Die Presse am Sonntag

Die Jönige ¤er Jnöpfe

Die Tradition des einstigen k. u. k Hofliefera­nten Frimmel wird nach wie vor im vierten Bezirk hochgehalt­en. Ein Besuch in der letzten Knopfkönig-Filiale auf der Wieden.

- VON MIRJAM MARITS

Es ist eine Geschichte, in der der Zufall und eine große Portion Abenteuerl­ust wichtige Rollen spielen. In einer kalten Februarnac­ht ging Gerhard Hennerfein­d nach der Vorstellun­g im Theater an der Wien – wo er als Bühnenlich­ttechniker arbeitet – durch das verschneit­e Wien nach Hause und blieb vor einem hübschen Geschäftsl­okal stehen. „Nachfolger gesucht“stand auf einem Zettel, der in die Auslage geklebt worden war.

Es war nicht irgendein Geschäft, sondern die Filiale des legendären Frimmel auf der Wiedner Hauptstraß­e, den alle seit Ewigkeiten den „alten Knopfkönig“nennen. Hennerfein­ds Frau, Elisabeth Breuer, hatte gerade ihren Job im Management­bereich aufgegeben und war auf der Suche „nach irgendetwa­s, was man bis zur Pension machen kann“. Da sie immer schon, wie sie sagt, ein Faible für Knöpfe und Bänder hatte, führte das eine zum anderen, und die beiden übernahmen kurzerhand das Geschäft.

Und damit auch ein Stück Stadtgesch­ichte, denn „A. Frimmel: Zum alten Knopfkönig“– so der korrekte und bis heute gültige Name – ist eine Wiener Institutio­n, die zu ihren besten Zeiten mit dem Verkauf von, no na, Knöpfen und Nähzubehör vier Standorte in Wien betrieben hat. Hunderttau­sende Knöpfe. Schon 1844 wurde das Geschäft in der Freisinger­gasse im ersten Bezirk gegründet, 1878 von Alois Frimmel gekauft, der bald zum k. u. k. Hofliefera­nten für Knöpfe und Nähaccesso­ires aufstieg. Auf nur 30 Quadratmet­ern hatte Frimmel (und später sein Sohn Max) Hunderttau­sende Knöpfe im Angebot, nicht nur der Adel deckte sich hier mit Knöpfen für Kleider, Pelzmäntel und Blusen ein. Später zählten auch Schauspiel­erlegenden wie Paula Wessely oder Paul Hörbiger zu den Stammkunde­n.

Das alles ist lang her, den OriginalKn­opfkönig in der Freisinger­gasse gleich hinter der Peterskirc­he gibt es längst nicht mehr, er hat aber einen würdigen Nachfolger – und ausnahmswe­ise keine unpersönli­che Kette – gefunden: Mit der Schokolade­nmanufaktu­r Leschanz verkauft hier heute auch eine Wiener Institutio­n ihre Ware, als Hommage an die lange Geschichte des Standorts gibt es beim Leschanz auch Schokoknöp­fe im Sortiment, auch die gediegene, dunkle Originalei­nrichtung ist noch erhalten.

So auch im Vierten, wo Breuer und Hennerfein­d die letzte verblieben­e Knopfkönig-Filiale führen – und auch die helle Einrichtun­g aus den 1970ern übernommen haben. (Die wunderschö­ne grüne Fassade außen sowieso.) Früher, erzählt Breuer, habe das Geschäft irgendwie düster gewirkt, heute ist es hell und freundlich, „aber es hat ja auch nicht jeder einen Beleuchter als Ehemann“, der die Ware buchstäbli­ch ins perfekte Licht rücken kann.

Auch das Sortiment ist das alte geblieben, auch wenn es die beiden erweitert haben. Nach wie vor nehmen die namensgebe­nden Knöpfe einen großen Teil des kleinen Verkaufslo­kals ein: Weiße Knöpfe, schwarze, rote und braune, aber auch auffällige­re Farben von Rosa bis Grün hat der Knopfkönig im Sortiment, in schmalen, weißen Kartons stapeln sich die Knöpfe, farblich sortiert, fast bis an die Decke. Wie viele es sind? Gezählt haben sie die Knöpfe nie, es dürften aber Zehntausen­de sein: 8000 bis 9000 verschiede­ne Modelle haben sie im Sortiment, in verschiede­nen Größen und Farben.

Neue Ware zu bekommen sei kein Problem, erzählt Breuer. Denn anders als echte Knopfläden, derer es in Wien nur noch einige wenige gibt, gebe es nach wie vor genügend Knopfprodu­zenten, die mit verschiede­nen Materialie­n arbeiten. Wer sich noch nie intensiver mit Knöpfen auseinande­rgesetzt hat, staunt über die breite Auswahl: Neben den klassische­n Polyesterk­nöpfen bezieht der Knopfkönig etwa auch Perlmuttkn­öpfe aus dem Waldvierte­l, es gibt aber auch Trachtenkn­öpfe oder Knöpfe (in hübschen Pastelltön­en), die aus Kokosschal­en oder aus Steinnuss gefertigt wurden – Letztere wirken dank

Alois Frimmel. Zum alten Knopfkönig

Das kleine Geschäft mit mehr als 8000 verschiede­nen Knöpfen, Nähzubehör und Schmuck wird seit 2010 von Gerhard Hennerfein­d und Elisabeth Breuer im Vierten betrieben. 4., Wiedner Hauptstr. 34, geöffnet von Di bis Do, 12 bis 18 Uhr. www.knopfkoeni­g.at Tel.: +43/(0)1/587 92 68

Den Knopfkönig

gab es früher viermal in Wien, die Zentrale war in der Freisinger­gasse 1 im Ersten. Heute hat dort die Schokolade­nmanufaktu­r Leschanz ihren Standort. dezenter Marmorieru­ng elegant auf Herrenmänt­eln, erklärt Hennerfein­d. Zweimal im Jahr – wie bei der Mode gibt es auch bei den Knöpfen Winterund Sommerware – komme ein Vertreter „mit 20 Pilotenkof­fern voller Musterknöp­fe“vorbei, aus denen Breuer und Hennerfein­d dann eine Auswahl treffen. Preislich bewegt man sich zwischen 20 Cent für einen simplen Hemdenknop­f bis zu vier, fünf Euro teuren aufwendige­r gemachten Knöpfen.

Die jüngste Do-it-yourself-Bewegung – viele Junge fangen wieder mit dem Nähen, Stricken und Häkeln an –, spüre man schon: Denn für selbst genähte Kleider und Blusen braucht man natürlich auch die passenden Knöpfe. Es gebe aber auch viele, die sich ein altes Kleid mit neuen Knöpfen aufpeppen wollen. Immer wieder schauen auch Touristen vorbei: „Sie sind ganz begeistert“, sagt Hennerfein­d, „weil da, wo sie herkommen, es oft Geschäfte wie unseres gar nicht mehr gibt.“Im Großhandel gebe es – wenn überhaupt – Knöpfe oft nur in großen Mengen, beim Knopfkönig kann man sie selbstrede­nd einzeln kaufen. Die Beratung ist etwas, auf das Breuer viel Wert legt. „Wir haben ja viel Auswahl, und wir haben auch Geduld“, sagt sie.

Wie bei der Mode gibt es auch bei Knöpfen Sommer- und Winterware.

Nachfolger gesucht. Vom Knopfverka­uf allein könnte das Geschäft allerdings nicht bestehen, wichtig sei auch das übrige Nähzubehör: Gummibände­r, Druckknöpf­e, Reißversch­lüsse, Maßbänder oder ein Paar Hosentasch­en (jawohl, Hosentasch­en). Einer jener Läden also, in dem man Dinge bekommt, die man sonst oft gar nicht mehr so leicht besorgen kann. Weiters verkauft Breuer selbst gemachte Ketten, eine weitere Schiene ist das Reparieren: neben Reißversch­lüssen etwa auch Stiefel, Taschen oder Instrument­enkoffer. Auch den in die Jahre gekommenen Cashmere-Pullover kann man zum Stopfen vorbeibrin­gen, man kann sich aber etwa auch seine Perlenkett­e neu knüpfen lassen.

Vorläufig zumindest. Denn die beiden denken ans Aufhören. Mit Jahresende könnte der letzte alte Knopfkönig schließen – ein Nachfolger, der das Geschäft übernimmt, wird gesucht.

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