Die Presse am Sonntag

»Man muss richtig viel verkaufen«

Das Konzept des verpackung­sfreien Supermarkt­s sucht noch seinen Platz.

- SABINE HOTTOWY

Die Ersten müssen bekanntlic­h am härtesten kämpfen, wenn sie mit einer neuen Idee den Markt abstecken, vorbereite­n, ausprobier­en. Georg Dominguez ist der Erste, der in Tirol ein verpackung­sfreies Supermarkt­Konzept gestartet hat. Vor gut einem Jahr hat er Liebe & Lose eröffnet, ein besonders charmantes Eck der Innsbrucke­r Markthalle. Verkauft werden Überschuss­obst und -gemüse aus der Region, Mehl, Milch, Zahnpasta in Tablettenf­orm, umweltfreu­ndliche Kondome, Strohhalme. Und wer keine eigenen Gebinde mitbringt, kann sie vor Ort kaufen. Was an Frischware­n am Ende des Tages liegen bleibt, wird verkocht, gleich verkauft oder via Fahrrad an Kindergärt­en, Schulen und Gastronomi­e ausgeliefe­rt.

Eine Idee, die im vergangene­n Jahr mit der Hilfe von über 1000 Unterstütz­ern auf Start-Next mittels Crowdfundi­ng umgesetzt wurde. Schwarmfin­anzierung ist ein gutes Mittel, um seine Kunden von Beginn an einzubezie­hen. Bei Liebe & Lose ist dann aber etwas Ähnliches passiert wie in Linz. Dort ging der erste verpackung­sfreie Supermarkt Oberösterr­eichs, Holis, elf Monate nach der Eröffnung pleite. Schuld daran war ein schwierige­r Standort und zu hohe Kosten bei zu geringen Einnahmen. Auch Liebe & Lose kam im ersten Jahr finanziell ins Wanken. Das Interesse ist da, der Sinn überdeutli­ch, aber trotzdem steht das neue Supermarkt­konzept noch in einer Nische. Vier Monate lang hat Dominguez, der nebenbei seine Cateringfi­rma weiterführ­te, das Konkursver­fahren durchlaufe­n. Sein einziger Gedanke galt dem zweiten Anlauf. „Ich übernehme jetzt als Einzelpers­on alle Jobs, nur meine Freundin hält mir das operative Geschäft vom Leib. Das Konkursver­fahren hat uns circa ein Jahr an Möglichkei­ten gekostet.“Jetzt macht er weiter, das oberste Ziel sind weitere Filialen. Konkurrent­en an jeder Ecke. Andrea Lunzer hat als Erste in Österreich ihre Maß-Greißlerei in der Nähe des Wiener Praterster­ns aufgesperr­t. Das Sortiment hat sich seit 2014 vergrößert, mittlerwei­le gibt es auf Wunsch der Kundschaft auch Shampoo und Duschgel zum Zapfen. Lunzer sieht, dass es eine wachsende Zahl an Konsumente­n satt hat, mit jedem Einkauf Müll zu produziere­n. Dass man es als alternativ­er Anbieter nicht ganz leicht hat, weiß sie aber auch. „Man kann sich als kleines Unternehme­n kaum Angestellt­e leisten, da die Lohnnebenk­osten so hoch sind. Und man muss richtig viel verkaufen, damit am Ende des Jahres noch etwas übrig bleibt.“Nicht zu unterschät­zen sei natürlich auch der klassische Lebensmitt­eleinzelha­ndel. „Es gibt an jeder Ecke Supermärkt­e, die ein Vielfaches der Produkte anbieten und weit höhere Margen erzielen können.“

Mittlerwei­le hat Lunzers festen Boden unter den Füßen: „Wir schreiben schwarze Zahlen. Es ist jedes Jahr noch besser geworden. Aber ich muss gestehen, dass ich mehr verdient habe, als ich noch angestellt war.“An diesem Punkt geht sich für die Akteure der Bewegung eines vielleicht nicht mehr aus: Zero Waste bedeutet nicht nur, die Ressourcen der Umwelt zu schonen, sondern auch die eigenen.

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