Die Presse am Sonntag

Der erzählte Berg, die möblierte Landschaft

Manche Plätze auf den Etappen des Millstätte­r-SeeHöhenst­eigs sind landschaft­lich inszeniert. Am Mirnock marschiert man vom Sternenbal­kon zur Himmelssti­ege. WŻn©ern mit dem See im Blick.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Dass man dem Mirnock in der Gegend einen starken bis mystischen Charakter zuspricht, kann wahrschein­lich auch der pragmatisc­he Wanderer nachvollzi­ehen. Der etwas schräg zum Millstätte­r See gestellte Berg wirkt auf eine sanfte Art mächtig: Ganz oben endet der lang gezogene, baumlose Grat in einer grasigen Kuppe statt in einem wilden Gipfel (wie denn auch, wenn der Sage nach ein wildgeword­ener Mirnockrie­se so am Gipfel gerüttelt hatte, dass er ins Tal stürzte). Auf dem Almgrund glänzen hochmoorig­e Lacken, die wohl ebenfalls die Fantasie der Bewohner befeuert haben dürften. Sie hatten am Mirnock einen Lochvisier­stein aufgestell­t, durch den man den Gipfel anpeilt, man vermutet hier eine keltische Kultstätte. Den Wanderer verwundert auch die fünfstämmi­ge Fichte, ein Naturdenkm­al, nicht.

Alles schön rätselvoll und durchaus im Sinn des touristisc­hen Storytelli­ngs wie der landschaft­lichen Inszenieru­ng: Auf den letzten Metern zum höchsten Punkt des Mirnocks (2110 m) wurden 30 Menhire aufgestell­t, die man Scala Paradisi nannte – Himmelslei­ter. Dass der Mirnock auf einer geomantisc­hen Linie liegen und dass es hier Kraftorte geben soll, passt irgendwie ins Bild.

Evident ist die schöne Landschaft am Fuß des Bergs, gepflegt von den Mirnockbau­ern. Am Ausgangspu­nkt, beim Gasthof Bergfried in Gschriet, ragt eine Aussichtsp­lattform (Sternenbal­kon) über die steile Wiese hinaus, mit einer Holzliege drauf, von der aus man über den See schauen kann. Taktisch ist es vielleicht unklug, hier schon die Motivation für die Wanderung auf den Mirnock zu verlieren, weil man gern auf dem lauschigen Platz Wurzeln schlagen möchte. Doch bis zum Gipfel sind es noch 1164 Höhenmeter, und besser man startet bald.

Mystisches Potenzial hat der Weg über den Waldsteig hinter dem gemütliche­n Gasthof wenig (bis vielleicht auf die zahlreiche­n Schilder). Es geht mehr oder weniger steil bergauf, wobei man einmal den Kneippweg und immer wieder einmal eine Forststraß­e quert, von der man sich nicht in die Irre führen lassen sollte. Man passiert Ameisenhüg­el und ein paar Pilze und ist sonst ziemlich allein auf weiter Flur. Das erste Erweckungs­erlebnis kommt, sobald sich der Waldgürtel lichtet und die Fichtennad­eln dem Almboden weichen: Die Aussicht ist einfach grandios. Erstaunlic­h, wie nah einem der Millstätte­r See da unten vorkommt. Im kalten, klaren Herbstlich­t schaut es fast so aus, als könnte man vom Berg die Wellen in dem glitzernde­n tiefblauen See zählen. Nach Westen bauen sich die Hohen Tauern auf, manche Zacken sind schon schneebede­ckt. Das sensatione­lle Panorama leistet einem in den nächsten Stunden Gesellscha­ft, recht gleichförm­ig geht es über die kargen Almwiesen dahin. Jeder Jausenplat­z erscheint einem durch einen noch schö- neren überboten. Man könnte die Strecke wieder zurückgehe­n, aber spannender ist hier der Weg über Mooswald und das Gasthaus Klammer, mit Kondition bis zum Strandbad Ferndorf, wo die Etappe vier des Millstätte­r-SeeHöhenst­eigs endet.

Wobei Höhensteig nicht ganz so eng gedacht ist: Manche Etappen gehen recht eben dahin wie jene entlang des kaum verbauten Nordufers des Millstätte­r Sees. Und manche der acht Abschnitte führen recht locker um das tiefste Gewässer Kärntens, einige machen sogar Exkurse: etwa auf den Großen Rosennock, den höchsten und ruppigsten Gipfel der Nockberge. Oder im Süden auf das Goldeck, den Skiberg der Spittaler. In Summe wären das 200 Kilometer, dividiert in anspruchsv­olle Tageseinhe­iten, bei denen man oft ziemlich viele Höhenmeter macht. In Summe sind es 6000, die man selten bei einem Aufenthalt in der Region absolviert, sondern stückelt. Ausgerüste­t sind die Routen mit Hütten, Gasthöfen und Quartieren – und manchmal auch einem Steintisch oder Granattor.

 ?? Kärnten Werbung/Franz Gerdl ?? Ländliches Idyll, gepflegt von den Mirnockbau­ern. Eine Etappe des Millstätte­r-SeeHöhenst­eigs führt auf den Charakterb­erg Mirnock. Mehr zu Region und Route: www.millstaett­ersee.com
Kärnten Werbung/Franz Gerdl Ländliches Idyll, gepflegt von den Mirnockbau­ern. Eine Etappe des Millstätte­r-SeeHöhenst­eigs führt auf den Charakterb­erg Mirnock. Mehr zu Region und Route: www.millstaett­ersee.com

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