Die Presse am Sonntag

»Die Zauberflöt­e« fegt kurz das Musical hinweg

DŻs neue »Schikanede­r«-Musical im RŻimun©-TheŻter ist eine chŻrmŻnte Schmonzett­e un© perfekt einstu©iert. MŻrk Seiãert, MilicŻ JovŻnovi´c, KŻtie HŻll ãegeistern.

- VON BARBARA PETSCH

Wie lautet die Übersetzun­g von „Think big“? „Träume groß!“Fürwahr. Im Wiener Raimund-Theater wurde Freitagabe­nd „Schikanede­r“uraufgefüh­rt. „Die turbulente Liebesgesc­hichte hinter der Zauberflöt­e“verursacht­e teils Begeisteru­ng, teils entrüstete­s Kopfschütt­eln beim Publikum. Jungen Leuten könnte das neue Musical gefallen, folgt es doch TV-Telenovela­s wie „Sturm der Liebe“, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.

Das Theater auf der Wieden ist pleite, Prinzipali­n Eleonore bekommt als Frau keine Betriebsge­nehmigung. Als Retter in der Not will Eleonores Freundin Barbara dieser ihren Exmann, Emanuel Schikanede­r, unterjubel­n. Eleonore tobt und erzählt dem Ensemble, das um seine Jobs bangt, ihre Geschichte.

In Innsbruck lernte sie als junge Schauspiel­erin Joseph Johann Schikanede­r kennen, der sich in Emanuel umbenannte, weil das besser klingt. Die beiden verliebten sich – und hatten große Erfolge auf der Bühne, bevor sie sich wegen Emanuels Affären zerstritte­n. Eleonore verließ ihren Mann und ging mit dem schüchtern­en, schwächlic­hen Johann Friedel nach Wien – wo dieser verblich. Rosenkrieg. Unter sorgfältig­er Vermeidung der „Zauberflöt­e“ein Musical rund um deren Librettist­en und ersten Papageno, Schikanede­r, zu bauen ist nicht einfach. Zu erleben ist ein Rosenkrieg, wie wir ihn eben wieder in den Klatschspa­lten gierig verfolgen dürfen: Brad! Angelina! Wiens städtisch finanziert­e Vereinigte Bühnen haben keine Kosten und Mühen für „Schikanede­r“gescheut. Sie sind diesmal mit mehr Fortüne unterwegs als zuletzt etwa mit der eher schauerlic­hen „Evita“.

Einige edle angelsächs­ische Veteranen des Musicalgen­res wurden für die Novität aufgeboten: Stephen Schwartz, 1948 in New York geboren, schrieb Lieder und Songtexte; der 76-jährige Trevor Nunn, jüngster und am längsten dienender Intendant der Royal Shakespear­e Company, aber auch Partner von Musicalkön­ig Andrew Lloyd Webber, in- szenierte „Schikanede­r“. Und Wiens Musicalint­endant Christian Struppeck verfasste, angeblich ohne Extrahonor­ar, das Buch. Die Musik plätschert dahin, die Geschichte ist herzig, die Inszenieru­ng perfekt – was auch für die musikalisc­he Leitung von Koen Schoots gilt. Die Besetzung ist bestens bis Durchschni­tt. Dreiste Ehestörung. Es ist immer wieder schwer, Akteure zu finden, die Singen, Spielen und Tanzen in gleichwert­iger Spitzenqua­lität beherrsche­n. Der Frankfurte­r Mark Seibert ist großartig als Schikanede­r, ein eitler und liebenswer­ter Beau, der keinen Flirt auslassen kann, sogar mit einer Fürstengat­tin ins Bett hüpft und großspurig Verspreche­n gibt, die er nicht einhalten kann.

Milica Jovanovic´ spielt die leidgeprüf­te Eleonore, die erst im zweiten Teil mit „Mein Lied“ihren großen Auftritt hat. Katie Hall begeistert stimmlich und spielerisc­h als dreiste Soubrette, die mit Schikanede­rs Baby im Bauch die perplexe Eleonore aufklärt, wie sie ihr den Mann wegschnapp­en wird. Er macht aber nicht so richtig mit. Viele Figuren wie die Sängerin Josepha Hofer, Schikanede­rs Rivale Marinelli oder der Finanzier Bauernfeld sind übrigens authentisc­h. Man bekommt einen spannenden Einblick, wie Theater im 18. Jahrhunder­t funktionie­rt hat. Als riskantes Riesengesc­häft.

Anthony Ward, auch er ein berühmter Oldie der Branche, entwarf Bühne und Kostüme. Er baute eine tolle barocke Wunderkamm­er mit Scheinarch­itektur und Ballonproj­ektion. Mozart selbst tritt nicht auf. Von ihm, dem versoffene­n Spieler, ist bloß die Rede. Tatsächlic­h war er damals bereits ziemlich berühmt.

Er starb bald nach der „Zauberflöt­e“-Uraufführu­ng 1791. Mit den gewaltigen Einnahmen baute Schikanede­r das Theater an der Wien. Einmal gegen Schluss der Aufführung erklingt eine Passage aus der „Zauberflöt­e“, die wie eine riesige, sanfte Woge das ganze „Schikanede­r“-Getue und Gedudel hinwegschw­emmt. Trotzdem: ein netter Abend.

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