Die Presse am Sonntag

Als die Grünen die Au verließen

Die Grünen feiern 30 JŻhre im PŻrlŻment. WŻs Żls SŻmmelãeck­en für Aktivisten ãegŻnn, ist heute ein etŻãlierte­r Kluã. Die grüne Grün©ergenerŻti­on im NŻtionŻlrŻ­t ãlickt zurück un© vorŻus: von Żnf´nglichen Schwierigk­eiten ãis zu einer Bewegung, ©ie erwŻchsen

- VON IRIS BONAVIDA

Ein paar Tage bevor es ernst wird, unternimmt Andreas Wabl einen Spaziergan­g. Es ist kalt, Mitte Dezember, und sein Ausflug führt ihn in den ersten Bezirk. Einmal um das Parlament. Irgendwann klopft Wabl am Eingangsto­r an. Der Vizeparlam­entsdirekt­or, ein sehr lateinaffi­ner Mensch, begrüßt ihn: „Salve, salve!“Nach einem kurzen Gespräch ist er ganz erleichter­t, dass Wabl so freundlich und normal ist. „Die Grünen sind also auch nur Menschen, dachte er sich wohl“, erinnert sich Wabl heute.

Wenig später, am 17. Dezember 1986, zieht Wabl in das Parlament ein. Ganz offiziell. Er ist einer von acht Abgeordnet­en der Grünen, die vor 30 Jahren erstmals in den Nationalra­t kommen. Nach SPÖ, ÖVP und FPÖ gibt es nun eine neue, vierte Kraft im Parlament. Daran müssen sich die anderen Mandatare erst gewöhnen. Vor allem aber auch die Grünen selbst. Es soll Jahre dauern, bis aus der Gruppe tatsächlic­h ein Klub entsteht. Und das, obwohl viele Anhänger eine Bewegung, keine Partei gründen wollten. Erste Schritte. Dass es im Dezember 1986 zum grünen Einzug kommt, ist die Folge verschiede­nster Faktoren: Acht Monate zuvor, am 26. April, explodiert der Atomreakto­r in Tschernoby­l. Drei Monate vorher, am 13. September, wird Jörg Haider in Innsbruck zum FPÖChef ernannt. Die Aufmerksam­keit für ökosoziale Themen einerseits, der Aufstieg der Freiheitli­chen anderersei­ts waren Antrieb der Gründergen­eration.

Die Wurzeln dieser Bewegung, um im sprachlich­en Biotop der Grünen zu bleiben, liegen allerdings tiefer: im Kampf gegen die Inbetriebn­ahme des Wahlergebn­isse bei NR-Wahlen Atomkraftw­erks in Zwentendor­f und gegen das Wasserkraf­twerk Hainburg. Dort wurde die Basis einer grünen Bewegung geschaffen. Das Problem: Die verschiede­nen Strömungen (von alternativ zu bürgerlich) konnten sich nicht auf eine Linie einigen. 1986 konnten sie es – zunächst – doch: Freda MeissnerBl­au, maßgeblich an den Protestbew­egungen beteiligt, meldete im Innenminis­terium „Die Grüne Alternativ­e“an. Bei der Nationalra­tswahl erhielten sie 4,8 Prozent. Und eben acht Sitze im Parlament. GrŻbenk´mpfe. Der Klub war so bunt gemischt, wie es die Bewegung zu dieser Zeit auch war: Neben Chefin Meissner-Blau zogen Behinderte­nsprecher Manfred Srb sowie Slowenenve­rtreter Karel Smolle (Foto rechts) ein, aber auch Staatsanwa­lt Walter Geyer sowie Josef Buchner und Herbert Fux vom bürgerlich­en Flügel und Andreas Wabl und Peter Pilz von der linken Fraktion.

Diese Mischung machte sich bemerkbar, allerdings auch im negativen Sinn: „Wir waren kein eingefleis­chter Klub, zum Teil haben wir uns erst im Parlament kennengele­rnt“, erzählt Karel Smolle. Und die Zusammenar­beit funktionie­rte nicht, zumindest nicht mit allen. „Freda Meissner-Blau hat sehr unter den Grabenkämp­fen gelitten“, erzählt auch Josef Buchner.

Der Erste, der den Klub verlassen musste, war allerdings er, als Vertreter von bürgerlich­eren Positionen. Sein Mandat behielt er – als freier Abgeordnet­er. 1988 warf auch Meissner-Blau entnervt das Handtuch. Geyer und Fux taten es ihr nach.

Aber auch im Hohen Haus tat man sich schwer mit dem neuen Klub voller Abgeordnet­er, die sich gegen das System stellten. „Wir waren die Exoten“, erzählt Buchner. „Allein schon deswegen, weil ich der einzige der grünen Abgeordnet­en war, der einen Anzug getragen hat.“Srb erinnert sich: „Sie haben ängstlich und skeptisch auf uns geschaut. Wir waren eine Frischzell­enkur.“Allein aus praktische­n Gründen war das Parlament schon überforder­t. Zunächst mussten sieben Abgeordnet­e im ehemaligen Raucherkam­merl der SPÖ unterkomme­n, weil es kein freies Büro gab. Meissner-Blau konnte immerhin im Vorzimmer von Alois Mock arbeiten, erzählt Wabl. FŻst 13 Stun©en re©en. Das Parlament lernte durch die Grünen aber auch den Aktionismu­s kennen. Aus Protest gegen den damaligen Präsidente­n, Kurt Waldheim, rollte Wabl eine Hakenkreuz-Fahne aus, um zu zeigen, unter welcher Flagge dieser „seine Pflicht erfüllt“habe. Später, 1993, hielt Madeleine Petrovic eine Marathonre­de von zehn Stunden und 35 Minuten. Den Rekord brach übrigens später ihr Parteikoll­ege Werner Kogler, der es auf beinahe 13 Stunden brachte.

Erst nach einigen Jahren wurde es den Grünen bewusst, dass sie ein Klub, eine Partei sind. Vor allem unter Alexander Van der Bellen sei Ruhe eingekehrt, meint Smolle. „Er hat den Grünen wahrschein­lich über den Rubikon verholfen.“Als er 1997 nach herben Wahlverlus­ten der Grünen den Chefposten übernahm, habe er eben diese gewisse Ruhe hereingebr­acht.

Richtig erwachsen mussten die Grünen allerdings erst werden, als es um eine Regierungs­beteiligun­g ging. Nachdem die Gespräche auf Bundeseben­e mit der ÖVP 2003 scheiterte­n, konnten sich die beiden Parteien aber immerhin auf Landeseben­e in Oberösterr­eich einigen. Vor allem 2014 war ein Erfolgsjah­r für die Grünen in den Ländern: Mittlerwei­le sind sie in Tirol, Vorarlberg, Kärnten, Salzburg und Wien in den Regierunge­n vertreten. In Oberösterr­eich stellen sie nun – proporzbed­ingt – einen Landesrat.

Im Bund sollte es allerdings nicht funktionie­ren. Nicht unter Alexander Van der Bellen (als die Gespräche mit der ÖVP kurz vor der Einigung wegen interner Widerständ­e platzten) und auch nicht unter Eva Glawischni­g, die 2008 den Chefposten übernahm. Bei der vergangene­n Nationalra­tswahl erhielt die Partei nur 12,4 Prozent.

Sich als Koalitions­partner ins Spiel zu bringen dürfte auch in Zukunft schwierig bleiben. Als Alexander Van der Bellen Anfang des Jahres öffentlich machte, als Bundespräs­ident zu kandidiere­n, nahmen sich die Grünen eines vor: sich ruhig zu verhalten. Massentaug­lich sind ihre Forderunge­n nicht. Um in die Hofburg einzuziehe­n, braucht Van der Bellen aber mehr als die Hälfte der Stimmen der Bevölkerun­g. Dass sich der Wahlkampf bis zum Ende des Jahres zieht, konnte dabei niemand ahnen, sagt Glawischni­g selbst dazu (siehe Interview rechts).

Die Grünen mussten ins ehemŻlige RŻucherkŻm­merl ©er SPÖ ziehen.

DreikŻmpf. Doch während die Grünen sich bemühen, nicht aufzufalle­n, ist schon ein Dreikampf zwischen dem neuen SPÖ-Chef, Christian Kern, dem wahrschein­lich künftigen ÖVP-Obmann, Sebastian Kurz, und dem langjährig­en FPÖ-Chef, Heinz-Christian Strache, entbrannt. Um wieder ins Gespräch zu kommen, müssten die Grünen mutiger sein – sich vielleicht wieder etwas mehr auf ihre Wurzeln, ihren Aktionismu­s besinnen. Das glaubt zumindest so manch einer der ehemaligen Abgeordnet­en – obwohl man gleichzeit­ig die Erfolge im Parlamenta­rismus,

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