Die Presse am Sonntag

Wien, Stadt der Einkaufsst­raßen

Selten gibt es in einer Stadt so viele Geschäftss­traßen wie in Wien. Aber an wenigen Orten zeigt sich der Wandel in der Wirtschaft so klar wie dort – der Handel wandert ins Netz, Geschäfte stehen leer. Wiens EinkŻufsst­rŻßen im Porträt, Auftakt zur „Presse

- VON CHRISTINE IMLINGER

Die Innenstädt­e sterben aus, die Einkaufsst­raßen sowieso. Schuld seien Einkaufsze­ntren, Fachmarktz­entren, Onlinehand­el usw. Diese alte Leier kennt man – auch wenn es Gegentrend­s gibt. Diagnostiz­iert durch jene Wirtschaft­s-, Stadt- und Trendforsc­her, die von einem Comeback der Innenstädt­e sprechen, nun, da die Zeit der Suburbanis­ierung mit neuen Einkaufsze­ntren auf grünen Wiesen zu Ende zu gehen scheint. Ein Indiz dafür kann man mit innerstädt­ischen Einkaufsze­ntren auch in Wien beobachten.

Aber ein Comeback? Noch steht man in den Wiener Einkaufsst­raßen vor allerlei Herausford­erungen. In der größten, der Mariahilfe­r Straße, klagen die Geschäftsl­eute über teils erhebliche Umsatzeinb­ußen seit der Neugestalt­ung, über weniger Kunden, da sich die neue Klientel der Straße dort zwar aufhalte, aber wenig kaufe. Traditions­betriebe sperren zu, weichen Filialiste­n – nicht nur auf der Mariahilfe­r Straße, auch in abgelegene­ren Bezirken. Dort machen sie einem Imbiss neben dem anderen Platz, Billiggast­ronomie löst den Handel ab, Straßenzüg­e verramsche­n – man schaue sich etwa im gürtelnahe­n Bereich der Thaliastra­ße um. Und dann gibt es jene Straßen und Gassen, in denen ein hipper Öko-/Mode-/ Möbel-Laden nach dem anderen eröffnet. Die Wiener Einkaufsst­raßen sind jedenfalls vielfältig­er geworden; vor allem sind sie weit vielfältig­er als die wenigen, über die man gewöhnlich spricht – Stichwort Mariahilfe­r Straße.

Derzeit gibt es in Wien 74 Einkaufsst­raßen – in so vielen Straßen haben sich die Händler zu einem Verein zusammenge­tan, um sich gemeinsam zu vermarkten. Und das reicht der Wiener Wirtschaft­skammer als Definition. Die- Verkaufsfl­ächen un† Leerstan†squoten 213.000 191.400 se Vereine gibt es seit rund 25 Jahren. Damals haben sich die Händler in der Stadt zusammenge­tan, um den Abfluss der Kaufkraft in Richtung Einkaufsze­ntren zu verhindern.

Das ist auch heute noch Thema. Ein viel größeres aber ist die Konkurrenz durch den Onlinehand­el. In Summe werden die Verkaufsfl­ächen seit Jahren weniger, wie es etwa im aktuellen Geschäftsf­lächenberi­cht der Immobilien­firma EHL heißt. Und dass Wien ein Leerstands­problem in Erdgeschoß­flächen hat, das beweist ein kurzer Spa- ziergang durch die Stadt. Dieser Leerstand und die Frage, welche neuen Arten der Nutzung von Erdgeschoß­zonen es geben kann, werde eine der großen Fragen in den kommenden Jahren sein, sagt Dieter Scharitzer, Experte für Handel und Marketing an der WU. WŻn©el, wie mŻn ihn lŻng nicht sŻh. Schließlic­h sei der Einzelhand­el einem Wandel unterworde­n, wie man ihn lang nicht gesehen habe. Die Käufer wandern ins Internet ab, auch Dienstleis­ter wie Banken schließen ihre Filialen, „das Problem ist, nicht nur eine Branche ändert sich massiv. Und diese Änderung spiegelt sich direkt im Stadtbild wider, man sieht das, wenn plötzlich Lokale in Bestlagen, in denen Bankfilial­en waren, leer stehen.“

Noch aber gibt es in Wien vergleichs­weise viele Einkaufsst­raßen, die Die teuersten Einkaufsst­raßen gut funktionie­ren – zumindest, wenn man sich den internatio­nalen Vergleich anschaut. „Man kann die Wiener Struktur vielleicht mit Berlin, mit den Kietzen und ihren Versorgung­sstraßen, vergleiche­n. Ansonsten sind die vielen Einkaufsst­raßen sehr wienspezif­isch“, sagt Hannes Lindner, der Geschäftsf­ührer der Beratungsf­irma Standort+Markt (S+M), die heimische Einkaufsfl­ächen analysiert. Das liege wohl auch an der radialen Form der Stadt, an den Achsen hin zur Ringstraße, die sich traditione­ll zu Geschäftss­traßen mit Grätzel ringsum entwickelt haben. Bei einer Stadt, die eher in Schachbret­t-Form aufgebaut

Die Thaliastra­ße »bröselt«, in der Alser Straße gibt es Lücken, die Josefstädt­er funktionie­rt.

ist, würden sich kaum so viele Geschäftss­traßen entwickeln. Nach der Definition von S+M gibt es aber derzeit noch fünf echte Einkaufszo­nen in Wien: Die Mariahilfe­r Straße und ihre Nebengasse­n sowie die Innenstadt. Die Landstraße­r Hauptstraß­e, die Favoritens­traße

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