Die Presse am Sonntag

Die Straße mit dem Charme des Uneinheitl­ichen

Altes Handwerk trifft Hipster-Chic: Die Lerchenfel­der Straße hat alles andere als ein einheitlic­hes Profil.

- VON ERICH KOCINA

Ein Motto wird schwierig. Wie sollte man sie auch in einem Satz erklären, die Lerchenfel­der Straße? Da sind bodenständ­ige Geschäfte, die Schlossere­i und Eisenwaren­handlung oder die Änderungss­chneiderei. Und auf der anderen Seite Läden, die gern mit dem Wort Hipster kategorisi­ert werden – so wie das „Passt gut“zum Beispiel, ein Concept-Store, in dem Kaffee ausgeschen­kt und Mode verkauft wird. „Diese Uneinheitl­ichkeit, diese Kontraste schaffen eine tolle Atmosphäre“, sagt Gernot Ebner, der das Geschäft mit einer Partnerin im Juni 2014 eröffnet hat.

„Wir haben lang im siebten Bezirk gesucht“, erzählt er. Doch rund um die Mariahilfe­r Straße waren die Mieten kaum leistbar. Schließlic­h fand sich das Lokal auf der Lerchenfel­der Straße. „Das hat von der Größe genau gepasst – und die Miete war auch nicht so hoch.“Schon damals hatte er das Gefühl, dass hier etwas im Entstehen ist. Dass die Straße auch so etwas wie eine Szene bekommen könnte. Beleben, dieses Wort würden Standortex­perten wohl dabei in den Mund nehmen. Denn so wirkliches High Life herrschte auf der Straße, die die Grenze zwischen Neubau und der Josefstadt bildet, eher noch nicht. Leere Geschäftsl­okale. Das spiegelt sich auch in den Leerstände­n wider. Je näher beim Gürtel, desto dünner wird die Geschäftsl­andschaft. „Es gibt an die 2000 Anfragen pro Jahr“, sagt Wolfgang Primisser, „aber viele Lokale sind nicht zu vergeben, weil die Besitzer dort Garagen bauen wollen.“Immerhin, meint der Obmann der IG-Kaufleute Lerchenfel­der Straße, habe man das jetzt gestoppt – weil die Bezirke keine Genehmigun­gen mehr dafür geben.

Doch von einer durchgehen­den Einkaufsme­ile von der Zweierlini­e bis zum Gürtel ist man nach wie vor weit entfernt. Dazu kommt, dass sie als Durchzugss­traße mit Straßenbah­n- schienen und Autoverkeh­r in beide Richtungen nicht unbedingt zum gemütliche­n Bummel einlädt. Und doch haben die Kaufleute in den vergangene­n Jahren mehrere Initiative­n gesetzt, um die Straße attraktive­r zu machen. Eine simple Maßnahme der IG waren etwa eigens kreierte weiße Sitzbänke, die individuel­l dekoriert und vor den Geschäften aufgestell­t werden können. „Das war unsere erste Kulturzone­naktivität“, sagt Primisser: „Um die Menschen länger auf der Straße zu halten.“

Und auch mit dem Biomarkt, der jeden Freitag vor der Schottenfe­lder Kirche abgehalten wird, habe man potenziell­e Kunden angelockt. Wobei die Straße trotz allem nicht die große Strahlkraf­t hat, um Menschen aus ganz Wien herzulocke­n. Der Großteil der Kunden kommt aus der Nachbarsch­aft, aus Neubau und der Josefstadt. Nicht zuletzt deshalb hat die Lerchenfel­der Straße auch den Charakter des Nahversorg­ers.

Um die Anrainer besser zu erreichen, hat man sich auch mit den Kaufleuten der Josefstädt­er und der Alser Straße zu einem Verbund zusammenge­schlossen – „Cross 8“heißt die Initiative, mit der gemeinsame Werbeaktio­nen und Veranstalt­ungen koordinier­t werden. Auch mit Unterstütz­ung des achten Bezirks, der etwa das Porto für diverse Aussendung­en übernimmt. Gastronomi­e als Zugpferd. Zuletzt hat die Einkaufsst­raße aber auch noch weitere Zugpferde bekommen – durch die Gastronomi­e nämlich. Von der Bäckerei Felzl über das Fischlokal Goldfisch bis zum internatio­nalen Restaurant Westpol und dem Vietnamese­n Nguyen’s Pho House haben sich hier einige spannende Lokale angesiedel­t. Lokale, die auch Leute außerhalb der Nachbarsch­aft anlocken. Und so womöglich mithelfen, die Lerchenfel­der Straße auch als Einkaufsst­raße ein bisschen bekannter zu machen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria