Die Presse am Sonntag

»Viele Leute danken mir«

In der Amazon-Serie »Transparen­t« spielt Jeffrey Tambor eine Transsexue­lle – eine Rolle, für die er besonders viel recherchie­rte, um ja nichts falsch zu machen. Besonders rührt ihn, wenn Eltern sich melden, deren Kinder sich selbst gerade in der Transitio

- VON PATRICK HEIDMANN

Seit er 1977 für eine kleine Rolle in „Kojak“erstmals vor einer Kamera stand, ist Jeffrey Tambor aus dem Fernsehen nicht wegzudenke­n. Er hatte Auftritte in „Love Boat“, „Golden Girls“oder „CSI“. Auch im Kino war er immer wieder zu sehen, etwa in „Rendezvous mit Joe Black“, „Verrückt nach Mary“oder „Hangover“. Doch erst seit er in „Transparen­t“die Hauptrolle der transsexue­llen Maura spielt, ist der 72-Jährige wirklich zum Star geworden. „Transparen­t“ist – zumal thematisch – eine sehr ungewöhnli­che Serie. Wie früh haben Sie realisiert, dass dies nicht einfach nur ein Job wie jeder andere ist? Jeffrey Tambor: Eigentlich von Beginn an. Deswegen habe ich mich ja darauf eingelasse­n. Nachdem ich einmal das Drehbuch in der Hand hatte, konnte sich Jill Soloway, die „Transparen­t“Schöpferin, meiner gar nicht mehr erwehren. Mein Agent fragte ständig: „Willst du nicht erst darüber nachdenken? Hast du nicht noch Fragen?“Aber ich war meiner Sache sofort sicher. Gab es irgendjema­nden, der Ihnen abgeraten hat, die Rolle von Maura zu spielen? Ich wurde schon manches Mal gefragt, ob ich die Sache mit meiner Familie besprochen hätte. Aber warum sollte ich? Es ging bei dieser Rolle nur um mich und um Maura. Auch und gerade weil ich so viel Respekt vor ihr hatte. Vor der Herausford­erung, die die Rolle darstellte? Ja, genau. Es ist durchaus einschücht­ernd, wenn man als Cisgender-Mann eine Transgende­r-Frau spielt. Ich will in einem solchen Fall natürlich nichts falsch machen, was auch immer das heißt. Auch jetzt, da wir mit der Arbeit an der vierten Staffel anfangen, ist die Herausford­erung nicht kleiner geworden. Meine Hände zittern immer noch vor Nervosität. Ich habe mich nur inzwischen daran gewöhnt. Sie sind seit 40 Jahren Schauspiel­er. Ist Maura die Rolle Ihres Lebens? „Transparen­t“ist auf jeden Fall die schwierigs­te Aufgabe, der ich mich je gestellt habe. Aber eben auch die wunderbars­te Herausford­erung, die ich mir vorstellen kann. Vieles, was im Vorfeld schwierig wirkte, war es letztlich nicht. Alles Äußere – das Make-up oder die Kostüme – war eigentlich ein Kinderspie­l und hat vor allem Spaß gemacht. Mauras Innenleben dagegen war ein

Jeffrey Tambor

(geb. 1944) feierte 1977 sein Fernsehdeb­üt in der TV-Serie „Kojak – Einsatz in Manhattan“. Insgesamt spielte er in mehr als 120 Fernsehser­ien und Spielfilme­n.

Aktuell

ist er in der TV-Serie „Transparen­t“auf Amazon Prime zu sehen, in der er eine Transsexue­lle spielt. echter Brocken. Nie in meinem Leben musste ich in eine Rolle mehr Jeffrey einbringen als in diese. Haben Sie viel recherchie­rt, um dem Thema gerecht zu werden? Selbstvers­tändlich. Ich habe mit vielen wunderbare­n Trans-Menschen gesprochen und tue es noch. Zwei unserer Produzente­n – Rhys Ernst und Zackary Drucker – zum Beispiel sind beide Transgende­r. Sie sind so etwas wie meine Lehrer, jeden Tag am Set und stehen mir mit Rat und Tat zur Seite. Es gibt nichts, was ich sie nicht frage, ob es nun um große philosophi­sche Fragen geht oder um ganz pragmatisc­he Alltäglich­keiten. Überhaupt ist das Team von „Transparen­t“von einer Diversität geprägt, die in Hollywood sonst selten ist, oder? Das stimmt. Und diese Vielseitig­keit der Stimmen, die unsere Geschichte erzählen, macht den großen Unterschie­d aus. Ich habe in meinen 40 Jahren in diesem Beruf noch nie an einem Set gearbeitet, an dem sich jeder – egal, ob Mann oder Frau, cis oder trans, homo- oder heterosexu­ell, weiß oder schwarz – so sicher und aufgehoben gefühlt hat. Eine solche Offenheit müsste viel häufiger herrschen. Spüren Sie Veränderun­gen, in Hollywood wie in der Gesellscha­ft allgemein? Das würde ich schon sagen. Natürlich gibt es immer noch schrecklic­he Momente. Erst neulich wieder wurde ich wegen „Transparen­t“auf Twitter als „krank“beschimpft. Aber dieser unangenehm­e Lärm verstummt zusehends. Und ich bin hoffnungsv­oll, dass die jüngeren Generation­en auf Dauer solch reaktionär­en Mist nicht mitmachen werden. Zumal Sie doch hoffentlic­h auch sehr viele positive Reaktionen auf Ihre Arbeit in „Transparen­t“bekommen, oder? Immer wieder sprechen mich Leute an und danken mir. Besonders gerührt bin ich, wenn mir Leute von ihren Kindern erzählen, die sich gerade in der Transition von Mann zu Frau oder andersheru­m befinden oder sie hinter sich haben. Eine erfüllende­re Erfahrung kann ich mir nicht vorstellen.

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AFP „Transparen­t“Maura in der TV-Serie seine Rolle als Transsexue­lle Jeffrey Tambor hat durch Trans-Mensch gelernt. viel über das Leben als

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