Die Presse am Sonntag

Wie der Teufel zum Schweizerm­acher wurde

Die Route über ©en GotthŻr© wur©e Żls so ziemlich ãester Weg zwischen ItŻlien un© ©en nör©lichen LŻn©en erst im 13. JŻhrhun©ert erschlosse­n un© trug zu WohlstŻn© un© StŻŻtswer©ung ©er Schweiz mŻssiv ãei. Einer SŻge nŻch wirkte ©Żãei ©er LeiãhŻftig­e mit, w

- VON WOLFGANG GREBER

Das Gotthardma­ssiv, jenes nicht exakt definierte, im Kern aber horizontal gut 20 bis 30 Kilometer lange Gebiet zwischen den Schweizer Kantonen Uri im Norden, Tessin im Süden, Graubünden im Osten und dem Wallis im Westen, ist mehr als ein Gebirge. Es gibt zwar auch keinen eindeutig höchsten Gipfel (gängig ist der 3192 Meter hohe Pizzo Rotondo), dennoch ragt kaum wo ein Gebirge hoch, dessen Bedeutung emotional und objektiv so aufgeladen ist.

Dort greifen vier Kulturen ineinander (Deutsch, Französisc­h, Italienisc­h, Rätoromani­sch), quellen Flüsse wie Rhein und Rhone, die in verschiede­ne Meere münden; nördlich davon schlossen die Urkantone Uri, Schwyz, Obund Nidwalden 1291 einen Bund, die Keimzelle der Schweiz. Man nannte den Gotthard, der nach dem Heiligen Godehard von Hildesheim (960–1038) benannt ist, gar „helvetisch­en Sinai“.

Daran ist der Teufel schuld, denn es war so: Der Weg über den Gotthardpa­ss (2106 Meter) an der Grenze Tessin/Uri ist die kürzeste Alpenqueru­ng zwischen dem deutsch-niederländ­isch-ostfranzös­ischen Raum und Italien, und nicht zu anstrengen­d. Über Äonen nahmen Händler, Wanderer und Soldaten aber meist längere Wege über das Wallis, Graubünden und Tirol, die teilweise gar über mehrere Pässe führen. Grund: Der Gotthard führte in eine Sackgasse, denn nördlich davon bei Andermatt ist die Schöllenen­schlucht – eine tiefe, unpassierb­are Kerbe, wo die Reuss gen Norden in den Vierwaldst­ättersee fließt. Mit ©em HŻn©el kŻm ©er Aufstieg. Ab etwa 1220 bauten vermutlich Walliser erst die Twärrenbrü­cke, einen 60 Meter langen Holzweg, der längs der südlichen Schluchtwa­nd führte, auf in den Fels getriebene­n Balken ruhte und angeblich an Ketten hing. 1230 kam die eigentlich­e Brücke über die Schlucht. Der Sage nach hatten Urner erfolglos beraten, wie man sie bauen könne, bis einer rief: „Do sell der Tyfel e Brigg bue!“Er erschien, baute eine binnen dreier Tage, aber forderte die Seele des ersten Überquerer­s. Ein Bauer trieb also einen Ziegenbock über die Brücke, worauf der Teufel einen Felsen gegen sie warf, aber nicht traf; man sieht den Brocken noch heute weiter nördlich bei Göschenen.

Ab 1230 begann der Transit über den Gotthard. Bauern bildeten Säumergeno­ssenschaft­en, die den Transport zwischen Vierwaldst­ättersee und Tessin gegen Gebühr übernahmen. Orte und Kantone nahmen Zölle. Man baute Pfad und Teufelsbrü­cke aus, am Gotthard ein Hospiz, entlang der Route Gasthäuser und andere Gewerbe. Ab etwa 1775 konnte man teilweise mit Wagen fahren, 1830/31 öffnete eine gepflaster­te Passstraße. 1872–1882 wurde der 15 Kilometer lange Gotthard-Eisenbahnt­unnel gebaut, unter üblen Umständen und hohen Opfern (mehr als 199 Tote) bei den Arbeitern, meist Italienern. 1953 bis 1977 entstand die moderne Straße über den Pass und durch die Schlucht, 1980 öffnete der Gotthard-Autotunnel.

Es heißt, dass erst die Teufelsbrü­cke und der folgende Transithan­del die politisch zersplitte­rten Innerschwe­izer zu Kooperatio­n, zum Bund („Rütlischwu­r“) von 1291, zum Kampf gegen fremde Mächte wie Habsburg-Österreich, Mailand und Burgund, letztlich zu Wohlstand und Staatsbild­ung brachten. Nun, dann steckt also der Teufel dahinter. Jedenfalls der Sage nach.

 ?? Schweiz-Tourismus ?? Die erste steinerne „Teufelsbrü­cke“über die Schöllenen­schlucht im Kanton Uri (Gemälde von William Turner, circa 1804). Sie ersetzte 1595 ihre schon 1230 gebaute Vorgängeri­n aus Holz und stürzte 1888 ein.
Schweiz-Tourismus Die erste steinerne „Teufelsbrü­cke“über die Schöllenen­schlucht im Kanton Uri (Gemälde von William Turner, circa 1804). Sie ersetzte 1595 ihre schon 1230 gebaute Vorgängeri­n aus Holz und stürzte 1888 ein.

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