Die Presse am Sonntag

Bitte nicht vorlesen!

MINI-BÜCHER

- BETTINA STEINER

Zunächst war ich fast ein wenig enttäuscht, als ich das erste Mal die Bücher über die lulatschla­nge Mini in die Hand nahm. Sympathisc­h waren die Geschichte­n, ja. Witzig auch. Und diese Mini: der könnte man jederzeit in einem Wiener Beserlpark begegnen. Doch ich hatte die Nöstlinger schärfer in Erinnerung: als Verfasseri­n von „Der Spatz in der Hand und die Taube auf dem Dach“, in dem sich ein Mädchen immer wieder aufs Klo verzog, weil das der einzige Ort war, wo es seine Ruhe hatte. Oder als Autorin von „Rosa Riedl Schutzgesp­enst“in dem ein Geist erzählt, wie das war: als man die Juden gezwungen hatte, mit dem Zahnbürstl die Straße zu putzen.

Aber ich war voreilig: Wer nämlich die wahre Kunst der Mini-Bücher (und auch der Bücher vom Franz!) verstehen möchte, muss sie einem Kind in die Hand drücken, das eben erst flüssig zu lesen gelernt hat. Da ist jeder Satz so gebaut, dass er rasch erfasst werden kann, da findet man kein Wort, über das ein Volksschül­er stolpern würde, die Länge ist optimal, die Geschichte­n sind aus ihrer Lebenswelt gegriffen. Und vor allem: Es gibt Nachschub!

Deshalb der Rat an alle Eltern: Lest die Geschichte­n von Mini und Franz nicht vor. Kauft keine Hörbücher. Wartet ab, und lasst die Kinder ihre Nöstlinger selber entdecken. „Der Spatz in der Hand“und „Rosa Riedl Schutzgesp­enst“kommen dann später.

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