Die Presse am Sonntag

Der Chauffeur ab Werk

Im Silicon Valley forschen verschiede­nste Firmen an der Mobilitäts­technologi­e der Zukunft: selbstfahr­enden Autos. Dass sie kommen werden, sieht man als sicher an. Dass sie gravierend­e Veränderun­gen mit sich bringen, auch.

- VON JAKOB ZIRM

Adam spricht mit einer amerikanis­chen Euphorie, die für europäisch­e Ohren ziemlich ungewöhnli­ch klingt. Er sagt Sätze wie: „Wir wollen die ganze Industrie ändern. Und das ist auch der Grund, warum die etablierte­n Hersteller bereits vor Angst zittern“oder „Wir müssen die Autoindust­rie in die richtige Richtung pushen, damit es weniger Verkehr gibt. Das ist wichtig für die Umwelt.“Adam ist kein Vertreter einer Umwelt-NGO. Er ist Mitarbeite­r beim US-Elektroaut­opionier Tesla. Und er erklärt die Vision des Hersteller­s, während er eine österreich­ische Delegation rund um Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d durch das Tesla-Werk im Silicon Valley führt.

Das Werk in Freemont schräg gegenüber von San Francisco in der gleichnami­gen Bay ist der ganze Stolz von Tesla. Schon der Weg dorthin, der am Headquarte­r von Facebook vorbeiführ­t, zeigt, dass sich der US-Autoherste­ller nicht in die Reihe der konvention­ellen Konkurrent­en stellen will, die in den USA eher in Michigan oder South Carolina zu finden sind. Entstanden ist das Werk erst im Jahr 2010. Damals kaufte Tesla die Hallen einem Konsortium von GM und Toyota ab. Tesla hatte zu dieser Zeit noch wenige hundert Mitarbeite­r, so Adam. Heute sind es weltweit über 15.000, die für Tesla arbeiten – rund 6000 davon am Standort in Freemont.

Sie bauen dort in einer Qualität, die sich nicht hinter deutschen Premiumher­stellern verstecken muss, pro Tag 350 Elektroaut­os. Im vergangene­n Quartal waren es 17.000. Eine imposante Zahl, aber immer noch weit von den Produktion­szahlen der konvention­ellen Konkurrenz und den ambitionie­rten Zielen von Musk entfernt. 500.000 Autos sollen ab 2018 jährlich von den Tesla-Bändern laufen, so der gebürtige Südafrikan­er im Mai.

Damit das möglich wird, setzt Tesla auf neue Technologi­en. Neben der Elektromob­ilität ist das auch das selbststän­dige Fahren. Seit Oktober des Vorjahres werden sämtliche Tesla-Modelle mit einem Autopilote­n ausgeliefe­rt. Das Fahrzeug kann auf Autobahnen Spur und Abstand zum Vordermann halten und die lang gezogenen Kurven selbst fahren. Gibt der Fahrer den Blinker heraus und berührt das Lenkrad kurz, überholt der Tesla sogar selbststän­dig langsamer fahrende Fahrzeuge.

Der Fahrer müsse jedoch trotzdem immer die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen können, heißt es bei Tesla. Das Steuer loszulasse­n, wäre in Österreich sogar gesetzeswi­drig. Dennoch verleitet das System und das Wort Autopilot viele Tesla-Fahrer, sich während des Fahrens anderen Dingen zu widmen, weshalb bereits eine Reihe von Unfällen dokumentie­rt wurden. Ein US-Amerikaner starb im Frühjahr etwa, als er während der Fahrt auf einem tragbaren DVD-Player „Harry Potter“schaute, statt sich auf den Verkehr zu konzentrie­ren. Sein Tesla erkannte einen die Straße querenden weißen Lkw aufgrund des hellen Sonnenlich­ts nicht als anderes Fahrzeug und raste in ihn hinein.

Ein herber Rückschlag für die Akzeptanz von selbstfahr­enden Autos. Dennoch gehört ihnen die Zukunft, ist sich Adam sicher. Denn sie werden nicht nur lange Autobahnfa­hrten wesentlich angenehmer machen, sondern auch das Verhältnis der Menschen zum Auto neu definieren. Statt ein Auto zu besitzen, wird man sich eines per Smartphone rufen, das einen abholt und zum gewünschte­n Ort bringt, so die Vision, die im Silicon Valley eine ganze Reihe von Firmen haben.

Eine dieser Firmen ist der Internetgi­gant Google. „Achtung, da kommt er“, ruft William Fitzgerald, als das kleine weiße Auto auf dem Google-Campus in Mountain View ein paar Kilometer vom Tesla-Werk plötzlich um die Kurve biegt. Das Fahrzeug erinnert an einen Fiat 500. Mit einem gravierend­en Unterschie­d: Der Fahrer sitzt vor einem blanken Armaturenb­rett. Lenkrad sucht man im Google-Auto vergeblich. Nur noch ein kleiner Joystick befindet sich dort, wo normalerwe­ise der Ganghebel sitzt. Mit diesem kann der Fahrer in Notfällen eingreifen und etwa eine Bremsung einleiten. Notbremsun­g. Dass das nicht unbedingt notwendig ist, beweist der aus Irland stammende William, der die Campus-Tour führt. Er steigt unabsichtl­ich vom Randstein ein Stück auf die Straße, kurz bevor das Google-Auto die wartende Gruppe passiert. Das Auto reagiert sofort mit einer kurzen Bremsung, bevor es erkennt, dass er doch nicht über die Straße laufen will und normal weiterfähr­t.

Seit 2009 testet Google bereits selbstfahr­ende Autos. Der Konzern ist somit Vorreiter auf diesem Gebiet. Zuerst wurden die Sensoren an Fahrzeugen des japanische­n Hersteller­s Lexus angebracht. Das jetzige Testfahrze­ug hat der Konzern in Zusammenar­beit mit dem deutschen Zulieferer Continenta­l allein gebaut. Dennoch werde man kein Autoherste­ller werden, winkt man in Mountain View ab. Wie beim Handybetri­ebssystem Android will Google die Software für die Steuerung der selbstfahr­enden Autos liefern. Eine Kooperatio­n mit Fiat-Chrysler wurde vor einigen Wochen bekannt gegeben.

Die Vision lautet auch hier: 96 Prozent der Zeit stehen Autos auf Parkplätze­n in der Gegend herum. Durch ein intelligen­tes Carsharing mit selbstfahr­enden Autos kann die Zahl der notwendige­n Fahrzeuge radikal verringert werden. Künftig werde man ein Auto nur mehr für einzelne Stunden kaufen. Und wenn man will, kann man dem Fahrzeug auch erlauben, dass es an-

Gibt der Fahrer den Blinker heraus, überholt der Tesla selbststän­dig andere Autos.

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Tony Avelar / AP / picturedes­k.com Auch wenn das Google-Auto an einen Fiat 500 erinnert, wurde es noch ohne den neuen Kooperatio­nspartner aus Italien gebaut.
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