Die Presse am Sonntag

Trumps Werk und Putins Beitrag

In Syrien entscheide­t sich die neue Weltordnun­g. Trotzdem spielt der Krieg im US-Präsidents­chaftswahl­kampf keine Rolle. Das ist erschrecke­nd niveaulos für eine Supermacht wie die USA.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Die Welt ist aus den Fugen, und die USA belästigen die Menschheit seit Monaten mit einem Wahlschauk­ampf, der alle bisherigen Grenzen der Banalität unterschre­itet. Jedes Mal, wenn man glaubt, es geht nicht mehr tiefer, schafft es Donald Trump noch einmal, das Niveau zu senken. Und die Archivare und Schmutzküb­elbrigade seiner Gegnerin Hillary Clinton helfen dabei gern nach. Jetzt tauchte ein Video von 2005 auf, in dem Trump prahlt, wildfremde­n Frauen nach Lust und Laune zwischen die Beine grapschen zu können. „Wenn du ein Star bist, lassen sie es zu.“Einfach widerwärti­g, einfach Trump.

Vielleicht dämmert nun endgültig der Mehrheit der Amerikaner, dass dieser Mann weder die charakterl­ichen noch die intellektu­ellen Fähigkeite­n für das höchste Amt im Staat mitbringt. Vielleicht aber auch nicht.

Fest steht jedenfalls, dass in unruhigen Zeiten wie diesen eine profession­ell geführte Supermacht nötiger denn je wäre. Doch die Weltkrisen von der Ukraine bis Syrien spielen in diesem erbärmlich­en Dauerwahlk­ampf nicht einmal am Rand eine Rolle, stattdesse­n: Sex, Lügen, Videos und tumbe Sager. In US-Präsidents­chaftsrenn­en wurde schon immer hart gekämpft, auch unter der Gürtellini­e. Doch wenn eine Gesellscha­ft in medial aufgeheizt­er Wrestling-Atmosphäre gar nicht mehr in der Lage ist, wesentlich­e Fragen ernsthaft zu debattiere­n, ist das schon ein Verfallsze­ichen, vor allem, wenn es sich dabei um eine Weltmacht handelt.

Unangefoch­tene Ordnungsma­cht sind die USA bereits länger nicht mehr. US-Präsident George W. Bush verspielte den unilateral­en Moment im Irak-Krieg. Sein Nachfolger Barack Obama blies zum Rückzug. Ein Vakuum entstand, Russland und Regionalmä­chte wie der Iran und Saudiarabi­en stießen hinein. Präsident Putin roch die Schwä- che der Amerikaner und schaltete auf Konfrontat­ion, weil er ahnte, dass Obama ausweichen und keinen harten militärisc­hen Widerstand leisten werde.

Aus russischer Sicht entscheide­t sich die neue Weltordnun­g in Syrien. Und Putin will die Übergangsz­eit vor dem Amtsanritt des oder der neuen US-Präsident(in) nützen, um mit aller Gewalt Fakten in seinem und im Sinn seines Schützling­s in Damaskus, Bashar al-Assad, zu schaffen. Es war eine Illusion zu glauben, dass Moskau je Assad fallen lassen könnte. Russland will seine Interessen in Syrien wahren, und dafür hat es keinen anderen Verbündete­n als Assad. Wenn er geht, bricht das ganze Clansystem zusammen und Putin steht mit leeren Händen in der syrischen Ruinenland­schaft da. Misstrauen. Gleichzeit­ig wissen auch die Russen, dass es keine militärisc­he Lösung in Syrien gibt, weil keine Seite gewinnen kann. Den Amerikaner­n riss angesichts des Dauerbomba­rdements auf Aleppo die Geduld, doch sie werden an den Verhandlun­gstisch mit Russland zurückkehr­en. Denn letztlich bleibt in einem Stellvertr­eterkrieg, in dem einander ethnisch-religiöse Gruppen sowie Regional- und Supermächt­e erbittert gegenübers­tehen, keine andere Wahl, wenn ein Weltenbran­d verhindert werden soll.

Noch suchen Russland und die USA nach Feldern der Kooperatio­n. Gemeinsam unterschri­eben sie das Atomabkomm­en mit dem Iran, gemeinsam kürten sie zuletzt Antonio´ Guterres zum UN-Generalsek­retär. Sie haben auch überschnei­dende Interessen in Syrien: Beide wollen den Zerfall des Staates verhindern, beide betrachten die Terrormili­z IS als Feind. Daraus ließe sich bei gutem Willen ein Stabilität­spakt für Syrien schmieden. Wahrschein­licher jedoch bleibt, dass der unüberscha­ubare Krieg angesichts der vielen Akteure noch Jahre weitertobt. Und damit steigt das Risiko, dass der Konflikt außer Kontrolle gerät. Denn das Misstrauen zwischen Russland und den USA wächst.

Wenn Clinton die Wahl gewänne, begänne das gefährlich­e Spiel von vorn. Denn sie schlüge einen härteren Kurs in Syrien ein. Wenigstens der Kreml hat also rationale Gründe, Trump zu unterstütz­en, womöglich mit Hackerangr­iffen auf US-Demokraten.

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