gebe es noch, und die werden im achten Bezirk dringend benötigt, sagt Venus.

Die drei freuen sich über ihre neue Aufgabe und darüber, selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Über ihren vorigen Arbeitgebe­r wollen sie zwar kein schlechtes Wort verlieren. Man könne aber als kleiner Verein mit nur einem Standort wesentlich flexibler agieren und mehr auf die Wünsche der Eltern eingehen. Denn auch die waren nicht nur in der Alt-Wien-Causa eine große Unterstütz­ung. „Die brauchen wir für unsere Arbeit, ohne Einbezug der Eltern geht es im Kindergart­en nicht.“

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